Stadt gegen Kommunalaufsicht Reerdigung: Kommunalaufsicht bremst Aschersleben bei Plänen für Bestattungsform

20. Januar 2023, 17:00 Uhr

Eine neue Form der Bestattung – die Reerdigung – sorgt in Aschersleben für Streit zwischen der Stadt und dem Land. Während die Stadt ein ganzes Zentrum für Mitteldeutschland aufbauen will, pocht die Kommunalaufsicht auf das Bestattungsgesetz. Entscheiden muss jetzt die Landesregierung.

  • Die Stadt Aschersleben ist im Clinch mit der Kommunalaufsicht. Grund ist eine neue Form der Beerdigung – die Reerdigung.
  • Der Friedhofsleiter von Aschersleben hofft auf eine Reform des Bestattungsgesetzes in Sachsen-Anhalt, das Reerdigungen bisher verbietet.
  • Die Debatte darüber wird seit einem Jahr geführt, das Sozialministerium arbeitet an einem neuen Gesetzesentwurf.

In Sachsen-Anhalt gibt es Streit um eine neue Bestattungsart. Es geht um die sogenannte Reerdigung. Dabei wird der Körper gemeinsam mit Pflanzen in einer Art Sarkophag von Mikroorganismen zu Erde zersetzt.

Nur Erd- und Feuerbestattungen erlaubt

Die Stadt Aschersleben hat diese Bestattungsform in ihre Friedhofssatzung aufgenommen, die Kommunalaufsicht hat die Satzung aber beanstandet. In dem schriftlichen Bescheid heißt es zur Begründung, die Reerdigung sei noch nicht im Bestattungsgesetz erfasst. Momentan seien nur Erd- und Feuerbestattungen gesetzlich erlaubt.

Aschersleben hat gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt und will an dem Beschluss des Stadtrates festhalten. Oberbürgermeister Steffen Amme von der Wählerinitiative "Die Ascherslebener Bürger" (WIDAB) sagte MDR SACHSEN-ANHALT, das Vorhaben sei definitiv nicht vom Tisch. "Wir warten jetzt auf das positive Signal vom Land, so dass wir dann wirklich in die Umsetzung gehen können." Man müsse aber nochmal mit dem Land über eine Änderung des Bestattungsgesetzes ins Gespräch kommen.

Steffen Amme
Der Aschersleber OB Steffen Amme will die Reerdigung auf seinem Friedhof umsetzen. Bildrechte: MDR/Tom Gräbe

Schwieriger Weg zur Genehmigung

Das Gesetz brauche eine Reform. Der Friedhofsleiter von Aschersleben, André Könnecke, hofft, dass die Reerdigung künftig im Gesetz steht. Könnecke ist auch Geschäftsführer des Verbandes der Friedhofsverwalter Deutschlands e.V. "Der etwas schwierigere Weg ist, unser bestehendes Bestattungsgesetz jetzt so auszulegen, dass man sagt: Okay, die Reerdigung ist eine Erdbeisetzung und damit eben doch jetzt schon genehmigungsfähig." Vielleicht könne man sich dazu durchringen. "Aufgeben ist auf jeden Fall keine Option für uns."

Die Landesregierung sieht die Reerdigung bisher nicht mit dem Bestattungsgesetz vereinbar. Auf eine Anfrage der Fraktionschefin der Grünen im Landtag, Cornelia Lüddemann, heißt es: "Da im Ergebnis bei der sogenannten Reerdigung keine direkte Bestattung einer Leiche in einer Grabstätte in der Erde stattfindet, kann dieses Verfahren nicht als eine Erdbestattung gelten." Die Grünen hatten im vergangenen Jahr einen Gesetzentwurf vorgelegt, dessen Kern eine Lockerung der Sargpflicht ist.

Neuer Gesetzesentwurf wird im Landtag debattiert

Die Debatte um eine Neufassung des Bestattungsgesetzes läuft seit etwa einem Jahr. Das Sozialministerium arbeitet nach eigenen Angaben an einem Gesetzentwurf. Die Grünen hatten die Landesregierung zuletzt aufgefordert, über den aktuellen Stand zu informieren. Fraktionschefin Lüddemann: "Die Novellierung des Bestattungsgesetzes Sachsen-Anhalt ist seit vielen Jahren überfällig und politisch wiederholt vereinbart bzw. angekündigt worden."

