Miet-Fahrzeuge Wie es mit den E-Scootern in Magdeburg weitergeht
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25. Februar 2023, 10:40 Uhr
Bislang wurden Miet-E-Scooter in Magdeburg nur geduldet. Nun stellt die Stadt den zwei Anbietern eine befristete Sondernutzungserlaubnis in Aussicht – und will Anzahl sowie Parkflächen regeln. Laut einer Befragung ist die Mehrheit der Magdeburger für die Miet-E-Scooter in der Landeshauptstadt. Immer wieder wird aber auch Kritik laut.
- Magdeburg und E-Scooter, das ist bislang eine komplizierte Beziehung.
- Nun will die Stadt klare Regeln für die Anbieter von E-Scootern aufstellen.
- Worauf Unfallgeschädigte bei Beteiligung von E-Scootern achten sollten.
Plötzlich ging alles ganz schnell. Erst hatte Klaus* nach links geschaut, dann nach rechts, erzählt der Autofahrer. Niemand sei zu sehen gewesen. Also fuhr er über den Fußgängerüberweg. Doch dann ein Knall. Die Kollision.
Sein Fahrzeug hatte einen gemieteten E-Scooter erwischt. Die Frau darauf blieb körperlich nahezu unversehrt. Allerdings entstand Sachschaden am Roller in unbekannter Höhe und am Auto, und zwar in Höhe von ingesamt fast 10.000 Euro.
"Sie ist mit voller Geschwindigkeit in mich reingefahren, obwohl sie auf einem Zebrastreifen eigentlich hätte absteigen müssen", sagt Klaus*, der seinen echten Namen aufgrund des noch laufenden Verfahrens nicht in der Öffentlichkeit preisgeben will. Doch der Magdeburger erklärt: "Trotzdem bleibe ich vielleicht auf den Kosten sitzen, weil es keine Zeugen gibt und ich das alles beweisen muss."
Seit diesem Unfall im vergangenen Jahr, sagt er, "blicke ich mit anderen Augen auf die Dinger. Ich habe nichts gegen E-Scooter, aber wenn sie so gefahren werden und es keine konkreten Regeln gibt, führt das zu Problemen."
Sein Fazit: "Ich habe das Gefühl, dass das Problem mit den E-Scootern in unserer Stadt stark unterschätzt und die sich daraus ergebenen Probleme zurzeit noch unter den Tisch gekehrt werden!"
E-Scooter in Magdeburg bislang nur geduldet
Magdeburg und die E-Scooter, das ist seit August vergangenen Jahres eine strittige Verbindung. Beziehungsstatus bislang: Es ist kompliziert. Über Nacht wurden die elektrischen Roller damals von einem Anbieter einfach aufgestellt. Mittlerweile gibt es zwei Anbieter in der Landeshauptstadt.
Diese agieren jedoch ohne "Sondernutzungserlaubnis", die es laut Stadt für die Nutzung des öffentlichen Raumes braucht. Für diese Erlaubnis hätte je nach Umfang eine Gebühr bezahlt werden müssen. Diese Einnahmen sind der Stadt in den vergangenen Monaten also entgangen.
Zwischenzeitlich drohte die Stadt sogar damit, die E-Scooter aus dem Stadtgebiet zu entfernen. Doch dazu kam es nicht. Stattdessen wurden die Roller "geduldet".
Bei den Anbietern wird in Kürze eine befristete Sondernutzungserlaubnis mit straßenrechtlichen Auflagen ausgestellt.
Mittlerweile stehen sie fast überall in Magdeburg – oft wild abgestellt, was von Anwohnerinnen und Anwohnern auch im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT oft beklagt wird.
Eine Mehrheit der Magdeburger sprach sich einer Umfrage zufolge im November vergangenen Jahres allerdings für die Miet-E-Scooter in der Landeshauptstadt aus. Bei einer Online-Umfrage hatten rund 65 Prozent der teilnehmenden Magdeburgerinnen und Magdeburger für entsprechende Angebote gestimmt, teilte die Stadtverwaltung damals mit.
