Der Albinmüller-Turm im Rotehornpark in Magdeburg bei Sonnenuntergang. 4 min
Mit einem mehrmonatigen Festival der Moderne will Magdeburg an seine Goldenen Zwanziger aknüpfen. Reporter Uli Wittstock hat das erste Planungstreffen verfolgt. Bildrechte: imago images/Norbert Neetz
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Magdeburg plant aus Anlass der 100-jährigen Jubiläen der Errichtung von Stadthalle, Albinmüllerturm und Pferdetor sowie der Theater-Ausstellung 1927 ein mehrmonatiges Kunst- und Kultur-Festival.

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Festival der Moderne Wie Magdeburg an seine Goldenen Zwanziger anknüpfen will

26. Februar 2025, 10:32 Uhr

Die goldenen 20er-Jahre waren in Magdeburg bunt. Farbe und Licht sollten das Grau der Arbeitersiedlungen aufhellen, modernes Bauen und modernes Leben waren ein politisches Ziel. Höhepunkt war die Deutsche Theaterausstellung 1927. An diesen Zeitgeist will die Stadt nun anknüpfen mit einem mehrmonatigen "Festival der Moderne" im Jahr 2027. Dabei wird auf breite Bürgerbeteiligung gesetzt. Am Dienstag war das erste Planungstreffen.

Rund 120 Interessierte waren am Dienstag in das Magdeburger Gesellschaftshaus gekommen, um sich zu informieren, wie das Jubiläum des Theatertreffens von 1927 gefeiert werden soll. Im Behördendeutsch der Einladung war von einem "gesamtstädtischen Kulturereignis" die Rede. Es beginne ein breit angelegtes Beteiligungsverfahren.

Publikum, auf Stühlen sitzend, in einem Saal.
Im Magdeburger Gesellschaftshaus versammelten sich Bürger und Vertreter verschiedener Institutionen, um sich über das geplante "Festival der Moderne" auszutauschen. Bildrechte: Uli Wittstock

"Festival der Moderne" für 2027 geplant

Das klingt eher nach dem Bau einer neuen Umgehungsstraße als nach einer Festivalplanung. Das "Festival der Moderne", hieß es dann aber weiter, solle ein "attraktives und spartenübergreifendes Programm für lokale, regionale und überregionale Gäste bieten." Norbert Pohlmann, Chef des Magdeburger Forum Gestaltung, kämpft seit Jahrzehnten dafür, dass die Stadt sich auf ihre historische Moderne besinnt.

Das war eine Ausstellung, die die Blütezeit der Entwicklung in den 20er-Jahren in Magdeburg zeigte, als eine Ausstellungs- und Reklamestadt der Moderne.

Norbert Pohlmann Forum Gestaltung

 Norbert Pohlmann, Geschäftsführer des Forum Gestaltung e.V., grauhaarig mit Vollbart und in einem legeren Sacko, steht bei einer Veranstaltung vor einer Leinwand, auf die ein Logo projeziert wird.
Norbert Pohlmann, Geschäftsführer des Forum Gestaltung e.V. Bildrechte: MDR/Leonard Schubert

Die Theaterausstellung habe die Blütezeit der Entwicklung in den 20er-Jahren in Magdeburg gezeigt, als eine Ausstellungs- und Reklamestadt der Moderne, so Pohlmann, damals, "als man Luft reinließ, als Ideen reingekommen sind, auch von außen." Um die Ideen umzusetzen, haben damals Verwaltung, Politik und Kultur zusammengearbietet. Sich auf diese Potenziale zu besinnen, sei eine wichtige Idee.

Magdeburg sucht seine Identität

Zu DDR-Zeiten trug Magdeburg den Untertitel "Stadt des Schwermaschinenbaus" und war Heimat der Arbeiterfestspiele. Beide Traditionen endeten mit dem Niedergang der DDR. Nach der Wende entdeckte man das mittelalterliche Erbe als Stadt von Otto I. Jetzt also blickt man auf die 20er-Jahre zurück.

Arbeiterin poliert ein Maschinenteil im VEB -Schwermaschinenbau Karl Liebknecht in Magdeburg.
Eine Arbeiterin im VEB-Schwermaschinenbau Karl Liebknecht (SKL). Zu DDR-Zeiten stellte Magdburg sein industrielles Image nach vorne. Bildrechte: IMAGO / PEMAX

Keine deutsche Großstadt habe in jener Zeit so konsequent auf die Moderne gesetzt wie Magdeburg, erklärt Michael Stöneberg. Er hat lange Zeit zu diesem Thema geforscht und koordiniert nun als Mitarbeiter des städtischen Kulturamtes das Projekt. Die Stadt habe damals ganz bewusst neue Ideen aufgesogen, nicht nur beim Wohnungsbau, sondern auch in der Schulbildung, bei der Wasserversorgung oder bei der medizinischen Versorgung. Kurz: Die Moderne war kein Eliteprojekt.

Was bedeutet heute Moderne?

Für Stöneberg geht es auch darum, die Idee der Moderne in die Breite zu tragen: "Was bedeutet modern?" Die Antworten auf diese Frage dürften nach seiner Einschätzung ganz unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob sie ein Theaterregisseur, ein Dramatiker oder ein Stadtplaner komme, "ob sich das ein Sportverein fragt oder aber einfach jemand, der in Orten der Moderne wohnt."

