Zwischenbilanz des ÖPNV Gestiegene Fahrgastzahlen durch 9-Euro-Ticket in Sachsen-Anhalt

25. Juni 2022, 11:33 Uhr

Im ÖPNV in Sachsen-Anhalt haben sich seit Einführung des 9-Euro-Tickets die Fahrgastzahlen teilweise verdoppelt. Vor allem in Regionalzügen ist die Auslastung stark gestiegen. Verbraucherschützer und Vertreter der Verkehrsbetriebe fordern nun dauerhaft günstige Angebote.

Sachsen-Anhalts Nahverkehrsgesellschaft (Nasa) verzeichnet seit Einführung des 9-Euro-Tickets am 1. Juni sowohl bei S-Bahnen und Regionalbahnen als auch bei Regionalexpress-Linien ein deutliches Nachfrageplus. Zum Teil sei eine Verdopplung der Nutzungszahlen zu verzeichnen. "Prozentual profitieren die Regionalexpress- und Regionalbahn-Linien stärker als die S-Bahnen, was als Indikator gesehen werden kann, dass auch außerhalb der Ballungszentren das 9-Euro-Ticket genutzt wird", erklärte Nasa-Sprecherin Jasmin Dudda.

Immerhin rund 2000 der Tickets hat die Personenverkehrsgesellschaft Altmarkkreis Salzwedel (PVGS), die für den Busverkehr in der westlichen Altmark zuständig ist, bisher verkauft. Die Linien seien deutlich mehr frequentiert, sagt PVGS-Geschäftsführer Ronald Lehnecke – auch von Fahrgästen von außerhalb, die offenbar das günstige bundesweite Angebot nutzen, um neue Gegenden zu erkunden. Vor allem Pendler würden profitieren, da sie im Vergleich zu normalen Monatskarten deutlich sparten. Die Fahrgastzahlen auf den Strecken nach Wolfsburg, Magdeburg und Arendsee seien deutlich gestiegen. Bei den bei den Rufbussen sei die Nachfrage sogar um bis zu 50 Prozent in die Höhe geschnellt.

Andrang führt zu Kapazitätsproblemen

Busfahrer hat Hände am Lenkrad
Im ÖPNV mangelt es zum Teil an Busfahrern und Bussen, um dem gestiegenen Andrang gerecht zu werden (Symbolbild). Bildrechte: imago images/Bernd März

Grundsätzlich freut sich Lehnecke, dass viele Leute vom Dorf das Auto nun auch mal stehen lassen und das Angebot des ÖPNV testen. Andererseits führe der Andrang zu Kapazitätsproblemen. Einen großen Ansturm erwartet Lehnecke in der Ferienzeit. "Wir hoffen, nicht überrannt zu werden", so der Geschäftsführer. Eine kurzfristige Ausweitung des Busangebotes sei nicht möglich. Dazu fehlten einerseits die Fahrzeuge, andererseits das Personal. Gerade jetzt in der Sommerzeit hätten viele Fahrer langfristig ihren Jahresurlaub geplant.

Für den Geschäftsführer ist das 9-Euro-Ticket grundsätzlich eine gute Sache. "Ich kann jedem nur empfehlen, es auszuprobieren", sagt er. Allerdings hätte er sich deutlich mehr Vorbereitungszeit gewünscht. Viele Fragen seien anfangs nicht klar gewesen oder noch immer nicht geklärt. Für die Verkehrsgesellschaften sei das Projekt zudem eine große finanzielle Belastung, weil sie erhebliche Einnahmeverluste zu verkraften hätten. Diese sollten zwar mit Mitteln des Bundes ausgeglichen werden. Das genaue Prozedere, wie das Geld bei den Firmen ankommt, sei aber noch nicht abschließend geklärt.

Verbraucherschützer fordern dauerhaft günstige Preise

Eine Frau in einer Straßenbahn schaut aus dem Fnester
ÖPNV-Fahrer aufgepasst: Momentan herrscht in Bahnen und Bussen weiterhin Maskenpflicht (Symbolbild). Bildrechte: imago images/Westend61

Der Geschäftsführer hofft, dass die Erfahrungen dieses befristeten Angebots gründlich ausgewertet werden und daraus ein langfristiges Konzept für den öffentlichen Nahverkehr entwickelt wird. Das sehen auch Verbraucherschützer so. Für sie ist das 9-Euro-Ticket ein Erfolgsmodell. Bis auf vereinzelten Ärger in der Anlaufphase habe es bisher keine nennenswerten Beschwerden gegeben, sagt Simone Meisel von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. "Einmal nach Sylt düsen reicht aber nicht aus", sagt sie.

Von einer Verstetigung des Angebots würden nicht zuletzt die Menschen im ländlichen Raum profitieren. In den größeren Städten sei es ohnehin einfacher, den ÖPNV zu nutzen. Die Verbraucherzentrale fordert ein neues Entlastungspaket, das auch das erfolgreiche 9-Euro-Ticket für den ÖPNV aufgreifen und weiter entwickeln müsse. "Ein leicht buchbares Ticket für alle Busse und Bahnen im Nahverkehr sollte für einen monatlichen Preis von 29 Euro, also rund einen Euro pro Tag, angeboten werden. Das würde in der Preiskrise alle entlasten, insbesondere aber Haushalte mit wenig Geld, und zudem der nötigen Verkehrswende mehr Schub geben", sagt die Verbraucherschützerin.

dpa, MDR (Lucas Riemer)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 25. Juni 2022 | 13:00 Uhr

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