Mehrere Menschen stehen bei der Eröffnung einer Arztpraxis nebeneinander in einem hellen Raum, einer von ihnen spricht in ein Mikrofon. 2 min
In Magdeburg kümmern sich Ärzte ehrenamtlich um Menschen ohne Krankenversicherung. Mehr dazu im Audio. Bildrechte: MDR/Annette Schneider-Solis
2 min

Sie behandeln Menschen, die nicht versichert sind – ehrenamtlich. Jetzt haben die "Ärzte der Welt" auch einen Standort in Magdeburg eröffnet.

MDR SACHSEN-ANHALT Di 05.11.2024 17:00Uhr 01:47 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/magdeburg/audio-open-med-magdeburg100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Verein "Ärzte der Welt" Behandlung auch ohne Krankenversicherung: Ärzte in Magdeburg kümmern sich ehrenamtlich

08. November 2024, 17:06 Uhr

In Magdeburg hat der Verein "Ärzte der Welt" eine Anlaufstelle für Menschen ohne Krankenversicherung eröffnet. Künftig sollen sie hier ärztliche Hilfe finden und auch Unterstützung, um wieder in die Krankenversicherung zu kommen. Deutschlandweit wird die Zahl derer, die trotz Pflicht nicht versichert sind, auf 500.000 bis eine Million geschätzt.

MDR San Mitarbeiterin Annette Schneider-Solis
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Frisch gemalerte, weiße Wände, neue Schreibtische, eine Behandlungsliege, ein nagelneuer Zahnarztstuhl und ein Ultraschallgerät: Die Ausstattung in der Anlaufstelle für Menschen ohne Krankenversicherung in Magdeburg ist entweder aus Spendengeldern des Vereins "Ärzte der Welt" finanziert oder besteht aus Sachspenden von Ärzten. Ehrenamtlich arbeitende Ärzte wollen hier in der Einsteinstraße neben ihrer Arbeit in der eigenen Praxis oder im Krankenhaus stundenweise helfen.

Hunderttausende sind nicht krankenversichert

Dass es in einem Land wie Deutschland, in dem eine Pflicht zur Krankenversicherung besteht, so viele Menschen ohne Krankenversicherungsschutz gibt, ist nicht einmal vielen Ärzten bekannt. Doch die Zahl der Betroffenen wird bundesweit auf 500.000 bis eine Million geschätzt. "Sehr oft sind es ehemalige Privatversicherte, die ihre Beiträge nicht mehr zahlen konnten und Schulden bei der Krankenkasse hatten", weiß Christian Stegmüller. Er ist bei "Ärzte der Welt" für die Inlandsprojekte verantwortlich, von denen es bislang vier in Berlin, Hamburg, München und Stuttgart und fortan eines in Magdeburg gibt.

Ein grüner Behandlungsstuhl in einer Arztpraxis
Blick in die neue Praxis der "Ärzte der Welt" in der Einsteinstraße in Magdeburg. Bildrechte: MDR/Annette Schneider-Solis

In anderen Fällen sind es Familienversicherte, die ihren Partner verloren haben, Pflegende, die ihre Arbeit aufgegeben haben, EU-Ausländer, die ihren Job und damit ihre Krankenversicherung verloren haben. Auch Migranten oder Obdachlose sind unter den Betroffenen.

Optiker oder Ärzte: Ehrenamtliche Helfer gesucht

In der Bahnhofsmission bieten Zahnärzte Obdachlosen bereits seit drei Jahren unentgeltliche Hilfe an. Eine der acht Zahnärztinnen und Zahnärzte, die dort einmal im Monat Patienten behandeln, ist Dr. Nicole Primas. "Ich will der Gesellschaft gern etwas zurückgeben", begründet sie ihren Einsatz. "Mir tun die Menschen leid, darum will ich ihnen helfen." Auch in ihrer Praxis behandelt sie Menschen ohne Krankenversicherung ohne Bezahlung.

Ich will der Gesellschaft gern etwas zurückgeben.

