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MagdeburgVon der Stadt aufs Land: Wie ein Paar um seinen Traum vom Eigenheim kämpft

02. Mai 2021, 20:56 Uhr

Teure Grundstücke und hohe Baukosten – ein Eigenheim in der Stadt können sich auch in Sachsen-Anhalt viele nicht mehr leisten. Also zieht es die Familien aufs Land. So wie Caro Bruns und Daniel Lindner aus Magdeburg. Doch auch dort warten Herausforderungen.

Lange galt das Thema Preise für Wohnungen im Osten als unproblematisch, nun ziehen die Preise auch hier an. Wohnungsmarkt und Baubranche boomen. Woran liegt das und welche Folgen hat das? Dieses Thema beleuchten wir in einer mehrteiligen Themenreihe. Das ist Teil eins:

Eigentlich sind Caro Bruns und Daniel Lindner ganz glücklich. Zweieinhalb Zimmer auf 74 Quadratmetern umfasst ihr kleines Reich gerade: eine Wohnung in Stadtfeld, einem zentral gelegenen Stadtteil von Magdeburg. Liebevoll eingerichtet, sie fühlen sich dort heimisch.

Doch weil sich zu den zwei Katzen, zwei Hasen und der Schildkröte des Paares bald noch menschlicher Nachwuchs gesellen soll, wollen sie sich vergrößern. Und: "Wir kämpfen gerade dafür", sagt Bruns, "dass das auch wirklich klappt."

Kämpfen ist genau das richtige Stichwort. Denn das müssen junge Paare in Sachsen-Anhalt, um sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Die Grundstückspreise sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen, auch die Hausbaukosten schrecken viele ab. Wer nicht überdurchschnittlich verdient oder reichlich Eigenkapital angespart hat, der muss sich von seinem Traum verabschieden – oder andere Wege finden.

Allgemein

Wie schafft man günstigen und attraktiven Wohnraum für alle? Wie werden ländlichen Regionen wieder lebendiger? Erfahren Sie hier, mit welchen Ideen die Parteien im Wahlkampf zum Thema "Wohnen" antreten.

CDU

Die CDU will über den Bundesrat das Baurecht flexibilisieren, um speziell im ländlichen Raum Flächen besser zu nutzen. So sollen Eigentümerinnen und Eigentümer nach Vorstellung der Partei künftig allein entscheiden, ob ein altes Wohngebäude umgebaut oder durch ein neues Gebäude ersetzt wird. Zu Wohneigentum und Mieten steht nichts im Programm.

AfD

Die AfD möchte Wohneigentum in Sachsen-Anhalt fördern. Ehepaare mit mindestens einem Kind, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen nach dem Willen der Partei einen zinsgünstigen Kredit bis zu einer Höhe von 300.000 Euro zum Erwerb von selbstgenutztem Wohnraum bekommen. Für das erste nach Ausschüttung des Kredits geborene Kind sollen dem Ehepaar 10.000 Euro erlassen werden, für jedes weitere 20.000 Euro. Außerdem will die AfD den Zuzug in ländliche Räume fördern. Interessenten sollen dazu miteinander vernetzt und Baugemeinschaften gefördert werden. Das Wort Mieten findet sich im Programm der AfD nicht.

DIE LINKE

Die Linke möchte vor allem innovative und alternative Wohnkonzepte fördern. Dazu zählt die Partei zum Beispiel Mehrgenerationen-Wohnprojekte oder gemeinnützige Wohngemeinschaften. Die Wohnungsbauförderung soll auf "Ausbau statt Neubau" setzen. Wenn mit dem bisherigen Mietrecht der Anstieg von Mieten nicht gedämpft werden kann, sollen nach Vorstellung der Linken "regionale Mietendeckel" erprobt werden.

SPD

Die SPD möchte insbesondere Wohnraum für Senioren und junge Familien schaffen. Sozialwohnungen sollen neu gebaut sowie durch den Kauf oder die Verlängerung von Belegungsrechten erhalten bleiben. Zusammenarbeiten möchte die Partei vor allem mit kommunalen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften. Das serielle Bauen soll unterstützt werden, um Baukosten zu dämpfen.

