Frau in einem kalten Büro
Durch die Energiesparverordnung des Bundes soll in Büros nur noch bis 19 Grad geheizt werden. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Kaltfront am Arbeitsplatz 19 Grad im Büro: Energiesparen bei der Stadtverwaltung Magdeburg

07. Januar 2023, 17:00 Uhr

Bis auf ein paar Tage im Dezember, war der Winter in Sachsen-Anhalt bislang ziemlich mild, zumindest outdoor. Innen allerdings sollte es eigentlich etwas kühler sein, zumindest in öffentlichen Räumen und Büros. Das sieht die Energiesparverordnung der Bundesregierung vor, die im September letzten Jahres verabschiedet wurde. Doch wie sieht es mit der Umsetzung aus? MDR-Reporter Uli Wittstock ist dieser Frage in Magdeburg nachgegangen.

Portrait-Bild von Uli Wittstock
Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

  • In Magdeburg versucht die Stadtverwaltung nicht erst seit der Energiekrise Energie zu sparen.
  • Energiebeauftrage sollen dabei helfen, mehr Einsparpotenzial umzusetzen.
  • Ob die 19-Grad-Regel für Büros sinnvoll ist, wird gegenwärtig in Magdeburg noch diskutiert.

Wer derzeit bei Behörden einen Termin bucht, der wird sich wohl auf längere Wartezeiten einstellen müssen, denn auch die Verwaltung ist durch die aktuelle Krankheitswelle erheblich dezimiert. Ob das, wie im Herbst von so manchem befürchtet, auch eine Folge der Energiesparverordnung ist, lässt sich derzeit allerdings noch nicht beurteilen. Doch nicht nur in Arztpraxen klingeln unablässig die Telefone, sondern auch bei den Energieberatern.

Energiespar-Fachmann mit 25 Jahren Berufserfahrung

Einer von ihnen ist Christian Hartwig, der seit 25 Jahren Firmen und Institutionen beim Energiesparen berät. Seit der Energiekrise ist sein Fachwissen besonders gefragt: "Sie finden überall mal mehr und mal weniger Einsparpotenzial. Und das muss man dann erschließen. Wenn man sich zum Beispiel den Energiebericht der Landeshauptstadt Magdeburg anguckt, da kann man sehr gut nachlesen, wie die Stadt seit 2005 sehr intensiv Energiemanagement betreibt. Und das sehr erfolgreich", erklärt Hartwig im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT.

Magdeburg spart Millionen

Seit dem Jahr 2005 gibt es in Magdeburg ein Energiesparkonzept, vom damaligen Oberbürgermeister Lutz Trümper auf den Weg gebracht. Wurden im ersten Jahr keine 80.000 Euro eingespart, so waren es im Jahr 2020 schon immerhin über eine halbe Million Euro. Das geht aus dem aktuellen Energiebericht der Stadt hervor. Im Verlauf der letzten 15 Jahre gab die Stadt Magdeburg demnach über fünf Millionen Euro weniger für Energie aus.

Auch der Klimaschutz profitierte davon, denn es wurden laut Bericht über 16.000 Tonnen CO2 weniger an die Umwelt abgegeben. Zuständig für die Energiepolitik der Stadt ist Hagen Reum, Chef des kommunalen Gebäudemanagements. Die Temperatur in den Büros sei seit Jahren ein wichtiges Thema während der Heizperiode, so Reum: "Die Interessen der einzelnen Beschäftigten unter einen Hut zu bringen und allen Bedürfnissen gerecht zu werden, das ist eine große Herausforderung. Wir sind diejenigen, die dann angerufen werden: Es ist zu kalt, es ist zu warm. Da kriegen wir oft Beschwerdeanrufe", erklärt Reum.

Energiesparverordnung der Bundesregierung Die Verordnung sieht vor:

19 Grad Celsius für körperlich leichte und überwiegend sitzende Tätigkeit

18 Grad Celsius für körperlich leichte Tätigkeit überwiegend im Stehen oder Gehen

18 Grad Celsius für mittelschwere und überwiegend sitzende Tätigkeit

16 Grad Celsius für mittelschwere Tätigkeit überwiegend im Stehen oder Gehen

Büromode im Wandel der Energieknappheit

Skihose und Pelzmütze gehören zwar noch nicht zum Dresscode in den städtischen Büros, doch gewisse Änderungen zeigen sich schon, denn bei 19 Grad im Büro geht es weniger um Chic, sondern vielmehr um Komfort. Ein Trend, den auch Hagen Reum bestätigt. Er sagt, die Mitarbeiter fühlten sich dann auch nicht mehr mit einem kurzärmligen Hemd oder T-Shirt wohl.

