Diskussion auf Unternehmerevent Was die regionale Wirtschaft von Intel hat

05. Mai 2023, 20:34 Uhr

Unternehmer aus dem Landkreis Börde haben auf einem Event über Chancen und Risiken der Intel-Ansiedlung in Magdeburg diskutiert. Wissenschaftler und Wirtschaftsexperten erwarten eine Sogwirkung für Fachkräfte. Die Universität Magdeburg hofft, dass ihre Absolventen in der Region bleiben. Landwirte sind hingegen skeptisch.

Porträtbild eines Mannes
Bildrechte: MDR/Sebastian Mantei

Auf dem Rennring der Motorsportarena Oschersleben herrscht gähnende Leere. Dagegen ist der Saal des danebenliegenden Hotels bis auf den letzten Platz gefüllt. 250 Unternehmer und Kommunalvertreter folgten der Einladung der Volksbank Börde-Bernburg, um mit Experten ins Gespräch zu kommen.

Tesla war Lottogewinn für Grünheide

Hoch sind die Erwartungen an den Gast, der schon Erfahrungen mit amerikanischen Großinvestoren gesammelt hat: Arne Christiani, der Bürgermeister aus dem brandenburgischen Grünheide. Er ist stolz darauf, dass sich 2019 der Elektroautokonzern Tesla für Grünheide entschieden hat.

"Ich betrachte das als Lottogewinn für die Gemeinde Grünheide. Denn jetzt gibt es endlich eine Perspektive für junge Menschen seit der politischen Wende in der Region zu bleiben, nach der Schule eine Ausbildung zu kriegen", sagt Christiani.

Brandenburgs größter Arbeitgeber

Tesla ist Brandenburgs größter Ausbildungsbetrieb und Arbeitgeber. Das Unternehmen hat im September 2022 in 17 Berufen Ausbildungen angeboten. Das schafft Perspektiven für junge Menschen, die einen technischen Beruf erlernt oder ein Ingenieursstudium absolviert haben. Sie können in der Heimat bleiben und müssen nicht im Westen Deutschlands einen Job suchen. Und das, so Christiani, sei in sämtlichen Schichten des gesellschaftlichen Lebens in Grünheide spürbar – egal ob in der Feuerwehr, den Sportvereinen oder im Karnevalsverein. Tesla bringt Bewegung in die Gemeinde und vor allem junge Leute.

Arbeitgeberpräsident sieht viele Jobs bei Intel

Diese Erfolgsgeschichte für eine Kommune im ländlichen Raum würde Marco Langhof, Arbeitgeberpräsident von Sachsen-Anhalt, gern auch in der Börde fortschreiben. Langhof ist erst vor kurzem mit einer Delegation von Wirtschaftsvertretern und Kommunalpolitikern in den USA gewesen und hat sich vor Ort im Silicon Valley ein Bild machen können, wie mittelständische Unternehmen und Gemeinden mit großen Chipfabriken in unmittelbarer Nachbarschaft zurechtkommen.

Für den Mittelstand ist Intel eine große Chance, so Langhof: "Mit diesem Investitionsvorhaben wären eine Menge von Dienstleistungen benötigt. Allein man rechne mit 3.000 Leuten, die auf dem Bau beschäftigt sind. Und das sind jetzt nicht nur Leute, die bei Intel eingestellt werden, sondern es sind Baubetriebe, die das ausführen. Das haben wir uns auch vor Ort angucken können. Insofern ist da schon mal ein ganz unmittelbarer Effekt."

Landwirte sind skeptisch

Doch trotz dieser positiven Bilanz, stellen sich viele Unternehmer im Raum die Frage, was mit ihren Mitarbeitern passiert, wenn ein Riese wie Intel Fachkräfte braucht. Holger Geist, Geschäftsführer der Van der Velde Agrar GmbH ist skeptisch:

"Also ich bin da sicherlich zwiegespalten. Auf der einen Seite finde ich die Investition sehr interessant für unsere Region. Aber wir als Landwirte schauen da schon mit zwei unterschiedlichen Augen dorthin. Einmal ist es so, dass ja wirklich da über 100 Hektar irgendwo mal bebaut werden. Das heißt der Flächenpreis und der Marktpreis für Flächen wird voraussichtlich in die Höhe schießen. Und auch im Arbeitskräftebereich gehe ich davon aus, dass doch dort auch Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft abgezogen werden. Da können wir gar nicht mithalten."

Dagegen hofft Antje Brandt, die für einen landwirtschaftlichen Direktvermarkter arbeitet, auf neue Absatzchancen ihrer Produkte: "Wenn ich jetzt einfach mal so ein bisschen träumen darf, hoffe ich natürlich, dass auch Absatzmöglichkeiten durch vielleicht dieses neue Unternehmen oder durch neue Arbeitskräfte entstehen. Aber ob das wirklich so zum Tragen kommt oder ob nicht für mich persönlich für unser Unternehmen auch Nachteile überwiegen, das bleibt abzuwarten."