Bald Sondernutzungserlaubnis für E-Scooter-Anbieter
Konkrete Regeln für die Mietfahrzeuge in Magdeburg gibt es bis heute allerdings nicht. Doch das soll sich bald ändern, erklärt Stadtsprecher Michael Reif auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT: "Die beiden E-Scooter-Anbieter haben jeweils einen Antrag auf Sondernutzung gestellt, weshalb es mit einem der Anbieter bereits ein Abstimmungsgespräch gegeben hat", so Reif. "Ein Gespräch mit dem anderen Anbieter erfolgt demnächst. Beiden Anbietern wird in Kürze eine befristete Sondernutzungserlaubnis mit straßenrechtlichen Auflagen ausgestellt."
Außerdem befinde sich eine entsprechende Beschlussvorlage für den Stadtrat in Vorbereitung. Über konkrete Inhalte gab der Stadtsprecher zwar keine Auskünfte, erklärte jedoch: "Das grundsätzliche Vorgehen gegen 'wild abgestellte' E-Roller wird über das geplante Konzept für das gesamte Stadtgebiet einheitlich geregelt werden. Dies betrifft auch die Kosten für die Entfernung von E-Scootern."
Derzeit werde das Ordnungsamt nur im Rahmen der Eilzuständigkeit im Einzelfall tätig, wenn sich ein E-Roller verkehrsgefährdend im öffentlichen Verkehrsraum befindet, erklärt Pressesprecher Michael Reif.
Sammelparkplätze in Planung
Nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT soll es künftig Sammelparkplätze geben, um zum einen das Abstellen zu ordnen und zum anderen die vorgebene Anzahl an zugelassenen E-Scootern zu limitieren. Außerdem ist offensichtlich eine enge Verzahnung mit dem Öffentlichen Personennahverkehr geplant.
Fest steht: Aus dem Stadtbild werden die E-Scooter in Magdeburg nicht mehr verschwinden. Die Landeshauptstadt habe sich mit dem Verkehrsentwicklungsplan 2030plus auch das Ziel gesetzt, die Verkehrsmittel des Umweltverbundes zu fördern und insbesondere die städtische Mobilität ohne Kfz zu verbessern, so Stadtsprecher Reif.
Und: "Im Masterplan '100 Prozent Klimaschutz' wird der Mobilität im Stadtgebiet eine besondere Rolle zugeschrieben." Dazu könnten auch privat betriebene Sharing-Systeme und damit auch E-Scooter einen Beitrag leisten.
E-Scooter-Anbieter setzt weiter auf Magdeburg
Bislang bieten zwei Anbieter ihre E-Scooter in Magdeburg zur Vermietung an: "YOIO" und "MOIN". Während "YOIO" eine Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT unbeantwortet lässt, erklärt ein "MOIN"-Vertreter: "Wir sind natürlich daran interessiert, in Magdeburg zu bleiben, und freuen uns auf die zukünftige Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung. Wir haben keine konkreten Anforderungen, sondern wollen uns vielmehr an die Wünsche der Stadt anpassen, um so ein bestmögliches Angebot schaffen zu können."
Seit dem Start im August vergangenen Jahres habe das Unternehmen in Magdeburg bislang knapp über 15.000 Fahrten mit den E-Scootern registiert. 100 Fahrzeuge stehen demnach in der Landeshauptstadt bereit. Und: "Es lässt sich sagen, dass die Roller in Magdeburg sehr gut angenommen werden", so der Unternehmenssprecher. "Aktuell haben wir saisontypisch einen Rückgang der Fahrten, dieser spiegelt sich aber in den anderen Städten wieder. Erfahrungsgemäß lässt sich erwarten, dass die Fahrten wieder mit höheren Temperaturen zunehmen."
