AscherslebenMangelhafte Löschwasserversorgung wird zum Politikum
Im Ascherslebener Ortsteil Westdorf ist die Löschwasserversorgung im Fall eines Brandes für Feuerwehren ein Problem geworden. Hydranten im Ort liefern zu wenig Wasserdruck. Zuletzt hatten die Einsatzkräfte Schwierigkeiten Brände im Ort zu löschen. Anwohner sind verunsichert. Und sie hatten Fragen bei einer Ortschaftsratssitzung. Stadt und Trinkwasserversorger arbeiten an Lösungen.
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- Mitte Juli brennen im Ascherslebener Ortsteil Westdorf zwei Wohnhäuser.
- Experte sieht Defizite bei der Löschwasserversorgung.
- Die Stadt arbeitet an Lösungen.
Vor ein paar Tagen machte ein Facebook-Post der Stadt Aschersleben die Runde. Dabei ging es um einen Hinweis auf einen technischen Fehler auf der Internetseite der Stadt, und zwar bei der Einladung für die Ortschaftsratssitzung in Westdorf. Der Tagesordnungspunkt Löschwasser wäre zwar für den öffentlichen Teil der Sitzung angekündigt, sei aber im nichtöffentlichen Teil geplant, also ohne Anwohner.
Der Grund: feuerwehrtaktische Informationen und persönliche Rechte Dritter. Anwohnerin Jana Elbe und weitere Westdorfer schreiben eine Beschwerde an den Landkreis. "Also wenn sich zwei streiten, muss es ein Dritter prüfen", sagt sie. Und das ist passiert.
Viele Fragen bei der Ortschaftsratssitzung
Die Löschwasserversorgung besprechen Ortschaftsrat und Stadtverwaltung gleich zwei Mal. Einmal im nichtöffentlichen Teil und einmal in der Bürgerfragestunde. Knapp 30 Besucher sind gekommen. Der Ortsbürgermeister hat die Sitzung in den Saal des Dorfgemeinschaftshauses verlegt. Oberbürgermeister, Ordnungsamtsleiter, weitere Mitarbeiter – die Stadt ist mit großem Team gekommen.
Denn: Die Anwohner haben Fragen. "Da muss etwas passieren", sagt ein Anwohner. "Gesetzlich und rechtlich ist die Stadt dafür (fürs Löschwasser, Anm. d. Red.) verantwortlich", sagt eine Besucherin vor der Sitzung. "Die Steuergelder nimmt sie von uns auch", fügt sie hinzu. Dass so viele Besucher zur Ortschaftsratssitzung kommen, dafür gibt es einen Grund.
Mehrere Brände: Anwohner bieten Wasser aus Pool an
Mitte Juli brennen im Ascherslebener Ortsteil Westdorf zwei Wohnhäuser. Die Feuerwehr hat offensichtlich Probleme, den Flammen Herr zu werden. Grund scheint der fehlende Wasserdruck der Hydranten – oder wie es die Feuerwehr dann später in einem Einsatzbericht auf Facebook schreibt: Es sei zu wenig Löschwasser vorhanden gewesen.
Nachbarn helfen aus, bieten das Wasser aus ihren Pools an. Tanklöschfahrzeuge aus Nachbargemeinden werden angefordert. Das Problem scheint bekannt. Bereits in den vergangenen Jahren gab es Brände, bei denen es offenbar Probleme mit der Löschwasserbereitstellung gab. Fürs Löschwasser ist die Stadt Aschersleben zuständig. Damals berichtete auch MDR SACHSEN-ANHALT.
Die Stadt verweist auf den starken Wind, die hohen Temperaturen und darauf, dass der Brand von zwei Einfamilienhäusern ein außergewöhnliches Schadensereignis darstelle. Die Wasserleitung in der Wohnsiedlung habe eine gängige Größe und Leistung. Die Feuerwehr verfüge über einen Schlauchwagen mit 2.000 Metern Schlauch und Pumpentechnik.
Außerdem verweist die Stadt auf ein regelmäßiges Gutachten zum Brandschutz: die sogenannte Risikoanalyse. "Auch in der 3. Fortschreibung der Risikoanalyse wurde ermittelt, dass in der Ortslage Westdorf der Grundschutz mit Löschwasser besteht", schreibt die Stadt nach dem Brand.
Das allerdings gibt die Risikoanalyse, die MDR SACHSEN-ANHALT vorliegt, so nicht her. Dort ist von Mängeln die Rede. Die Gutachter attestieren eine "zunehmende Verschlechterung der Leistungsfähigkeit" und "zu wenige Hydranten". Eine Kompensation durch Wasserentnahme aus offenem Gewässer sei aufgrund des niedrigen Wasserstandes nur noch bedingt möglich.