Universität will Fachkräfte ausbilden

Die Zukunft ist ungewiss, doch die Chancen für die Region steigen. Ähnlich wie in Grünheide hofft auch die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, dass ihre Absolventen in der Region bleiben, weil sie eine Perspektive haben. Universitätsrektor Jens Strackeljan will mit neuen Studiengängen und technischen Ausbildungen für Fachkräfte sorgen, die dann hierbleiben.

Und nicht nur die sollen bleiben, so Arbeitgeberpräsident Marco Langhof, der selbst ein Unternehmen leitet: "Wir haben zehntausende Pendler, die gerne in Sachsen-Anhalt in ihrer Heimat arbeiten möchten. Und da gibt es verschiedene Möglichkeiten, die wir hier diskutieren, wo wir auch ganz offen mit Intel im Gespräch sind."

Bei aller Euphorie, versucht Langhof auch kritisch auf diese Investition zu schauen, doch überwiegen für ihn eher die Vorteile. "Es fällt wirklich schwer, das Haar in der Suppe zu finden. Im Moment muss man sagen, findet sich da erst mal nix, wo wir meckern können."

Wer profitiert wirklich?

Doch bevor Intel produziert, Fachkräfte in der Region hält, Zulieferer sich im High-Techpark ansiedeln, sind enorme Investitionen nötig. Kosten, die größtenteils vom Bund und der EU getragen werden, aber auch anteilig durch die Gemeinden gezahlt werden müssen. Für den Finanzvorsitzenden des Gemeinderats Sülzetal Andreas Kühn (AfD) ist das eine Rechnung, die sich am Ende auch für Sülzetal und Wanzleben rechnen muss, etwa durch Steuereinnahmen.

"Magdeburg sagt, sie möchten die Steuereinnahmen für Intel ausschließlich für sich verbuchen. Und das, was ein Zuliefererpark, also dieser sogenannte Supplyer Park bekommt, das wäre dann womöglich eine Einnahme, die der Gemeinde Sülzetal zustände. Aber kommt das, wieviel Unternehmen kommen, wo haben die ihre Hauptsitze? Denn wir wissen im deutschen Steuerrecht, dass dorthin das Geld fließt, wo die Versteuerung stattfindet, nämlich am Hauptsitz."

Börde will Grünheides Beispiel folgen

Blickt man nach Grünheide in Brandenburg, scheint dort die Rechnung aufzugehen. Die Gemeinde kann schon in diesem Jahr mit ersten Gewerbesteuern des US-Elektroautobauers Tesla rechnen. Zuvor hat Grünheide bereits von der Einkommenssteuer der Teslamitarbeiter profitieren können.

In der Börde ist das noch Zukunftsmusik. Aber die Schilderungen von Grünheides Bürgermeister Arne Christiani machen so manchem Unternehmer hier an der Motrosportarena Oschersleben Mut für die Zukunft. Auch wenn der Weg dorthin noch weit ist.

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MDR (Sebastian Mantei, Fabienne von der Eltz)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 05. Mai 2023 | 19:00 Uhr

20 Kommentare

Ilse am 06.05.2023

Peter

Weder noch! Inzwischen sprechen wir hier von 13Mrd€ direkte Subventionen. Wenn wir den Gewinn dieser einzelnen Fabrik des Konzerns im Verhältnis zum Gesamtgewinn schätzen, was glauben Sie wieviel Jahre die Steuern zahlen müssen, ehe der Steuerzahler auch nur einen realen Nettoeuro sehen wird, bis die 13Mrd€ privatisierter Steuergelder überschritten sind u. die indirekten Subventionen kommen zu den 13Mrd€ jährlich noch hinzu. (20 Jahre??? oder mehr)

Micha R am 06.05.2023

@ DanielSBK
"...Magdeburg hat randstad, ZAG, Hoffmann, Manpower, Adecco, Persona und noch ein dutzend andere Zeit- und Leihbuden im Angebot ;-)"
Tja,gerade im Falle der Nachfrage durch besonders solvente Firmen werden die diese Tatsache bei der Höhe des von ihnen aufgerufenen Verrechnungssätze sicherlich auch zu berücksichtigen wissen...

Peter am 06.05.2023

Mein lieber DanielSBK: Was wird die geneigten Leser mehr überzeugen?
Ihre immer wieder mantraartig vorgetragenen Sprüche und Behauptungen? Oder die praktischen Erfahrungen des Bürgermeisters aus Grünheide?

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