Unser Wunsch ist, dass die Stadtgesellschaft sich insgesamt in Bewegung setzt.

Michael Stöneberg Projektkoordinator "Festival der Moderne"

Michael Stöneberg trägt ein weißes Hemd, darüber eine Veste. Mit dem Mikro in der Hand hält er einen Vortrag.
Der Kunsthistoriker Michael Stöneberg bei seinem Vortrag zum "Festival der Moderne". Bildrechte: Uli Wittstock

Schon dieses erste Planungstreffen zeigte, dass neben den üblichen Akteuren von Museen, Theatern oder Kulturzentren auch andere interessiert sind – Künstler aus dem Streetart-Bereich zum Beispiel, Breakdancer, Vertreter des Straßenbahnvereins oder eines kleinen Friseurmuseums. Genau diese Bandbreite sei ein wichtiges Ziel des Festivals, sagt Michael Stöneberg: "Das wird darauf hinauslaufen, dass wir ein Programm haben, das total unterschiedliche Zielgruppen hat."

Die Spitze des Albinmüller-Turms von 2017 ragt in den Himmel.
Der Albinmüller-Turm zählt zu den Wahrzeichen der Stadt Magdeburg und wurde 1927 eingeweiht. Bildrechte: picture alliance / Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/ZB | Klaus-Dietmar Gabbert

Das Programm richte sich zum Teil an die Nachbarschaft, solle aber auch deutschlandweit Kulturinteressierte erreichen und nach Magdeburg locken. Zu diesem Zweck sei auch ein Festival für experimentelles Musiktheater geplant.

Seinerzeit hinterließ die Theaterausstellung in Magdeburg einen bleibenden Eindruck in der Stadt, vor allem wegen des Festivalgeländes. Damals wurden in kurzer Bauzeit die Stadthalle, der Albinmüller-Turm und das Pferdetor fertiggestellt. Zum 100. Jubiläum soll das Gebäudeensemble saniert sein, inklusive einer Neugestaltung des Umfelds.

Das Pferdetor in Magdeburg besteht aus sechst Backstein-Säulen, auf denen Pferde stehen und fünf Rundbögen, es ist umgeben von Parklandschaft.
Neben dem Albinmüller-Turm und der Stadthalle wurde auch das Pferdetor zur Theaterausstellung 1927 eingeweiht. Bildrechte: IMAGO/Panthermedia

Stadtgesellschaft integrieren

Das neue Gelände mit Leben zu erfüllen, setzt die Stadtgesellschaft allerdings unter Zugzwang. Das räumt auch Michael Stöneberg ein: "Unser Wunsch ist, dass die Stadtgesellschaft sich insgesamt in Bewegung setzt." Genau dieses Ziel habe man bereits mit der Magdeburger Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas verfolgt.

Inhaltlich scheint also für jeden etwas dabei zu sein, was sich auch in den vier Arbeitsgruppen zeigt. Neben "Kunst und Kultur" sind das "Information und Bildung", "Feiern und Genießen" sowie "Mitmachen und Beteiligung". Der Stadtrat hat seine Unterstützung für das neue Vorhaben bereits signalisiert. Trotz klammer Kassen wird eine Zustimmung für das Festival erwartet.

Planung trotz unklarer Finanzlage

Volker Kiehn von der Magdeburger HO-Galerie hat allerdings zum Abschluss mehr Fragen als Ideen: "Man muss ja dazu sagen, dass es 1927 hier sehr modern zugegangen ist. Das vermisse ich im Moment hier, auch bei dieser Veranstaltung." Es werden gerade Ideen gesucht, was man jetzt machen könne, führt er seine Überlegung weiter aus. Budgets gebe es aber offenbar noch keine. Die würden dann erst nachher auf Grundlage der entwickelten Ideen zusammengesucht. "Schauen wir mal, was passiert."

Das Moderne vermisse ich im Moment hier, auch bei dieser Veranstaltung.

Volker Kiehn HO-Galerie

Bis zum Sommer sollen die Konzepte vorliegen, um dann Fördermittel einzuwerben. Angesichts der allgemeinen Haushaltslage dürfte auch das einiges an Kunstfertigkeit erfordern. Und es gibt ein weiteres Thema, das bei dem Treffen eher im Hintergrund eine Rolle spielte.

Der Landtag von Sachsen-Anhalt unter einem bedeckten, drückenden Himmel.
Eine Unbekannte bei den Planungen ist die Zusammensetzung im Magdeburger Landtag nach den nächsten Wahlen 2026. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Ronny Hartmann

Im nächsten Jahr wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. Vor wenigen Monaten erst sprach Sachsen-Anhalts AfD im Magdeburger Landtag mit Blick auf das Dessauer Bauhaus von einem Irrweg der Moderne. Auf einem Irrweg fühlte sich gestern bei dem Treffen in Magdeburg niemand. Welche Debatten bis zum Festivalstart 2027 geführt werden müssen, ist jedoch unklar.

Redaktionelle Bearbeitung: lm, bh

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 26. Februar 2025 | 08:40 Uhr

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