Forschung Wie aus Tee ein veganer Leder-Ersatz wird

07. Februar 2023, 12:19 Uhr

Das Interesse an veganen Ersatz-Produkten für Pelz, Felle oder Leder ist besonders in der Modeindustrie groß. Magdeburger Studierende arbeiten an einem von Tieren freien Leder-Ersatz aus Bakterien und Hefe. Das vegane Leder wird durch einen Kombucha-Teepilz erzeugt, an welchem weltweit seit Jahren geforscht wird. Die Studierenden sind überzeugt, dass das Produkt namens "Scoby" großes Potenzial hat, die Leder-Industrie zu verändern.

Vor dem Haus 9 auf dem Herrenkrug Campus der Hochschule Magdeburg tummeln sich viele Menschen. In wenigen Minuten präsentieren die Studierenden des Fachbereichs Industriedesign ihre Semester-Projekte. Unter dem Titel "Werkschau Light" sind viele Anwesende vor allem an einem Projekt sehr interessiert: dem veganen Leder.

Mehr als 20 Studierende haben über das gesamte Semester einen "Pilz" wachsen lassen, der unscheinbar aussieht, aber einiges kann. Er nennt sich Scoby, was die englische Übersetzung für eine symbiotische Kultur von Bakterien und Hefen ist. Eigentlich sorgt der Scoby für den süßen und gärigen Geschmack im Kombucha-Tee, einem Gär-Getränk, das seinen Ursprung in Japan findet und in den letzten Jahren auch in Deutschland immer mehr an Beliebtheit gewinnt.

Während des Fermentierungs-Prozesses wächst der Pilz langsam auf der Oberfläche des Tees und bedeckt ihn als weiße glibberige Masse. Nach einigen Wochen wird der Scoby 'geerntet' und anschließend getrocknet, bis das finale, einem Leder ähnliche Material übrig bleibt.

Scoby hat zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten

Dass dieser Teepilz auch mehr kann, als nur den Geschmack von Kombucha zu verändern, ist keine Weltneuheit. Schon seit Jahren forschen Einzelpersonen und Unternehmen an den weitreichenden Verwendungsmöglichkeiten für den Scoby – nur am Interesse der Öffentlichkeit fehle es noch, sagt Industriedesign-Student Marlon Aurel Benold, der an dem Projekt mitgewirkt hat. Er hofft, dass Scoby und sein Potenzial mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Unsere Absicht ist, dass der Scoby mehr Aufmerksamkeit geschenkt bekommt, da sehr viel Potenzial in diesem Material steckt.

Marlon Aurel Benold, Industriedesign-Student

Vor allem als Leder-Ersatz könnte der Scoby den Markt erobern. In der herkömmlichen Lederherstellung werden während des Gerbungs-Prozesses häufig Chrom-Salze verwendet. Sie gelten als krebserregend und sind zudem schwer zu entsorgen. Der Teepilz wiederum gilt als ökologisch in der Herstellung sowie in der Entsorgung. Er soll theoretisch sogar essbar sein.

Student Benold zufolge ist das Material zudem dehnbar, zugfest und transparent. Neben der möglichen Verwendung als Leder-Ersatz könnte der Scoby auch in der Bio-Kunststoff- oder Kautschuk-Industrie einen Platz finden.

Doch kann dieses experimentelle Material zukünftig wirklich marktfähig sein? Die Studierenden sind zuversichtlich. Allein die Herstellung sei simpel, erklärt Benold. Man benötige nur vier Grundmaterialien: Wasser, nicht raffinierten Zucker, Tee und einen bestehenden Kombucha-Pilz. Dann wachse es quasi von alleine.

Wie züchte ich meinen eigenen Scoby?