Stattdessen erfährt der Pullunder eine Renaissance, weil er eben die Wärme zusätzlich am Körper hält, und auch sehr im Trend liegen Steppwesten, wie man sie eigentlich eher im Freizeitbereich trägt. Bislang galt in den Büros der Stadt eine Temperatur von 20 Grad als Richtwert, so dass nun das eine Grad weniger kaum auffällt, vermutet Hagen Reum, denn die Zahl der Klagen hielt sich bislang in Grenzen.

Energiebeauftrage sollen Umsetzung begleiten

Im Oktober erließ Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris eine Verfügung mit dem beeindruckenden Titel: "Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung", ein Wort mit über 50 Buchstaben, abgekürzt: EnSikuMaV. In dieser EnSikuMaV steht zu lesen: "Um ihrer Vorbildwirkung gerecht zu werden, müssen alle Beschäftigten der Landeshauptstadt Magdeburg für die Öffentlichkeit erkennbar mit gutem Beispiel vorangehen." Und damit dies gelingt, wurden in den einzelnen Bereichen Energiebeauftragte ernannt, welche die Hausmeister bei der Umsetzung unterstützten sollen.

Denn ohne Kontrollen, so Hagen Reum, würden wohl die Vorgaben verfehlt: "Die Energiebeauftragten sollen moderieren und kontrollieren. Dass da denunziert wird, ist momentan nicht festzustellen. Aber unsere Hausmeister sind mit Thermometern ausgestattet und kontrollieren auch", sagt Reum.

Thermostat auf drei

Das Empfinden von Wärme und Kälte ist ein sehr individuelles. Während der eine sich fröstelnd eine Jacke überzieht, sitzt der andere im T-Shirt daneben und zeigt sich ungerührt. Und genau das sorgt ja gelegentlich für Stress am Arbeitsplatz. So ist es nicht verwunderlich, dass die meisten Heizkörper mit einem Thermostat geregelt werden können, doch in vielen städtischen Büros sind die Regler inzwischen begrenzt. "Hier bei uns im Gebäude können die Thermostatventile nicht auf fünf gedreht werden. Sie haben einen kleinen Begrenzer. Natürlich kann man den umgehen, aber auch das kontrollieren die Hausmeister, ob da irgendwie manipuliert wurde", erklärt Reum.

Flure und Treppenhäuser bleiben zudem ungeheizt und wer trotzdem bei offener Bürotür arbeitet, der macht sich verdächtig, die Heizkörper unter Volllast zu fahren. Seitdem allerdings das Homeoffice in der Verwaltung keine Ausnahme mehr ist, bleibt eben so mancher lieber zu Hause, denn in den eigenen vier Wänden gilt ja die 19 Grad Regel nicht.

Kaltfront im Büro

Ob und welche Folgen das 19-Grad-Ziel für die Beschäftigten hat, darüber wird derzeit viel und kontrovers diskutiert. Bei so manchen dürfte allerdings die Arbeitsfreude deutlich sinken, denn nach einer Stunde in frischer Umgebung steigt das Bedürfnis nach einem Dienstgang über den Flur, was allerdings nur kurzfristig für etwas Wärme sorgt.

Auch Energieberater Christian Hartwig ist skeptisch, ob die gegenwärtigen Regeln die richtigen Antworten auf die Energiekrise sind: "Wir hören, dass 19 Grad nicht unbedingt das ist, was viele Menschen möchten, wenn sie arbeiten gehen. Und es ist dann auch nicht angenehm, eine sitzende Tätigkeit auszuüben", sagt Hartwig. Wenn das nicht reichen sollte, wäre auch noch eine Steigerung möglich, nämlich die Bürostühle abzuschaffen. Denn bei körperlich leichter Tätigkeit, überwiegend im Stehen oder Gehen, würden auch 18 Grad Raumtemperatur reichen, so sieht es Energiesparverordnung der Bundesregierung vor. Spätestens dann dürfte es wohl massive Beschwerden geben

MDR (Uli Wittstock, Moritz Arand)

30 Kommentare

Tom0815 am 09.01.2023

@wwdd
...weil damit der Energieverbrauch steigt, was für uns alle in der Regel mit steigenden Energiekosten verbunden ist? Sorry, diese "Logik" erschließt sich mir nicht. Aber vielleicht können Sie das ja näher erklären? Danke vorab.

Tom0815 am 09.01.2023

...und müssten dafür nur vor einem Aggressor wie Putin kriechen, unsere moralischen Grundsätze ignorieren und uns erpressen lassen. Ach, wie verlockend...

wwdd am 08.01.2023

Der Chef ist weit weg, das Gerät nicht gleich sichtbar und wir schalten es beim Verlassen des Raumes aus. Außerdem hatte unser Chef schon beim Coronagedöns einen Hals und hat es jetzt mit diesem Energie- und Klimageschwafel ebenfalls. Kranke und unmotivierte Mitarbeiter nutzen ihm auch nichts.

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