Die Hände einer Seniorin unter einem Wasserhahn
Seit Januar hat Ursula Ziehms in ihrer Mietwohnung in Magdeburg kein warmes Wasser. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/UIG

Magdeburg-Buckau Vermieter zahlt nicht an Stadtwerke: Mieter ohne Heizung und warmes Wasser

16. Oktober 2022, 13:21 Uhr

In einem Mehrfamilienhaus in Magdeburg müssen die Mieter seit Januar frieren. Der Vermieter hat die Zahlungen an die Stadtwerke für Heizung und Warmwasser gestoppt. MDR SACHSEN-ANHALT hat die 86-jährige Mieterin Ursula Ziehm aus dem Haus getroffen. Ziehm wohnt seit 27 Jahren in dem Haus. Jetzt rät der Mieterbund ihr zum Auszug. Der Verein befürchtet, dass es zu immer mehr Vermieterinsolvenzen kommen könnte.

Jetzt im Herbst, wo ab und an die Heizung angestellt wird, bleibt die von Ursula Ziehm in Magdeburg kalt. Sie wohnt mit 13 anderen Mietparteien in einem Mehrfamilienhaus im Stadtteil Buckau. Seit Ende Januar gibt es dort kein warmes Wasser und auch keine warme Heizung. Alles nur, weil der Vermieter nicht an die Stadtwerke Magdeburg zahlt. Der Sohn der Frau hat sich daraufhin bei MDR Sachsen-Anhalt gemeldet.

Das Wohnhaus in der Martinstraße in Magdeburg macht von außen keinen einladenden Eindruck. Die Fassade ist mit Graffiti beschmiert, der Putz an den Außenwänden und im Treppenhaus ist abgeplatzt. Die Hauseingangstür sieht nicht gerade sicher aus, die Tür zum Innenhof fehlt sogar ganz. Es zieht schon vor der Wohnungstür der 86-Jährigen.

Zu kalt zum Duschen

Die Wohnung selbst ist einfach eingerichtet. Rote Nelken stehen auf dem Esstisch in der Stube, die Wolldecke liegt daneben. 55 Quadratmeter, Parterre, es erreicht keinerlei Licht die Wohnung. Erst abends kommen mit etwas Glück ein paar Sonnenstrahlen hinein.

Mieterin Ursula Ziehm wohnt hier schon seit 27 Jahren. Mit ihren grauen Haaren und in ihrer roten Fleecejacke blickt sie traurig durch die Stube. Dort steht ein kleiner Ölradiator. Den macht sie aber nur kurz morgens und abends an. Die Kosten dafür lagen innerhalb von vier Monaten schon bei 500 Euro.

Ziehm erzählt von ihrer Situation: "Es ist nicht schön. Ich kann nicht duschen, ich friere. Wenn ich Haare waschen möchte, muss ich mir das Wasser im Topf warm machen. Wenn das so weitergeht, weiß ich nicht, was ich machen soll."

Ich kann nicht duschen, ich friere. Wenn ich Haare waschen möchte, muss ich mir das Wasser im Topf warm machen. Wenn das so weitergeht, weiß ich nicht, was ich machen soll.

Ursula Ziehm Mieterin in Magdeburg

Vermieter reagiert nicht

Ursula Ziehm und auch ihre Familie haben mehrfach den Vermieter kontaktiert und gebeten, die Mängel abzustellen. Doch keine Reaktion, selbst nachdem die rüstige Rentnerin die Miete von rund 500 Euro auf 50 Euro gekürzt hatte. Dies ist übrigens rechtens.

Wie Rechtsberater Zakaria Said, Rechtsberater vom Mieterverein Magdeburg u.U. e.V. sagte, besteht nach dem Gesetz der Anspruch, die Miete um 100 Prozent zu kürzen, da eine Grundversorgung nicht gegeben ist. Der Vermieter war leider nicht für den MDR zu sprechen. Auch der Sohn der Mieterin hat keinen Kontakt zu ihm. Ein- oder zweimal soll der Vermieter Volker Ziehm, den Sohn der Mieterin, mit einer Handynummer aus dem Ausland angerufen haben.

