Die Elbe in Magdeburg mit Blick auf den Strombrückenzug und den Dom
Die Magdeburger Innenstadt samt Elbe und Dom von oben. Bildrechte: MDR/Hanns-Georg Unger

Zeitgemäßes Bauen Warum Grünflächen in Innenstädten Leben retten können

25. Mai 2022, 06:39 Uhr

In der Magdeburger Innenstadt wird immer wieder massiv gebaut. Urbanistikforscher Frank Eckardt hält das für problematisch. Er meint, um Innenstädte attraktiv zu machen, bräuchte es eher eine Umgestaltung und Umnutzung von Flächen, als teure Wohnhäuser. Auf Grund des Klimawandels rät er dringend dazu, Grünflächen zu erhalten und den Katastrophenschutz auszuweiten.

In Magdeburg sorgen Bauvorhaben immer wieder für Gesprächsstoff. Im vergangenen Jahr hatte der Stadtrat etwa grünes Licht für die Bebauung des Prämonstratenserberges hinter dem Alleecenter gegeben. Geplante neue Wohnhäuser auf dem Gelände des Trümmerhügels zwischen Hub- und Sternbrücke haben sorgten ebenfalls für Diskussionen. Neben Zustimmung gibt es aus der Bevölkerung auch Kritik und Protestaktionen von Anwohnern und Klimaschützern. Doch wie beurteilen Experten die Lage?

Frank Eckardt ist Professor für sozialwissenschaftliche Stadtforschung an der Universität Weimar. Er beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Aspekten von Stadtentwicklung, Stadtplanung und Architektur. MDR SACHSEN–ANHALT hat im vergangenen September mit ihm über die Stadtentwicklung in Magdeburg gesprochen.

Frank Eckardt, ein Mann Mitte 50 mit weißem Hemd, schaut in die Kamera. Er ist Stadtforscher, derzeit an der Uni Weimar.
Bildrechte: Frank Eckardt

MDR SACHSEN-ANHALT: In Magdeburg sollen Grün- und Freiflächen in Innenstadtnähe mit neuen Wohnhäusern und Flächen für Gastronomie und Geschäfte bebaut werden. Wie bewerten Sie die Pläne aus städtebaulicher Sicht?

Prof. Frank Eckardt: Ich bewerte die Situation in Magdeburg als problematisch, weil gerade in Bezug auf die Entwicklung der Innenstädte hinsichtlich des Klimawandels eigentlich mehr Grünflächen nötig wären und nicht weniger.

Wir erwarten, dass in den nächsten Jahren die Zahl der Tage, an denen es überdurchschnittlich heiß wird, steigen wird. Deshalb ist zu erwarten, dass viele Menschen dann die grüne Lunge in der Innenstadt benötigen, um Frischluft zu bekommen, um sich abkühlen zu können, insbesondere in der Nacht. Wenn solche Flächen fehlen, bedeutet das letztendlich, dass mehr Menschen an Hitze sterben werden.

Um es ganz konkret zu machen: Wenn beispielsweise wie in Kanada 50 Grad über mehrere Wochen anhält, benötigen sie Sauerstoffzelte irgendwo in der Innenstadt, die müssen irgendwo stehen und solche Flächen müssen sie bereithalten. Frankreich hatte 2003 eine Hitzewelle mit 12.000 Toten, die haben daraus gelernt. Die deutschen Städte scheinen eher darauf zu hoffen, dass es nicht stattfindet und erst wenn dann quasi der Schaden eingetreten ist, dann wird man wahrscheinlich aktiv werden wollen. Aber ich würde hier jedem Stadtrat empfehlen diesen Katastrophenfall mal für sich durchzuspielen.

Auch Hochwasser sind als Gefahr nicht zu vernachlässigen. Wir sehen ja gerade im Westen der Republik, dass aus sehr kleinen Bächen enorme Fließgewässer entstehen können, also aus 30 Zentimeter kleinen Rinnsalen werden acht Meter große Wellen. Die Wassergefahr kommt nicht mehr von der Elbe in erster Linie, sondern tatsächlich von Starkregen, der nicht abfließen kann. Wenn man keine Grünflächen hat und noch mehr versiegelt und zementiert, dann ist die Gefahr umso größer.