Problem: Unfallgeschädigte in der Nachweispflicht
Bleibt die Frage nach dem rechtlichen Rahmen. Der ist im Grunde klar, sagt Daniel Hohmann. Der Fachanwalt für Verkehrsrecht aus Magdeburg erklärt: "Seit 2016 gibt es die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung. Dort wird alles geregelt, was die Nutzung von E-Scootern angeht." Also: Wer sie wo und wie fahren darf.
Und auch Versicherungsfragen seien grundsätzlich geklärt, so der Experte. Denn: "Jeder E-Scooter-Eigentümer, also auch die Mietfirmen, müssen für sie eine Haftpflichtversicherung haben und erhalten damit auch ein Versicherungskennzeichen."
Ein potenzielles Problem für Geschädigte gebe es im Fall eines Unfalls allerdings: "Wenn ich normalerweise ein Fahrzeug im Straßenverkehr nutze, habe ich eine sogenannte Betriebsgefahr. Beim E-Scooter ist das nicht der Fall", sagt Hohmann. "deshalb muss ich beispielsweise als Autofahrer ein Verschulden des E-Scooter-Fahrers nachweisen."
Sein Hinweis: "Entsprechende Verschuldensnachweise sind bei einem Unfall das A und O. Denn es ist tatsächlich so, dass sich viele E-Scooter-Vermieter darauf berufen, dass sie erstmal einen Nachweis brauchen, welcher Mieter den Roller zuletzt gefahren und damit den Unfall verursacht hat. Insofern sind unabhängige Zeugenaussagen mit Namen für den Beschädigten besonders wichtig. Und unbedingt auch immer die Polizei rufen. Sonst sagt der Vermieter, dass er ja nicht weiß, wer gefahren ist."
"Klare Linie für E-Scooter!"
Klaus* aus Magdeburg rief bei dem Unfall damals die Polizei. Trotzdem wird der Verschuldensnachweis schwierig. Der Ausgang des Verfahrens ist noch ungewiss.
Er sagt: "Das ist wirklich sehr, sehr schwierig." Außerdem seien die Versicherungsschilder grundsätzlich "ein Lacher, weil sie kein Mensch erkennt. Die sind viel zu klein für die Geschwindigkeit."
Sein Wunsch für die Zukunft: "Es braucht eine klare Linie für E-Scooter, nicht nur für die Mietgeräte, sondern generell!"
*Name von der Redaktion geändert. Der echte Name ist der Redaktion bekannt.
MDR (Daniel George)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 25. Februar 2023 | 09:00 Uhr
Shantuma am 26.02.2023
Leute nutzen diese Roller meist für den beschleunigten Transport ihrer Körper auf Kosten eines erhöhten Unfallrisikos.
Immerhin sind die Räder recht klein. Die Geschwindigkeit durchaus riskant und ein Helm oder ähnlicher Schutz selten bis nie vorhanden. Da agieren Fahrradfahrer meist vorbildlicher.
Der Hauptnutzungsgrund eines Roller ist es Wege zu zustellen. Doch dies ist die Meisterklasse der Nutzung.
der Harzgeist am 26.02.2023
Eigentlich gibt es ja Verkehrsregeln auch für diese Dinger, aber wenn mangels Rendite keine flächendeckenden Kontrollen erfolgen, macht jeder, was er will. Dazu zähle ich allerdings auch die berüchtigten Kampfradler auf Fußwegen und in der Fußgängerzone, mich hat auch genau dort schon einer umgefahren. Und warum die E-Scooter von der Stadt geduldet werden, da denke ich mir meinen Teil…
Alte Liebe MD am 26.02.2023
Warum hat die Stadt diese Dinger trotz fehlender Erlaubnis toleriert? Statt dessen hätte man sie doch einsammeln können. Im Südosten an einer Grünanlage lag so ein Roller tagelang auf einem viel genutzten aber schlecht beleuchtetem Weg einfach so rum. Am liebsten hätte ich da selber das Ding einfach in den Acker gekickt. Dort gehen unter anderem auch viele Rentner lang.
Die Anbieter müssen bei diesem Geschäft mehr in die Pflicht genommen werden, die machen ja den Gewinn.