Dem Sozialministerium zufolge soll der Gesetzentwurf voraussichtlich am 24. Januar im Kabinett behandelt werden. Mögliche alternative Bestattungsformen würden im Zuge der parlamentarischen Anhörung diskutiert.

Reerdigung-Zentrum in Aschersleben

Das Berliner Unternehmen "Circulum Vitae" will auf dem Friedhof Aschersleben unterdessen ein Zentrum für die Reerdigung errichten. "Wir wollen ein sogenanntes Alvarium bauen, so nennen wir das Gebäude, in dem die Beerdigungen stattfinden", sagte Gründer Pablo Metz MDR SACHSEN-ANHALT. "Wir betten den Körper in einem speziellen Sarg auf Strohblumen und die Mikroorganismen, die in der Natur vorhanden sind, tun das, was im Wald passiert, und verwandeln den Körper innerhalb von 40 Tagen zu Erde."

Metz zufolge ist in Aschersleben Platz für mehrere Stufen des Ausbaus, um dem Bedarf im gesamten mitteldeutschen Raum gerecht zu werden. Nach Angaben der Stadtverwaltung gibt es bereits eine positive Voranfrage für den Bau. In Schleswig-Holstein gibt es ein Pilotprojekt zur Erprobung der Reerdigung.

MDR (Laura Sinem Hönes, Tom Gräbe, Sebastian Gall)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 20. Januar 2023 | 06:30 Uhr

8 Kommentare

ElBuffo am 22.01.2023

In einer so dicht besiedelten Gegend wird es wohl nicht so ganz ohne Regeln gehen. Ich sehe schon die entsetzten Gesichter und Rufe nach gesetzlichen Vorgaben, wenn der Nachbar einfach mal ein paar Leute auf seinem Grundstück unter die Erde bringt. Ist ja seins, und da kann er machen, was er will. Oder der Bauer macht Werbung für die besondere Art der Humusbildung auf seinem Acker.
Es gibt wie gesagt bereits mehrere Formen und Orte, wo und wie man unter, auf die Erde oder auch ins Meer kommt. Der Weg über das Ausland steht grundsätzlich auch offen. In Bremen darf man grundsätzlich die Asche auf dem eigenen Grundstück verstreuen. Ich nehme an, dass hier das des Verstreuers gemeint ist. Also sicher eine Frage der Zeit, bis sich das auch hierzulande durchsetzt. Nicht wenige Bestatter sind ja auch an Krematorien beteiligt und wollen wenigstens diesen Teil des Geschäfts abfassen.

hilflos am 22.01.2023

Elbuffo es ist neben der Bestatterlobby auch die Erhebung der Bestattungsgebühren durch Stadt und Kirchspiel. Das ist kein unbeträchtlicher Kostenfaktor

DER Beobachter am 22.01.2023

Friedhofsgebühren für Körperbestattung o. Urnenstelle entfallen, billiger würde Bestattungsprozess als solcher ganz sicher nicht. Urne auf Kamin oder aus der Asche gepresste Diamantring wie anderswo erlaubt sind mir auch nicht pietätvoller, letzteres für Leute, die sichs leisten können. M.M. gestatten eigent. nur Friedhöfe mit bewussten Aufbruch zur Pflege/Erinnerung wirkliche Erinnerung an Verstorbenen. Hier im Dresdner Norden auf Heidefriedhof im Wald der Jungen Dresdner Heide gibts auch Wald- und Baumbestattung der Asche, aber habe dort fast nie jemanden gesehen, anders an den traditi. Gräbern/Urnenstätte. Meine Familie (Eltern, Bruder) ist auf kirchl. Friedhof nahebei bestattet (Erdgrab, was anderes kam für uns nie in Frage). Die Züge brausen oben vorbei, das Leben ist nahedran, trotzdem Ort der Ruhe, in Teilen verwunschen efeuüberwachsene alte Gräber. Wobei Menge der Gräber auch für Jüngere dort unübersehbar und deutlicher als früher gewachsen in genau den letzten zwei Jahren....

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