Krieg in der Ukraine Wie ein Hilfstransport aus dem Salzlandkreis Flüchtlinge versorgt
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Medizinische Güter, Zelte oder Feldbetten hatten sie auf dem Hinweg dabei. Auf dem Rückweg dann geflüchtete Familien aus der Ukraine. In einem 33-Stunden-Ritt sind Freiwillige von Hilfsdiensten aus dem Salzlandkreis in den Partnerkreis Jaroslaw in Ostpolen gefahren. Eine Chronologie des Hilfseinsatzes.

- Der ASB und andere Hilfsorganisationen im Salzlandkreis haben Hilfsgüter für Geflüchtete aus der Ukraine gesammelt.
- Mit mehreren Transportern haben sie diese nach Jaroslaw in Ostpolen gebracht.
- Auf dem Rückweg haben die Helfer Geflüchtete mit nach Aschersleben genommen.
Knapp 1.000 Kilometer hin: mit Hilfsgütern im Gepäck. Knapp 1.000 Kilometer wieder zurück: mit Geflüchteten in den Kleinbussen. 33 Stunden war ein Konvoi aus dem Salzlandkreis unterwegs, um den ostpolnischen Partnerlandkreis Jaroslaw zu unterstützen. Die Eindrücke dieser Reise müssen sich bei den Helfern erst einmal setzen. Die Chronologie einer Fahrt an den Rand der EU.
Mittwoch, 9:00 Uhr
Daniel Schweigert sitzt an seinem Computer in der Rettungswache des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in Aschersleben. Auf dem Monitor: die WhatsApp-Gruppe der Helfer. Hier hat er in den vergangenen Tagen vor allem Listen geteilt: Zelte, Feldbetten, Wärmedecken, Verbandsmaterial, Decken, Bettlaken, Schmerzmittel und viele andere Güter werden in einer Unterkunft für Geflüchtete im polnischen Landkreis Jaroslaw gebraucht. Der ASB wird heute Vormittag unter anderem Senioreneinrichtungen in Aschersleben anfahren, um Spenden einzusammeln.
Der Salzlandkreis hat offiziell eine Anfrage an die Hilfsorganisation gestellt, ob wir eine Möglichkeit haben, im Auftrag des Partnerlandkreises Jaroslaw, runterzufahren nach Polen. Dort wird ein Flüchtlingslager aufgebaut.
Mittwoch, 9:49 Uhr
Auch Fotos einer voll beladenen Rückbank stellt Daniel Schweigert in die Gruppe. Das ist die Verpflegung für die Helfer: vier Liter Getränke pro Person, Kekse, Müsliriegel, Sandwiches – gespendet von einem Supermarkt. Die Fahrt wird lang. Um die neun bis zehn Stunden pro Tour – laut Google Maps, Pausen nicht mitgerechnet. Verpflegung für volle zwei Tage planen sie ein. Die Fahrzeuge werden betankt.
Mittwoch, 16:00 Uhr
Bis unters Dach werden die Transporter und Anhänger auf dem Hof der Rettungswache beladen. Die Spendenbereitschaft ist groß, die Zahl der Helfer, die mit anpacken, auch. Lange werden die Fahrzeuge nicht so voll bepackt stehen bleiben: Die Abfahrt ist für den nächsten Morgen um 5 Uhr geplant. Kurz nach 21 Uhr postet einer der Helfer noch ein Bild von einer ganzen Reihe Kindersitze und Babyschalen in die Whats-App-Gruppe.
Donnerstag: 4:59 Uhr
Auch die Kindersitze verstauen sie hier. Auf dem Rückweg wollen sie Geflüchtete mitnehmen. Kurz nach 5 Uhr morgens setzt sich der Konvoi in Bewegung. In Bernburg treffen die Helfer auf weitere Fahrzeuge von anderen Hilfsdiensten. Unter anderem ist die DLRG und die Freiwillige Feuerwehr mit dabei. Wenig später sind die Helfer auf der Autobahn.
