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Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) steht für seine Pläne zur Fachkräftegewinnung in der Kritik. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Peter Gercke

Umstrittene InitiativeSachsen-Anhalts Fachkräftedeal mit Usbekistan läuft ins Leere

06. Juni 2023, 15:22 Uhr

Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) will 5.000 Fachkräfte aus Usbekistan nach Sachsen-Anhalt holen. Für diesen Alleingang gab es in den vergangenen Monaten viel Kritik, nun zeigen Kleine Anfragen von Linken und Grünen: Schon 2021 wusste die Staatskanzlei vom Interesse einer Firma. Schellenbergers Initiative geht derweil ins Leere.

Sachsen-Anhalt hat ein Fachkräfteproblem. Die Bevölkerung wird nach Zahlen der Landesregierung von 2019 auf 2035 voraussichtlich um zirka 13 Prozent schrumpfen. Darum hat das Land schon seit mehr als zwölf Jahren einen sogenannten Fachkräftesicherungspakt. Er sieht vor, dass die Wirtschaft und das Land angehalten sind, alles dafür zu tun, um neue Fachkräfte nach Sachsen-Anhalt zu holen. Neu ist jedoch, dass sich auch der Landtagspräsident von Sachsen-Anhalt als Teil dieses Sicherungspaktes versteht. Für seinen Versuch, eigenhändig rund 5.000 Fachkräfte aus Usbekistan nach Sachsen-Anhalt zu locken, hat Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) in den vergangenen Wochen und Monaten viel Kritik bekommen.

Nun wird klar: Das Land wusste schon deutlich länger am Interesse eines Unternehmens, Fachkräfte hierher zu locken.

Bereits 2021 erste Anwerbeversuche

Das zeigen jetzt die Antworten der Landesregierung auf zwei Kleine Anfragen von Linken und Grünen im Landtag. Demnach gab es bereits im April 2021 unter dem Betreff "Fachkräfteinitiative Sachsen-Anhalt und Usbekistan" eine Anfrage an die Staatskanzlei, ob der Ministerpräsident die Schirmherrschaft für die Initiative übernehmen würde. Absender: das Unternehmen Gfm, das sich auf seiner Website als "Weiterbildungsprofi" bezeichnet. Nach einer Prüfung durch das für den Fachkräftesicherungspakt verantwortliche Sozialministerium wurde der Firma am Juni 2021 eine Absage erteilt. Einen zweiten Anlauf gab es dann im März 2022, mit einem weiteren Schreiben der GfM, jährlich 500 usbekische Staatsangehörige für das Gesundheitswesen rekrutieren zu wollen. Jedoch gingen beim Sozialministerium auf Nachfrage der Landesregierung bis Mai 2022 keine Anträge usbekischer Arbeitskräfte ein.

Projekt 5000 ohne Erfolgschance

Knapp ein Jahr später – am Rande einer Landtagssitzung im März 2023 – informierte Landtagspräsident Gunnar Schellenberger Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) mündlich darüber, dass er mit dem usbekischen Botschafter in Kontakt stehe – und ein Vorgang zur Fachkräftegewinnung auf ihn zulaufen würde. Wenig später, im April 2023, wurde ein Entwurf des "Kooperationsabkommens Projekt 5000" an das Büro des Ministerpräsidenten geschickt. Auch Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) bestätigt über die Kleine Anfrage der Linken und Grünen: Es gab eine Information über Schellenbergers Initiative am Rande eines Gesprächs. Schulze kann sich jedoch im Gegensatz zum Ministerpräsidenten nicht mehr daran erinnern, wann dieses stattgefunden haben soll.

Bereits am 17. April 2023 teilte Staatsminister Rainer Robra, ebenfalls CDU, dem Landtagspräsidenten mit, "dass die Usbekistan-Initiative bis Anfang Mai 2023 nicht umzusetzen sei und begründete es damit, dass Sachsen-Anhalt als Land mit Drittstaaten nicht ohne Weiteres Verträge schließen könne" – so steht es in der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Grünen. Abschließend kommt das Land zum Fazit: Der Entwurf wurde nicht unterzeichnet – und es gibt demnach auch keine Pläne, den vorliegenden Entwurf weiter zu verfolgen. In der Stellungnahme vom Mai schrieb Landtagspräsident Schellenberger jedoch: "Mit seinem Schreiben vom 27. April 2023 hat der Chef der Staatskanzlei mitgeteilt, das Projekt klinge nach einer vielversprechenden Idee, um auf den Fachkräftebedarf in Sachsen-Anhalt zu reagieren."

Grüne: Öffentlichkeit und Landtag falsch informiert

Den Grünen im Land ist zwar ebenfalls klar, dass Sachsen-Anhalt ein Fachkräfteproblem hat, doch für Fraktionschefin Cornelia Lüddemann zieht der Vorgang weitere Kreise: "Im Gegensatz zu bisherigen Angaben waren die Staatskanzlei und das Ministerium für Arbeit und Soziales schon ab Frühjahr 2021 informiert und involviert. Dass dahinter der Landtagspräsident als selbst ernannter Türöffner für Unternehmen steckte, der Verhandlungen vorbereitete und führte, wurde gegenüber der Landesregierung offenbar nicht transparent gemacht. Öffentlichkeit und Landtag wurden durch die Landesregierung bisher nicht vollständig und falsch informiert. Wir kritisieren diese Informationspraxis scharf."

Der Landtagspräsident hat hier ganz klar seine Aufgaben überschritten.

Eva von Angern | Die Linke

Für Eva von Angern von den Linken ist das Ergebnis der Kleinen Anfrage wenig überraschend: "Umso bitterer ist, dass wir jetzt auch erfahren, dass es zu diesem Vertrag gar nicht kommt. Weil wir in Sachsen-Anhalt selbstverständlich Fachkräfte in allen Bereichen brauchen. Insofern kann man immer nur wieder sagen, der Zweck heiligt eben nicht die Mittel. Und ein Landtagspräsident hat Aufgaben, hat Aufgaben, die in der Verfassung festgeschrieben sind. Der Landtagspräsident hat hier ganz klar seine Aufgaben überschritten. Und dann auch noch erfolglos. Das Land hat Experten für die Fachkräftegewinnung. Und denen sollte man doch bitte die Arbeit überlassen."

Schellenberger selbst hatte im Mai bekräftigt: "Mein Engagement galt und gilt ausschließlich dem Ziel, dem Fachkräftemangel in Sachsen-Anhalt zu begegnen." Auf die Frage, wie er die Entscheidung der Landesregierung, das Projekt nicht weiter zu verfolgen, bewerte, teilte er am Mittwoch MDR SACHSEN-ANHALT mit: "Die Landesregierung hat bezüglich des Projektes entschieden. Das respektiere ich natürlich."

Mehr zum Thema: Umstrittener Fachkräfte-Deal des Landtagspräsidenten

MDR (Lars Frohmüller)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 06. Juni 2023 | 17:00 Uhr

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