Verkehrswende und Mobilität Warum in Städten wie Magdeburg immer mehr Lastenräder zu sehen sind

09. Oktober 2021, 12:10 Uhr

In Magdeburg setzen immer mehr Betriebe und Familien auf Lastenfahrräder. Ein Trend, den auch Fahrradclubs bestätigen. Sie fordern einen weiteren Ausbau der Infrastruktur. Sonst könnten Lastenfahrräder keine wichtige Kraft in der Verkehrswende werden.

Leonard Schubert
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Norman Dreimann vom ADFC Magdeburg hat vor einiger Zeit sein Auto gegen ein Lastenrad getauscht. Das sei ihm zunächst schwer gefallen, gibt er zu. Er habe sich Sorgen gemacht: "Was, wenn das Kind krank wird und zum Arzt muss? Was, wenn ich das Auto doch brauche?" Warum aber hat er sich, wie so viele andere, am Ende doch für ein Fahrrad entschieden, das gut und gerne 5.000 Euro kosten kann? Ein Argument, das für ihn klar für das Lastenrad sprach, waren die Kosten. Während man bei Autos viel für den Unterhalt bezahlt, für Reparaturen, Benzin, Parkplätze, TÜV, Steuern und mehr, beschränken sich die laufenden Kosten des Lastenrades im Regelfall auf eine Fahrradpumpe und ab und zu neue Bremsbeläge.

Das Audio zum Anhören:

So wie Norman Dreimann geht es anscheinend vielen Menschen in Deutschland. Eine bundesweite Studie des Markt- und Sozialforschungsinstitus Sinus fand heraus, dass die Transportfahrräder in der "Unter- und unteren Mittelschicht" besonders gefragt sind und widerlegt damit das Image des "Yuppie-Fahrrads". Auch bei Magdeburger Gewerbetreibenden sind die Räder längst angekommen. So kann man etwa regelmäßig Hausmeister der Wobau und bisweilen auch Fliesenleger und Maler auf ihren Lastenrädern durch die Stadt radeln sehen. Die Bahnhofsmission Magdeburg und der Verein "Arbeit und Leben" nutzen die Räder ebenfalls zum Transport von Kleiderspenden, Flyern und Bürounterlagen. Und auch immer mehr Familien nutzen die Räder, zum Beispiel zum Einkaufen oder um Kinder in die Schule oder die Kita zu bringen.

Gerade in großen Städten auf der sogenannten "letzten Meile" ist man mit dem Lastenrad meistens genau so schnell unterwegs wie mit dem Auto, weil man etwa Staus umfahren, die Parkplatzsuche sparen oder sogar näher an den gewünschten Zielort heranfahren kann. Für viele lohnt sich die Anschaffung deshalb. Besonders, wenn die Anschaffung der Räder durch Förderprogramme unterstützt wird. Entsprechende Fördertöpfe von Kommunen und Ländern sind in der Regel innerhalb kürzester Zeit erschöpft.

"Für die Kinder jedes Mal wie Rummel"

Norman Dreimann sagt, er habe seine Entscheidung umzusteigen nicht bereut. Für die Fälle, in denen er doch ein Auto braucht, ist er inzwischen auf Car-Sharing umgestiegen. So habe er immer das passende Fahrzeug und erheblich weniger Mobilitätskosten, erzählt er. "Der größte Gewinn ist für mich, dass ich mich nicht mehr ums Auto kümmern muss. Und natürlich der Spaß! Das ist auch für die Kinder super!"

Er erzählt, auf dem Lastenrad seien die Kinder viel dichter am Alltagsgeschehen dran, man kommuniziere mehr miteinander und mit den Mitmenschen. "Mein Eindruck ist: Lastenradfahren ist für die Kinder jedes Mal ein bisschen wie Rummel", meint er.

Lastenräder: Keine Lösung für jeden, aber ein Vorteil für die Gemeinschaft

Natürlich kann man nicht einfach jedes Auto und jeden LKW durch ein Lastenrad ersetzen. Einen Supermarkt beliefert man eher nicht mit dem Lastenrad und im Regelfall ist man froh, wenn die Feuerwehr mit ihrem großen Löschfahrzeug und nicht mit einem Lastenrad anrückt, wenn es einmal brennt. Trotzdem belegen zahlreiche Studien, dass Lastenräder nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende und zum Erreichen der Klimaziele leisten, sondern auch den Geldbeutel der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler erheblich entlasten können.