GRÜNE

Ziel der Grünen ist es, möglichst viele Wohnungen zu erhalten und zu schaffen, "die außerhalb des auf Profitmaximierung orientierten Wohnungsmarktes bestehen". Zu diesem Zweck soll der Anteil von Wohnungen in öffentlicher und genossenschaftlicher Hand erhöht werden. Dasselbe gilt auch für kooperative Wohnformen und andere Hausprojekte. Grundstücke aus staatlicher Hand sollen nicht mehr ausschließlich nach Höchstgebot veräußert werden, sondern durch Konzeptvergabe vorrangig ökologische, soziale oder kulturelle Projekte berücksichtigen. Liegenschaften des Landes wollen die Grünen in erster Linie im Erbbaurecht vergeben. Kommunen sollen dabei unterstützt werden, ihr Vorkaufsrecht zu nutzen. Die Fördersummen für den sozialen Wohnungsbau will die Partei vor allen an kommunale Wohnungsunternehmen, Studierendenwerke und Genossenschaften geben. Die Zuschüsse dafür sollen erhöht werden.

FDP

Für Kommunen mit schrumpfender Bevölkerung fordert die FDP eine Rückbauförderung, falls dort "ansonsten der Wohnungsmarkt gefährdet wird". Gegen Wohnungsknappheit hilft aus Sicht der Partei ausschließlich der Neubau. Die Liberalen wollen dazu Planungsvorschriften, Genehmigungen und bautechnische Standards vereinfachen. Die Schaffung von Wohneigentum soll gefördert werden.

200 Euro pro Quadratmeter in der Stadt, 80 auf dem Land

Diese anderen Wege führen oft auf das Land. So wie im Fall von Caro Bruns und Daniel Lindner, die seit zwei Jahren zusammenwohnen. Sie hätten sich auch vorstellen können, in Magdeburg zu bleiben, aber: "Da würden wir um die 200 Euro pro Quadratmeter beim Grundstückskauf bezahlen", sagt Lindner. "Das können wir uns einfach nicht leisten, auch, weil wir gerne ein etwas größeres Grundstück hätten." Sprich: In jedem Fall größer als die 500 Quadratmeter, die in vielen Baugebieten mittlerweile Standard sind.

Deshalb schaute sich das Paar im Umland um – und wurde fündig: in der Börde, genauer gesagt in Groß Santersleben, einer kleinen Ortschaft mit etwas mehr als 1.000 Einwohnern, gut 20 Autominuten von der Landeshauptstadt entfernt.

Dort sollen unweit der A14 mehrere Grundstücke entstehen, abgesteckt sind sie bereits. Auch Bruns und Lindner haben ihre Wahl schon getroffen. 80 Euro kostet hier der Quadratmeter, deshalb wollen sie sich auch ein etwas größeres Grundstück leisten: 1.200 Quadratmeter soll es haben.

Die größte Hürde ist die Finanzierung. Aber wir geben alles dafür, dass es noch klappt.

Caro Bruns

"Hier sind die Preise eher erschwinglich", sagt Lindner. Aber auch unabhängig vom Preis sehen sie Vorteile vom Leben auf dem Land, denn: "Das Leben in der Stadt", sagt Daniel Lindner, "haben wir sowieso etwas satt." Der Lärm, der Trubel, die ständige Parkplatzssuche, all das. "Wir arbeiten viel", so Lindner. Und: "Wenn wir dann nach Hause kommen, ist die ländliche Idylle genau das Richtige."

Sie arbeitet als Gesundheits- und Krankenpflegerin, er als Verbandskoordinator beim Basketball-Verband Sachsen-Anhalt (BVSA). Sie ist 27, er 34 Jahre alt. Noch haben sie das Grundstück nicht gekauft, doch: "In Groß Santersleben", da sind sie sich einig, "können wir zur Ruhe kommen." Auch die mittelfristig weiteren Wege für den geplanten Nachwuchs, der zur Schule in den Nachbarort müsste, nehmen sie in Kauf.