Sie forschen auch zu sozialen Aspekten der Stadtplanung und Stadttransformation. Welche Rolle nehmen denn Grünflächen da ein? Können Sie der Stadt Magdeburg nützen?

Es gibt Studien, die sehr deutlich zeigen, dass Menschen, die in der Nähe von Grünflächen leben weniger anfällig werden für psychische Erkrankungen, als Menschen, die keinen Zugang zu Parks oder Grünflächen haben.

Der Bau hochwertiger Immobilien führt außerdem dazu, dass die Immobilienpreise und damit auch die Mietpreise insgesamt in der Innenstadt steigen werden. Das heißt, dass die soziale Mischung in der Innenstadt abnehmen wird. Das ist aus meiner Sicht schon ein erheblicher Nachteil.

Wichtig erscheint mir, dass Angebote gemacht werden für unterschiedliche Gruppen in der Stadt, um diesen Raum zu beleben. Damit schafft man auch mehr Sicherheit in der Innenstadt.

Gerade die Innenstadt Magdeburgs ist ja noch vom Krieg gezeichnet, oft vermissen Menschen eine „richtige“ Innenstadt. Glauben Sie, dass neue Wohngebäude in der Innenstadt dafür sorgen können, eine Innenstadt wieder attraktiv zu machen?

Wenn man die Innenstadt von Magdeburg attraktiv machen will für die eigene Bevölkerung, dann fallen mir eigentlich eher Dinge ein, die nicht mit baulichen Maßnahmen zu tun haben.

Wichtiger wäre ein Management der Innenräume, das ermöglicht, dass sich Menschen dort aufhalten und dort vielleicht ab und zu Spiele machen oder Menschen treffen können. Zum Beispiel Räume für Yoga, Schach oder Tischtennis, regionale Märkte ab und zu, Flächen zum Entspannen.

Das macht Innenstädte, für die eigene Bevölkerung sehr attraktiv. Angebote, die im Grunde nicht kommerziell sind. Auch das muss man organisieren. Das ist nicht etwas, was von selber kommt.

Heißt das, Sie würden empfehlen, am besten gar nicht zu bauen, sondern die Grünflächen einfach durch Organisation anders zu nutzen? Oder worauf sollte geachtet werden?

Ich empfehle, die Grünflächen intensiv zu nutzen und natürlich auch zu schauen, wie sie jetzt für den Klimawandel weiter anzupassen sind. Grünfläche alleine hat nicht automatisch den Effekt, zu kühlen, oder zu belüften. Das erfordert schon auch sehr viel Investitionen und auch Nachdenken, wie man das attraktiv machen kann.

Ich glaube man muss dafür Sorge tragen, dass im Katastrophenfall, und Starkregen und Hitzewellen sind Katastrophenfälle, ausreichend Material und Fläche vorhanden sind, um darauf zu reagieren.

Prof. Dr. Frank Eckardt, Urbanistikforscher

Ich sehe leider keine Stadt in Deutschland, die sich ernsthaft darauf vorbereitet.

Haben Sie eine Vermutung, woran das liegt, dass aus Ihrer Sicht die ökologische Seite, die Katastrophenschutzseite, nicht so stark einbezogen wird in diese Überlegungen?

Es ist immer noch sehr abstrakt für uns. Auch diese Geschwindigkeit, mit der der Klimawandel hierherkommt und seinen Schaden hier anrichtet, den haben viele noch nicht verstanden.

Ich glaube diese zeitliche Dimension möchten wir uns aus psychologischen Gründen nicht so vergegenwärtigen, wir sind mental nicht drauf vorbereitet, infrastrukturell schon gar nicht. Da sind die Politiker jetzt keine Ausnahme. Das betrifft uns alle.

Die Fragen stellte Leonard Schubert.

MDR/Leonard Schubert

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 24. Mai 2022 | 07:30 Uhr

2 Kommentare

Basil Disco am 25.05.2022

Das ist alles richtig und schon soo lange bekannt. Hilft aber nicht in einer Stadt, in der die Grundstücksspekulanten den Städtebau diktieren.

jackblack am 24.05.2022

Kompetente und plausible Begründung- aber leider regiert GELD die Welt

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