Stau auf der B14 Richtung Stadtmitte Stuttgart Baden-Wuerttemberg Deutschland
Versteckte Kosten durch den Autoverkehr entstehen etwa durch Stau in Städten (Symbolbild). Hier könnte Radverkehr für Entlastung sorgen. Bildrechte: imago images/Lichtgut

Der deutsche Verkehrsforscher Stefan Gössling schätzt etwa, dass jedes Auto in Deutschland im Schnitt mit 4.000 Euro subventioniert wird, wenn man versteckte Kosten einberechnet, die etwa durch Staus, Unfälle und Umweltverschmutzung entstehen. Investitionen in die Radinfrastruktur bringen der Bevölkerung hingegen sogar eine Rendite – etwa, weil Krankenkassen und Straßen entlastet werden.

Eigentlich sind diese Fakten längst erforscht. Daten aus Fahrradstädten wie Kopenhagen, wo im Schnitt jeder vierte Haushalt ein Lastenrad besitzt, sprechen Bände. Die Uni Magdeburg entwickelt spannende Projekte zur Zukunft des Lastenrades. Trotzdem mangelt es in Deutschland vielerorts an der passenden Infrastruktur: Fehlende Abstellmöglichkeiten und Ladestationen, unzureichende Radwege, unsichere Verkehrsführungen und andere Hindernisse bremsen den Vormarsch des Lastenrads.

Fehlende Infrastruktur bremst die Lastenräder

Auch Norman Dreimann glaubt, dass noch mehr Menschen aufs Lastenrad umsteigen würden, wenn die Infrastruktur besser wäre. Deshalb setzt er sich mit dem "Radentscheid" für einen besseren Radverkehr in der Stadt ein. "Wenn die Leute keine Angst haben, aufs Rad zu steigen, wenn Vertrauen ins Angebot da ist, dann fällt das Umsteigen deutlich leichter." Gerade in Städten gehe es dabei oft auch um fehlende Abstellmöglichkeiten, denn Lastenräder kann man nicht einfach in den Keller tragen. "Eine Idee wäre es, Parkplätze in Abstellboxen umzuwandeln, die man dann mieten kann", meint Dreimann.

Ähnlich sieht es Florian Sosnowksi von der Bahnhofsmission. "Ich fahre sehr gerne Lastenrad, aber die Radinfrastruktur lässt überall sehr zu wünschen übrig", meint er. Es sei zwar ein bisschen was in der Stadt passiert für den Radverkehr, aber vieles davon sei nicht befriedigend. Trotzdem sei die Arbeit entspannter und schneller mit dem Rad, vor allem bei Strecken unter fünf Kilometern.

Kostenloser Lastenradverleih in Magdeburg

Um Menschen die Möglichkeit zu geben, ein Lastenrad einfach auszuprobieren, hat Dreimann mit dem ADFC Magdeburg ein Programm organisiert, bei dem Interessierte bis zu drei Tage lang kostenlos Lastenräder ausleihen können. Dazu müssen sie sich auf einer Internetseite anmelden und einen freien Termin wählen. Dann bekommen die Interessenten eine fachkundige Einführung. "Immer wieder sind Menschen skeptisch, ob sie die Räder fahren können. Und wenn es dann losgeht, dann stellt sich nach den ersten Metern meistens ein breites Grinsen ein", meint Dreimann. Er glaubt, das sei ein wichtiger Schritt, um die Verkehrswende nach und nach anzugehen.

MDR/Leonard Schubert

23 Kommentare

ule am 11.10.2021

Das Problem besteht darin, dass die Dinger scheinbar nur über "einen Rückwärtsgang" verfügen und somit den Deindustriealisierungs- und Endkapitalisierungsprozeß in der Heimat symbolisieren.

Man stelle sich vor, in den Ruinen der VW-Werke bei Wolfsburg oder den ehemaligen Opelwerken in Eisenach, werden nur noch Lastenfahrräder mit Teilen aus China montiert . . . Man verstehe bitte auch dabei, dass nicht alle Menschen Influencer oder Sozialarbeiter werden können, dass es auch Menschen geben muß in der Zukunft, die einer Arbeit und weniger nur einer Beschäftigung nachgehen wollen.

hansfriederleistner am 11.10.2021

So neu sind die Lastenräder ja auch nicht. Vor 70 Jahren gab es sie schon als Transporträder. Da war über dem Vorderrad ein Gestell montiert sogar mit ausklappbaren Ständern. Allerdings wurden die noch nicht subventioniert.

AlexLeipzig am 10.10.2021

Ule, ich fürchte, der Spaß von früher ist Ihnen heute abhanden gekommen. Probieren Sie so ein Lastenrad doch mal aus, vielleicht können Sie dann wieder etwas Spaß wieder entdecken :-)

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