Nicole Primas Zahnärztin in Magdeburg

Weitere Zahnärzte oder Ärzte sind gesucht: "Wir wollen künftig neben allgemeinmedizinischer und zahnärztlicher Sprechstunde auch kinder- und frauenärztliche Behandlung anbieten", verrät Fabian Kunze, der gemeinsam mit anderen Mitstreitern vier Monate lang die Praxis ausgebaut hat und jetzt dafür verantwortlich ist. Geplant sind auch Angebote von Psychologen und eine Brillensprechstunde. "Dafür suchen wir noch Ärzte und Optiker, die uns unterstützen."

In einer Arztpraxis hängen zwei Plakate, die auf die Lage von Menschen ohne Krankenversicherung aufmerksam machen.
Auf Plakaten weisen die "Ärzte der Welt" auf Schicksal von Menschen hin, die nicht mehr versichert sind. Bildrechte: MDR/Annette Schneider-Solis

Verein will zurück in die Krankenversicherung helfen

Neben der medizinischen Basisversorgung soll in der Einsteinstraße künftig auch Hilfe von Sozialarbeitern angeboten werden. "Unser Ziel ist es, die Menschen wieder in die Krankenversicherung zu integrieren", erklärt Christian Stegmüller. Der Verein "Ärzte der Welt" arbeitet mit Spenden und kann auch nur in einem bestimmten Rahmen Hilfe leisten. Deshalb werden Menschen ohne Krankenversicherung unterstützt auf dem Weg zurück in die Krankenversicherung, indem sie Betroffene begleiten und veruschen, Zahlungserlass oder Ratenzahlungen zu erzielen. Das ist oft schwer genug, denn meist sind über mehrere Jahre Beitragsschulden aufgelaufen.

Das Angebot von "Ärzte der Welt" muss nun bekannter gemacht werden unter Menschen, die diese Hilfe brauchen. In den vier Großstädten, wo es Anlaufpunkte gibt, war der Zuspruch anfangs zögerlich. Mit der Zeit sprach es sich herum, und die Praxen sind gut besucht. In Magdeburg soll die Praxis anfangs erst einmal mit einem kleinen Angebot beginnen. Eine Sprechstunde pro Woche an einem Nachmittag ist am Anfang geplant. Die Ärzte und Sozialarbeiter stehen dafür in den Startlöchern.

MDR (Annette Schneider-Solis)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 07. November 2024 | 19:00 Uhr

4 Kommentare

Malilu vor 4 Wochen

Ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie begeistert. Ich bin von dieser Anlaufstelle und ich würde mich wahnsinnig drüber freuen, wenn sich auch ein Kinderarzt dahin verirrt, denn Meine drei Kinder bräuchten schon mal einen Arzt

DanielSBK vor 4 Wochen

Nö. Wer nicht versichert ist, haftet eben selber oder lässt sich versichern (gegen Bezahlung)❗. So einfach ist das! Wo leben wir hier eigentlich??? Bullerbü??

Maria A. vor 4 Wochen

"Hunderttausende sind nicht krankenversichert"? Da liegt wirklich was im Argen. Denn wir haben eigentlich eine Pflichtversicherung. Jedem Leistenden wird der Beitrag vom Brutto abgezogen, egal wie der das gern hätte. Der hat nur das Auswahlrecht der Krankenkasse. Für die Empfänger von Sozialleistungen tritt gesamtheitlich die Leistungsgesellschaft ein, also auch für deren Krankenversicherungsbeiträge. Aber anhand dieses Beitrags scheint es eine wachsende Grauzone zu geben. Die trotzdem nicht auf eine Versorgung verzichten braucht. Da kommt man ins Grübeln, ob vielleicht ein Zusammenhang besteht mit dem schleichenden Ansteigen von Beiträgen. Gesamtheitlich betrachtet, auch von Preisen und Steuern. Denn alle, die sich bessermenschlich engagieren, müssen ihr Salär ja von irgendwoher bekommen.

Mehr aus Magdeburg, Börde, Salzland und Harz

Mehr aus Sachsen-Anhalt