Milliardenkosten Uniklinik-Neubau in Magdeburg: Landesrechnungshof kritisiert Pläne zur Finanzierung

28. Juni 2024, 19:38 Uhr

Die Uniklinik in Magdeburg soll mit einem neuen Zentralgebäude zukunftsfähig gemacht werden. Darüber herrscht weitgehend Einigkeit. An der geplanten Finanzierung des Milliardenprojekts über eine landeseigene Gesellschaft übt der Landesrechnungshof nun aber Kritik. Er befürchtet, dass das Land dafür tief – und gleich doppelt – in die Tasche greifen muss.

MDR-Redakteur Roland Jäger
Bildrechte: Philipp Bauer

Es laufen stetig Bauarbeiten auf dem Campus des Universitätsklinikums Magdeburg: So wird etwa die neue Herzklinik gerade errichtet. Doch wer auf die benachbarte Hautklinik schaut, sieht an der historischen Fassade die Aufschrift: "Gestiftet 1864". Gegenüber liegt die Kinderklinik, ein rund 100 Jahre altes Gebäude. Die Onkologie ist in einem Gebäude aus DDR-Zeiten untergebracht.

Wir hatten bei Starkregen einen Wassereinbruch im Haus 8. Wir haben in der Kinderklinik versucht, ein Kinder-MRT aufzustellen, das aber leider durch die Decken nicht getragen wird.

Marco Bohn Kaufmännischer Direktor

Die hohen Instandhaltungskosten dieser historischen Bausubstanz schildert Marco Bohn, Kaufmännischer Direktor der Uniklinik, so: "Wir hatten bei Starkregen einen Wassereinbruch im Haus 8. Wir haben in der Kinderklinik versucht, ein Kinder-MRT aufzustellen, das aber leider durch die Decken nicht getragen wird." Selbst in dem aktuell genutzten, rund 20 Jahre alten Zentralgebäude Haus 60 könnten neue Medizingeräte nicht aufgestellt werden, weil die Bausubstanz diese nicht tragen könne.

Zwischen all den Häusern auf dem weitläufigen Campus verlaufen stetige Ströme an Transporten: Proben, Personal, Patientinnen und Patienten. Die logistischen Kosten summieren sich einem Gutachten zufolge auf etwa 25 Millionen Euro pro Jahr.

Hintereingang zum Universitätsklinikum Magdeburg.
Hohe Kosten durch dezentrale Lage und schlechten Brandschutz: Das Universitätsklinikum in Magdeburg muss dringend saniert werden. Bildrechte: IMAGO / Christian Schroedter

Zentralisierung soll Kosten einsparen

Die Lösung für die galloppierenden Kosten soll das neue Zentralklinikum sein: Ein Neubau, in dem verschiedene medizinische Fachabteilungen gemeinsam und dadurch kosteneffizienter als bisher arbeiten sollen. Doch dafür sollen erst einmal 1,06 Milliarden Euro für den Neubau ausgegeben werden. Geld, das Sachsen-Anhalt in seinem Kernhaushalt nicht aufbringen kann. Ein kompliziertes Finanzkonstrukt zur Umgehung der Schuldenbremse soll die Großinvestition ermöglichen.

Das Modell: Das Land Sachsen-Anhalt nimmt einen Kredit auf und gibt diesen an die Immobilien- und Projektmanagementgesellschaft Sachsen-Anhalt (IPS) weiter. Die IPS ist eine eigens für die Realisierung von Großprojekten aufgebaute landeseigene GmbH. Die Uniklinik soll später über Mietzahlungen an die IPS den Milliarden-Kredit abzahlen.

Landesrechnungshof kritisiert Finanzkonzept: Doppel-Finanzierung

Das Problem: Die Uniklinik schreibt Millionenverluste und könnte daher Probleme bekommen, die Miete für den Neubau zu zahlen – warnt der Landesrechnungshof. Dann müsste das Land mit weiteren Finanzspritzen einspringen. Kay Barthel, Präsident des Landesrechnungshofes, sagte MDR SACHSEN-ANHALT: "Jeder weiß, dass bei einem Defizit das Uniklinikum dieses Geld nicht hat. Das heißt, es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder wird das Defizit um den Mietzahlungsbetrag anwachsen, dann bezahlt es auch das Land. Oder das Land gibt dem Uniklinikum vorher das zusätzliche Geld für die Mietzahlung."

Das Finanzministerium folgt den Warnungen des Landesrechnungshofes vor einer möglichen Kostenfalle nicht und schreibt auf MDR-Anfrage: "Das Universitätsklinikum [wird] mit der Durchführung der Maßnahmen letztlich jährliche Einsparungen in Millionenhöhe generieren können, durch Abbau der dezentralen Infrastruktur." Da sowohl das Universitätsklinikum als auch die IPS landeseigene Anstalten sind, könnten diese Einsparungen für etwaige Mietzahlungen eingesetzt werden. Das Land müsse dem Universitätsklinikum kein zusätzliches Geld dafür bereitstellen.

Der Landesrechnungshof – immerhin der oberste Wächter über die Finanzen des Landes – hält diese Einschätzung für falsch und hat eine andere Sicht auf die Dinge: Demnach kann die Zentralisierung allein das Defizit des Universitätsklinikums nicht abbauen. Der Rechnungshof-Präsident Kay Barthel sagt: "Es gibt die Gutachten, die sagen, diese internen Logistikkosten lassen sich um 25 Millionen Euro reduzieren. Das heißt aber immer noch, dass das Uniklinikum erhebliche Defizite weiterhin vorhält."