Man benötigt:
- 1 großes Gefäß (mit Essig gut ausspülen)
- Tee (vorzugsweise schwarzen oder grünen Tee ohne Aromastoffe)
- nicht raffinierten Zucker (z.B. Rohzucker)
- einen Kombucha-Pilz (online erhältlich)
- ein luftdurchlässiges Abdeck-Tuch

Tee und Zucker aufkochen, Abdeck-Tuch drauf und über Nacht stehen lassen. Dann den Kombucha-Pilz hinzugeben bei 20 bis 30 Grad für mehrere Wochen lagern.

Scoby ist derzeit noch nicht marktfähig

Trotz vielversprechenden Potenzials besitzt der Teepilz noch einige Schwachstellen. Durch den Gärungs-Prozess entstehen Essigsäuren, die den Pilz mit einem stechenden Geruch versehen. Auch direkter und langer Kontakt mit Wasser kann das Endprodukt zerstören beziehungsweise verformen.

Für diese Makel haben die Studierenden noch keine finale Lösung gefunden. Viele synthetische Plastik- und Leder-Ersatz-Produkte besitzen derzeit noch entscheidende Vorteile gegenüber dem Scoby. Wasser-Festigkeit, Geruchs-Neutralität und Kratz-Festigkeit seien die Königsdisziplinen an denen es jetzt zu arbeiten gilt, konstatiert die Forschungsgruppe bei ihrer Präsentation an der Hochschule Magdeburg-Stendal.

Derzeit wird außerdem an der CO2-Tragfähigkeit des Scoby geforscht. Da dieser im botanischen Sinne ja eigentlich kein Pilz, sondern eine Zellulose-Flechte ist, wird untersucht, ob der Scoby CO2 aus der Luft filtern und auch kompensieren kann. Projekt-Mitglied Benold ist jedenfalls überzeugt, dass diese glibberige Masse in Zukunft noch für Aufsehen sorgen wird.

MDR (Gianluca Siska)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 07. Februar 2023 | 13:40 Uhr

11 Kommentare

Denkschnecke am 08.02.2023

Na, nun. Kaum macht sich mal ein innovatives, hochtechnologisches, selbst forschendes Unternehmen international einen Namen und entsprechende Profite, wird sich im eigenen Land darüber mokiert - nur weil seine Firmenadresse "An der Goldgrube" liegt. Dann darf man sich nicht beschweren, dass es hierzulande mit der wirtschaftlichen Umsetzung von Forschungsergebnissen so schleppend geht.

hilflos am 08.02.2023

Ja Daniel, nur so kann sich Deutschland wieder neu erfinden und seinen Platz in der Welt sichern. Andersherum, da es mit Hochtechnologie, wirtschaftlicher Umsetzung von Forschungsergebnissen usw nicht mehr zu klappen scheint, dann wenigstens mit einem innovativen Platz in der 3. Welt.

Denkschnecke am 07.02.2023

Ich sitze schon. Nur zu Ihrer Information:
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Art. 5 (Grundrechte): "(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei."
"Deren Schutz umfasst insbesondere die Unabhängigkeit des Forschers, die freie Wahl von Forschungsgegenstand und Methodik (sic!) sowie den Umgang mit den gewonnenen Erkenntnissen." (Sachs: Verfassungsrecht II – Grundrechte 2017,., zit. nach Wikipedia: Art. 5 GG)
Was Sie als Steuerzahler von meiner Arbeit (40 Std./Woche + x unbezahlte, nebenbei) bezahlen müssen, entscheiden letztllich die Mittelgeber, also das Bundesforschungsministerium und die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Wenn die Afrikanische Literatur und Recycling von Teebeuteln für förderwürdig erachten, können Sie das gerne doof finden, aber es hat trotzdem einen Rechtsanspruch auf Förderung.

Mehr aus Magdeburg, Börde, Salzland und Harz

Mehr aus Sachsen-Anhalt

Ein braun-weiß gefiederter Fischadler fliegt über eine Wasseroberfläche. In seinen Krallen hält er einen Fisch
An der Goitzsche haben die Fischadler ein großes Nahrungsangebot - ab und an landen aber auch Goldfische und Kois als Mahlzeit im Nest. Bildrechte: BUND Goitzsche-Wildnis