Risikoanalyse: Experte sieht Defizite und Gefahr für Feuerwehren
Auch Dr. Peter Schmiedtchen, unter anderem Honorarprofessor im Studiengang Sicherheit und Gefahrenabwehr an der Hochschule Magdeburg-Stendal, kommt zu einer ähnlichen Einschätzung. Er hat sich auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT die Löschwasserversorgung im Ortsteil Westdorf angeschaut – auf Grundlage der Risikoanalyse der Stadt Aschersleben.
Die überwiegende Mehrheit der Hydranten verfüge über eine Leistungsfähigkeit von weniger als 24 Kubikmetern Wasser pro Stunde.
"Nicht nur der Grundschutz für die Bürger ist nicht gewährleistet, es entsteht zusätzlich eine Gefährdung für die eingesetzten Kameraden und Kameradinnen", schreibt der Professor. Egal, wie die Verteilung der Hydranten aussehe, die Löschwasserversorgung sei nicht gewährleistet.
Aschersleben sei kein Einzelfall
Die gesetzlichen Grundlagen, die Wasserversorger zu verpflichten, entsprechende Löschwassermengen bereit zu stellen, sind nicht gegeben.
Peter Schmiedtchen | Professor im Studiengang Sicherheit und Gefahrenabwehr
"Da die Wasserversorger sich immer mehr aus der Verantwortung ziehen, kann ich nur das Bohren von Brunnen empfehlen", so Schmiedtchen. Dadurch entstehe ein erheblicher finanzieller Aufwand, den die Stadt sicher nur mit Fördermitteln stemmen könne, so Schmiedtchen.
Aus seiner Sicht wäre Aschersleben kein Einzelfall, weil sich die Versorger aus der Verantwortung, die Hydranten als Entnahmestellen anzusehen, zurückziehen würden. "Die gesetzlichen Grundlagen, die Wasserversorger zu verpflichten, entsprechende Löschwassermengen bereit zu stellen, sind nicht gegeben", so Schmiedtchen.
OB: finanzieller Spielraum der Kommunen erschöpft
Die Stadt arbeitet auf Basis der Risikoanlayse. Ascherslebens Oberbürgermeister Steffen Amme sagte: "Wir haben die dritte Fortschreibung der Risikoanalyse einem Büro übertragen. Das Büro hat dieser Fortschreibung auch so aufgearbeitet und so erstellt, dass der Stadtrat letztendlich dieser dritten Fortschreibung seine Zustimmung gegeben hat."
Die Löschwasserversorgung habe eine hohe Priorität, so der Oberbürgermeister. Die Feuerwehrleute hätten während des Einsatzes beim Brand zweier Häuser im Juli Höchstleistungen erbracht. "Und wir haben natürlich dieses Schadensereignis jetzt noch einmal zum Anlass genommen, um uns intensiv in der Stadtverwaltung mit der Thematik Löschwasserversorgung zu beschäftigen."
Die Stadt sieht sich bei Investitionen in den Brandschutz auf Fördermittel angewiesen. "Da auch das Signal an die Landesregierung: ohne Fördermöglichkeiten sind Investitionen einfach nicht mehr möglich", so Oberbürgermeister Steffen Amme. Der finanzielle Spielraum der Kommunen sei erschöpft. Es brauche Fördermöglichkeiten, um das Thema Löschwasser auch wirklich bewältigen zu können.
Stadt arbeitet an Lösungen: Löschwasserblasen im Gespräch
Die Stadt arbeitet an Lösungen. Die Feuerwehr soll in die Lage versetzt werden, das Wassernetz effizienter zu nutzen. Hydranten wurden überprüft, langfristig arbeitet die Stadt an einem Löschwasserkonzept. Auch oberirdische Hydranten soll es geben – in Absprachen mit dem Wasserversorger MIDEWA. Auch dort gibt es Möglichkeiten, die Situation zu verbessern. Große Schritte sind das allerdings nicht.
Ortsbürgermeister Martin Quitschalle hat Löschwasserblasen vorgeschlagen – große Wasserspeicher, die sich verhältnismäßig schnell und kostengünstig aufstellen lassen. Auch keine Dauerlösung. Die Stadt will sie aber prüfen. Das ist neu und kommt an bei den Anwohnern.
Anwohner wollen dranbleiben
Und Jana Elbe sagt nach der Sitzung: "Es war gut, dass wir auch so zahlreich erschienen sind." So sehe die Stadtverwaltung, dass das Thema den Westdorfern nicht egal sei. "Großes Lob an unserem Ortsbürgermeister und den Ortschaftsrat, die sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen", sagt sie noch.
Als Notlösung bleibt in Westdorf: Wenn es brennt, von vornherein mehr Kräfte der Feuerwehr anzufordern. Die Anwohner jedenfalls werden weiter genau verfolgen, welche Lösungen es gibt für die Löschwasserbereitstellung.
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MDR (Tom Gräbe, Max Schörm)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 15. September 2023 | 07:50 Uhr
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