Donnerstag, 19:00 Uhr
Es ist schon wieder dunkel, als die ersten Fotos vom Zielort in der Whats-App-Gruppe erscheinen. Empfangen werden die Helfer unter anderem vom Landrat des Kreises Jaroslaw. "Wir haben die Sachen dann in einer Turnhalle dort ausgeladen", wird Daniel Schweigert am Ende der Reise sagen. Vor Ort herrsche ein großer Mangel an Gebrauchsmaterialien und medizinischem Equipment, also an den Dingen, die sie aus dem Salzlandkreis mitgebracht haben.
Donnerstag, 22:30 Uhr
Nach einem Abendessen mit den Gastgebern fahren die Helfer weiter Richtung Grenze, in eine Notunterkunft für etwa 500 Geflüchtete, in einem Einkaufszentrum. Von dort wollen sie 13 Personen mitnehmen. Mütter mit Kindern.
Die waren gut aufgestellt, da gab es eine Krankenstation, da gab es Versorgung. Aber es waren halt 500 Menschen in einem ehemaligen Einkaufszentrum untergebracht. Das bringt natürlich auch Probleme mit sich.
Die Leute hätten es warm gehabt. Und sie hatten einen Schlafplatz, sagt er. Philipp Peplau hat eine Begegnung mit ukrainischen Kindern tief beeindruckt.
In dem Auffanglager hätten die Mitfahrer des Hilfskonvois schon auf die Abfahrt gewartet. "Wir haben dort Corona-Schnelltests gemacht und dann gesagt: Sachen rein ins Auto", erzählt Daniel Schweigert.
Nur einen Beutel oder eine Tasche – viel Gepäck hatten die Geflüchteten nicht dabei. Für die Kinder haben die Helfer Handschuhe aufgepustet, um ihnen in der ersten Minute etwas zum Spielen in die Hand zu drücken. Plüschtiere lagen in den Autos bereit.
"Fünf Minuten später haben sie alle geschlafen und dann sind wir losgedüst", sagt Daniel Schweigert kurz nach der Ankunft in Aschersleben. Zwei, drei Fahrer pro Auto haben sie eingeplant.
Freitag, 13:59 Uhr
Drei Kleinbusse biegen in Aschersleben um die Ecke. Stoppelig sehen die Helfer aus, übernächtigt. Seit 33 Stunden stecken sie in den gleichen, roten Jacken mit den neongelben Streifen. Allein die Rückfahrt aus dem ostpolnischen Landkreis Jaroslaw hat 13 Stunden gedauert. Frauen und Kinder steigen aus. Philipp Peplau hat mit ihnen ein paar Brocken deutsch geübt, auf der Fahrt. Die Eindrücke müssen erst einmal sacken.
"Gott sei Dank sind wir alle ein bisschen Profis, also vom Rettungsdienst", sagt einer der Helfer. Schon im Auto hätten sie über ihre Reise gesprochen, um das alles zu verarbeiten: "Viele Gespräche im Auto laufen unter uns, dass man das so verarbeiten kann." Zurück in Aschersleben wollen die Helfer vor allem eine Dusche, ihre Familien umarmen und schlafen. Vorher werden aber noch die Fahrzeuge einsatzbereit gemacht. Dann steht für viele der Helfer auch wieder der normale Arbeitsalltag an. Zwei ukrainische Familien wurden hier untergebracht. Sie alle müssen erstmal ankommen.
Später schreibt der ASB auf Facebook, dass in dem Auffanglager bis zu 5.000 Menschen unterkommen könnten. Auf dem Rückweg hat der Konvoi noch eine junge Mutter mit ihrem Sohn aufgenommen. Beide waren seit mehr als fünf Tagen zu Fuß Richtung Deutschland unterwegs.
MDR (Tom Gräbe, Fabienne von der Eltz)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 12. März 2022 | 09:10 Uhr
SGDHarzer66 vor 10 Wochen
Man kann den Einsatzkräften des ASB nur vielfach danken! Das ist praktische Hilfe!
Warum hat Herr Bauer als Landrat des Kreises von dem die Anfrage ausging nicht auch den Mumm als offizieller Vertreter eine solche Hilfsaktion zu begleiten?
Vielleicht sollte die Einhaltung seiner sog. "Arbeitszeit" auch mal sekundär sein!