Mieterverein Magdeburg rät zum Ausziehen

Der Mieterverein Magdeburg rät sich in solchen Fällen, sich einen Anwalt zu nehmen und Kontakt zum Energieversorger aufzunehmen. Leider bringt das im Fall von Ursula Ziehm nicht viel, denn selbst wenn die Mieterin ihre Nebenkosten selbst an die Stadtwerke Magdeburg zahlen wollte, können die nichts machen. In dem Mehrfamilienhaus gibt es nur einen Kessel bzw. Zähler. Eine Einzelabrechnung ist nicht möglich, das teilte eine Sprecherin der Stadtwerke Magdeburg mit.

Dem Mieterverein Magdeburg sind ähnliche Fälle bekannt. Die Situation dürfte sich aufgrund der explodierenden Energiepreise weiter verschärfen. Zakaria Said, Rechtsberater vom Mieterverein Magdeburg u.U.e.V., sagte MDR Sachsen-Anhalt: "Wir machen uns Sorgen, dass im Zuge der gestiegenen Energiekosten Vermieterinsolvenzen zunehmen könnten und die Mieter dann unverschuldet ohne Heizung oder Wasser dastehen. Derzeit ist noch kein Trend zu erkennen, aber die hohen Kosten kommen noch."

Wir machen uns Sorgen, dass Vermieterinsolvenzen zunehmen könnten und die Mieter unverschuldet ohne Heizung oder Wasser dastehen. Die hohen Kosten kommen noch.

Zakaria Said Rechtsberater vom Mieterverein Magdeburg u.U.e.V.

Das sind Zeichen für Zahlungsschwierigkeiten des Hauseigentümers

In den meisten Fällen deuteten gewisse Anzeichen auf Zahlungsschwierigkeiten des Hauseigentümers hin. Alarmsignale seien beispielsweise, wenn die Hausreinigung ausbleibe, an der Instandhaltung gespart werde oder für den Winter nicht genug Heizenergie eingekauft werde. Mieter sollten daher genau hinschauen, wenn es Probleme gebe.

Rechtlich habe sich bereits etwas getan, sagt Said. Am 1. Dezember 2021 seien die Novellierungen der Strom- und Gas-Grundversorgungsverordnungen (Strom-/Gas GVV) in Kraft getreten: "Bevor der Grundversorger eine Versorgungssperre veranlassen kann, muss er seitdem mindestens zweimal auf die bevorstehende Unterbrechung hinweisen. Die zweite Ankündigung muss zukünftig acht Werktage anstatt der bisher drei Werktage im Voraus durch briefliche Mitteilung erfolgen".

Auszug kommt für Mieterin nicht in Frage

Für die 86-jährige Ursula Ziehm kommt es nicht infrage, auszuziehen. Hier kennt sie jeden Zentimeter blind. Es ist ihr kleines Reich. Sie wünscht sich nur, dass es so wird, wie es früher einmal war. Nämlich warm.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass Ursula Ziehms Wohnung bis zur Wende eine Eisdiele war. Richtig ist: Die Eisdiele befand sind in einem Nachbarhaus, das einem anderen Eigentümer gehört. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

MDR (Marila Zielke, Alisa Sonntag)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 12. Oktober 2022 | 07:10 Uhr

32 Kommentare

hilflos am 17.10.2022

Ralf Meier, aber dann muß der MDR doch die Leute nicht aufwiegeln. Die ivestigativen Fähigkeiten scheinen schon gering zu sein. Nur der Verweis, dass der Vermieter nicht reagierte ist mir zu dünn

astrodon am 17.10.2022

@Susi: Habe auf die Schnelle so 30-50 Wohnungen in besagter Größe (50-60m²) und zu moderaten Preisen von ca. 5€ bei nur einem Immo-Portal gefunden. Vermiter sowohl privat wie auch genossenschaftlich/komunal. Also daran scheint es eher nicht zu liegen.

ralf meier am 17.10.2022

@wodi, vielleicht kann der Vermieter dank der sanktionspolitik unserer Regierung nicht mehr zahlen ? siehe auch weiter oben mein Kommentar an Hilflos. Also bevor Sie mir etwas unterstellen, sollten Sie kurz nachdenken

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