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Kinder lernen helfenNachterstedt: Warum die Feuerwehr donnerstags an die Schule kommt

11. November 2022, 15:32 Uhr

In der Stadt Seeland fahren Feuerwehr und Rettungsdienst jede Woche an der Sekundarschule vor. Und zwar für ein ziemlich ungewöhnliches Bildungsangebot: Seit diesem Schuljahr trifft sich an der Seelandschule einmal wöchentlich eine Ehrenamts-AG. Schüler der 8.-10. Klassen lernen ganz praktisch die Arbeit in der Freiwilligen Feuerwehr oder bei Hilfsdiensten kennen. Das Bildungsangebot soll den Schülern Lust aufs Ehrenamt machen.

  • Erste Hilfe, Funksprüche, Rettungseinsätze: Zu Beginn des Schuljahres sorgte der Anblick von Feuerwehren auf dem Schulgelände für Aufregung.
  • 1.000 Jugendliche konnten seit 2016 für Nachwuchsfeuerwehren in Sachsen-Anhalt gewonnen werden.
  • Die AG Ehrenamt ist eine lokale Initiative von Feuerwehr, Schulleitung und Rettungsdienst.

An einem Donnerstagmittag schließt Robert Käsebier die Garage der Freiwilligen Feuerwehr in Friedrichsaue auf, steigt in seine Feuerwehrkluft und in schwere Schuhe, lässt das Einsatzfahrzeug an und fährt los. Aber nicht zu einem Brandeinsatz, sondern zur Seelandschule nach Nachterstedt. "Da ist jetzt die AG Ehrenamt", sagt er.

Für die Kids steht Erste-Hilfe-Ausbildung auf dem Plan. Rettungssanitäter des Arbeiter-Samariter-Bundes werden auch kommen. "Die Schüler sind auf dem Weg, ihren Erste-Hilfe-Schein zu machen, den sie dann auch für den Führerschein verwenden können." Er selbst wird später auf dem Schulhof Funkgeräte auspacken. Die Schüler lernen heute, wie sich Feuerwehrleute im Einsatz verständigen können.

Ehrenamts-AG trifft sich jeden Donnerstag

Immer donnerstags trifft sich am frühen Nachmittag die Ehrenamts-AG. Ein Kurs für Schüler der 8. bis 10. Klassen, die Lust haben, in die Arbeit bei der Feuerwehr und beim Hilfsdienst hinein zu schnuppern. Die Einsatzfahrzeuge auf dem Schulhof haben beim ersten AG-Termin im neuen Schuljahr für Aufsehen gesorgt, sagt Schulleiter Tim Hase. "Dann hatten wir Anrufe von Eltern oder auch Anwohnern, die dachten, es brennt bei uns. Oder es ist etwas ganz Schlimmes passiert. Die konnten wir ganz schnell beruhigen."

Zum Beginn der Schul-AG teilt Robert Käsebier die Schüler in zwei Gruppen ein. Nebenan holt eine Rettungswagenbesatzung des Arbeiter-Samariter-Bundes eine Trage aus dem Rettungswagen, medizinisches Gerät wird aufgebaut. Die Schüler lernen, wie sich Wunden verbinden lassen. Und der Feuerwehrmann rollt eine Jalousie am Einsatzfahrzeug hoch. Dahinter: Funkgeräte für den Einsatzfunk. Eine kurze Einweisung, dann krächzen Funksprüche über den Schulhof. Standort-Angaben. So, wie Feuerwehrleute im Einsatz kommunizieren würden.

Keine Konkurrenz für Jugendfeuerwehr

Die AG-Idee kommt an. Von der Grundschule nebenan schauen Kinder neugierig herüber. Und auch bei den Sekundarschülern findet die AG offensichtlich Anklang. 21 Jugendliche zählt Robert Käsebier. Die AG Ehrenamt ist ein freiwilliges Angebot. Niemand muss hier sein. Trotzdem ist die Zahl der Schüler, die mitmachen, seit Schuljahresbeginn gewachsen.

"Ich finde eine Gesellschaft, die Ehrenamt mit sich trägt, ist immer eine bessere Gesellschaft", stellt Schulleiter Tim Hase fest. "Selbst wenn nur ein einziger sagt, er möchte später in der Ortsfeuerwehr mitmachen, dann ist das einer mehr."

Die AG soll ein Zusatzangebot sein, keine Konkurrenz zum Angebot der Jugendfeuerwehr. Ganz im Gegenteil. Es soll auch helfen, Hürden abzubauen. Schließlich lernen die Schüler schon einmal diejenigen kennen, die sich bei Feuerwehr oder Rettungsdienst engagieren oder arbeiten. Und ein Beitrag zur Berufsorientierung könne die AG auch sein.

1.000 junge Feuerwehrleute seit 2016

Bei den Schülern verfängt die Idee: "Mal sehen, wie es ist. Vielleicht werde ich dann doch bei ASB oder der Feuerwehr tätig", sagt einer der AG-Teilnehmenden. Andere sind hier, um den Erste-Hilfe-Schein zu machen. Wieder andere, um die Arbeit der Helfer kennenzulernen. "Ich sage mal so, das wird immer gebraucht. Es macht ja auch Spaß", sagt eine Schülerin.

Bei der Feuerwehr oder bei den Hilfsdiensten wird ständig nach jungen Kräften gesucht. Das Land, die Städte und die Feuerwehren selbst bemühen sich intensiv um Nachwuchs. Und das zeigt sich auch in der Statistik. Seit 2016 verzeichnen die Jugendfeuerwehren nach Angaben des Innenministeriums einen Zuwachs von rund 1.000 Mitgliedern.

Lokale Initiative in Nachterstedt

Die AG Ehrenamt an der Seelandschule in Nachterstedt ist eine lokale Initiative. Eine Idee der Feuerwehr, der Schulleitung und des Arbeiter-Samariter-Bundes. Eigentlich eine naheliegende Idee. Aber eine, für die sich Menschen finden mussten, die sie umsetzen. Menschen wie Robert Käsebier.

"Wir haben uns dazu entschieden, nach vielen Gesprächen, dass wir das ehrenamtlich machen. In der Freizeit", sagt er. Es stehe im Vordergrund, den Menschen zu helfen. "Nur mit so einer Einstellung kann man das rüberbringen", sagt er noch. Und so fährt hier einmal pro Woche die Feuerwehr oder der ASB mit einem Rettungswagen nicht zum Einsatz, sondern in die Seeland-Schule, zur Ehrenamts-AG.

Bildrechte: MDR/Fabian Frenzel

Über den AutorTom Gräbe arbeitet seit 2014 für MDR SACHSEN-ANHALT als Reporter für den Salzlandkreis und ist daher sehr viel von Aschersleben und Staßfurt über Egeln bis zur Stadt Seeland unterwegs. Er produziert Hörfunkbeiträge, schreibt Texte für die Online-Redaktion und ist ab und zu auch für das Regionalmagazin MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE mit der Kamera unterwegs.

Aufgewachsen ist er in Aschersleben. Zum Hörfunk gekommen ist er als Teenager. Nach einem Praktikum bei einem Freien Radio hat er viele Jahre im Vorharz gefunkt. Zu seinen Lieblingsorten in Sachsen-Anhalt gehören die Seen um Plötzky, der Harz und die ruhigen Ecken im Ascherslebener Stadtpark.

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MDR (Tom Gräbe, Oliver Leiste)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 07. November 2022 | 11:10 Uhr

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