In der Krise zählt das krisensichere Dach

Diese Entwicklung – der Wegzug ins Umland – ist keineswegs neu. Bereits vor Jahrzehnten verließen viele Familien aus der Mittelschicht die Großstädte, um im sogenannten "Speckgürtel" ihr Eigenheim zu bauen. Hinzu kommt: Die Corona-Krise hat den Wunsch vieler Deutscher nach einem eigenen Haus offensichtlich eher befeuert als gebremst. Und wohl auch den Wunsch vom Umzug aufs Land. Schließlich haben die Städte in der Pandemie vieles von dem verloren, was sie ausgezeichnet hat – vor allem ihre Lebendigkeit.

"Den Menschen ist das Thema Wohneigentum nach meinen Beobachtungen wichtiger geworden", sagte Daniel Arnold, Gründer der Deutschen Reihenhaus AG, kürzlich im Podcast "Die Stunde Null". Und weiter: "In einer Krise zählen für viele Familie, Zusammenhalt und eben ein krisensicheres Dach über dem Kopf." Das sei ein "psychologischer Trend zum Thema Wohneigentum", die Nachfrage nach bezahlbaren Häusern sei ungebrochen.

Zwar ziehen auch die Preise für das Wohnen auf dem Land langsam an, doch ist es noch immer deutlich günstiger als in der Stadt. Bei etwa 34 Prozent liegt der Unterschied für die sieben größten Städte Deutschlands. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zu den Preisunterschieden zwischen Einfamilienhäusern in 70 Großstädten und ihren Umlandkreisen.

Das Leben in der Stadt haben wir sowieso etwas satt. Die ländliche Idylle ist genau das Richtige.

Daniel Lindner

 Finanzierung als größte Hürde

Und doch droht der Traum vom Eigenheim bei Caro Bruns und Daniel Lindner zu platzen. "Die größte Hürde ist momentan die Finanzierung", sagt Bruns. Einige Absagen von Banken gab es bereits. Obwohl beide nicht schlecht verdienen, könnte es nicht gut genug sein – zumindest für ein vergleichsweise großes Grundstück mit der geplanten Immobilie. 150 Quadratmeter soll das Haus im Idealfall groß sein.

Die Auswahl ist jedoch auch begrenzt, zumindest, "was bauträgerfreie Grundstücke angeht", sagt Lindner. "Da ist man ziemlich beschränkt." Und muss mit den Hausbaukosten des jeweiligen Bauträgers eben leben, die trotz Corona bislang nicht fallen. Bruns bekräftigt jedenfalls: "Wir kämpfen und geben alles dafür, dass es noch klappt." Sprich: Sie versuchen, Eigenkapital aufzutreiben oder die Baukosten zu verringern.

Das Paar steht auf einem Acker am Rande von Groß Santersleben. Dort, wo ihr Haus gebaut werden soll. "Jetzt stehe ich in der Speisekammer", sagt Daniel Lindner. "Und hier ist das Wohnzimmer", sagt Caro Bruns. Sie lächeln. Denn da spricht die Hoffnung aus ihnen. Die Hoffnung, dass der Traum vom Eigenheim auf dem Land bald in Erfüllung geht.

Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Über den AutorDaniel George wurde 1992 in Magdeburg geboren. Nach dem Studium Journalistik und Medienmanagement zog es ihn erst nach Dessau und später nach Halle. Dort arbeitete er für die Mitteldeutsche Zeitung.

Vom Internet und den neuen Möglichkeiten darin ist er fasziniert. Deshalb zog es ihn im April 2017 zurück in seine Heimatstadt. Bei MDR SACHSEN-ANHALT arbeitet er seitdem als Sport-, Social-Media- und Politik-Redakteur, immer auf der Suche nach guten Geschichten, immer im Austausch mit unseren Nutzern.

MDR/Daniel George

Dieses Thema im Programm:"FAKT IST!" | 03. Mai 2021 | 22:10 Uhr

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