Ein Schaubild zeigt den Weg des Geldes
Der Landesrechnungshof befürchtet, in dem Finanzierungskonzept könnte eine Kostenfalle versteckt sein. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Fraktionen teilen Kritik

Mehrere Fraktionen im Landtag folgen der Einschätzung des Landesrechnungshofes. Kristin Heiß, Finanzpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, sagte: "Dadurch, dass wir die Schuldenbremse haben, muss die Landesregierung Umwege gehen. Diese Umwege führen aus unserer Sicht dazu, dass sie quasi doppelt Kosten haben." Für die Linke sei das nicht effektiv und der falsche Weg.

Konstantin Pott
Konstantin Pott, FDP, ist nicht glücklich mit der Finanzierung. Bildrechte: FDP Sachsen-Anhalt

Olaf Meister, Finanzpolitischer Sprecher der Grünen, bemängelt außerdem eine fehlende parlamentarische Kontrolle des Milliardenprojektes: "Das ist tatsächlich ein Haushalt neben dem eigentlichen Landeshaushalt." Eine regelmäßige Kontrolle, wie bei anderen steurmittelfinanzierten Großvorhaben, gebe es wegen der Projekt-Auslagerung an die IPS nicht.

Auch die FDP-Fraktion, selbst regierungstragend, kritisiert das Finanzkonstrukt. Wichtig sei der FDP-Fraktion, dass mit dem Neubau auch die erhofften Effektivitätssteigerungen tatsächlich erreicht werden, damit das Uniklinikum sich selbst tragen könne.

Wir haben im Finanzausschuss deutlich gemacht, dass wir diese Finanzierung nicht für ideal halten, andererseits man solche Bauvorhaben in Sachsen-Anhalt auch nicht anders umsetzen kann. So ehrlich müssen wir sein.

Konstantin Pott, FDP

In der Sache selbst gibt es hingegen kaum politischen Gegenwind: Dass in die Modernisierung der Universitätsklinik investiert werden sollte, betonen Grüne, Linke und FDP ebenso wie der Landesrechnungshof. Letzterer hatte einen Investitionsstau am Uni-Klinikum bereits seit 2015 festgestellt.

Qualität für Patienten soll bedeutend steigen

Die Klinikleitung setzt große Hoffnungen in den Neubau. Der Kaufmännische Direktor, Marco Bohn, ist überzeugt: "Wir werden auf alle Fälle einen Qualitätssprung erreichen, was allein die Gebäudeinfrastruktur angeht. Und wir werden darüber hinaus auch Fachkräfte besser binden können, weil die Voraussetzungen und die Interprofessionalität zwischen den Berufsgruppen – und dann wiederum auch die Patientenversorgung – gestärkt wird."

Universitätsklinikum Magdeburg | Lohfert & Lohfert AG
Der Neubau soll direkt an das bestehende Haus 60 angeschlossen werden. Bildrechte: Universitätsklinikum Magdeburg | Lohfert & Lohfert AG

Baustart noch 2024

Der Landesrechnungshof kritisiert jedoch ferner, die Krankenhausplanung des Landes sei kaum an den Ausbau der Universitätsklinik angepasst worden. Marco Bohn weist das entschieden zurück: "Das Krankenhaus-Gutachten Sachsen-Anhalt sagt ganz klar: Schwerpunktbildung in den Zentren, aber eine wohnortnahe Patientenversorgung und Sicherung der Versorgung in der Fläche." Der zweite Bauabschnitt des Neubaus solle flexibel an eigene Bedürfnisse und Kooperationen beziehungsweise Planungen umliegender Kliniken sowie der Universitätsklinik in Halle als zweiten Schwerpunkt im Land angepasst werden.

Bohn verweist auch auf das Konzept der "Driving Doctors" der Uniklinik: Medizinisches Personal und vielleicht auch Equipment solle hinaus in die Fläche fahren. "Dafür brauchen Sie den Anker einer starken Universitätsmedizin."

Der symbolische Spatenstich soll laut Universitätsklinikum Magdeburg noch im September dieses Jahres erfolgen. Die Bauzeit ist mit 12 bis 15 Jahren veranschlagt.

MDR (Roland Jäger, Alicia Löffler)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 28. Juni 2024 | 08:00 Uhr

12 Kommentare

pwsksk vor 10 Wochen

@steka, vorfinanziert werden müssen alle Großinvestitionen. Und im Gesundheitswesen, der Bildung, der Infrastruktur insgesamt rechnet sich das teilweise NIE.
Ein Herr Lauterbach mag das vielleicht anders sehen, aber ein profitables Gesundheitswesen als solches kann es nicht geben.

pwsksk vor 10 Wochen

@EOM, ich bin gespannt auf Kommentare von ihnen, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind und fair miteinander diskutieren.
Ich weiß aber nicht, wann dies das letzte mal war.

Peter vor 10 Wochen

Zimmer 101: Ich korrigiere mich: „ Und da sage noch einer, die Regierungen würde keine Politik für´s Volk machen.“
Die Eine finanziert die INTEL-Ansiedlung mit tausenden neuer Arbeitsplätze. Die Andere finanziert den Neubau des Uniklinikums.

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