15. Oktober | Und Tschüss - OB Trümper und die SPD

Lutz Trümper hat seinen ehemaligen Parteifreunden eines voraus, nicht unbedingt einen Austritt, sondern einen Wahlkampf. Im Frühjahr dieses Jahres stellte sich Trümper in einem nicht allzu spannenden Wettstreit seinen Herausforderern, denn seine Wiederwahl galt als ziemlich sicher. Entsprechend unaufgeregt trat Trümper dann auch nach der Wahl seine dritte Amtszeit an. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Stadt Magdeburg bereits auf steigende Flüchtlingszahlen vorbereitet, zusätzliche Sozialarbeiter eingestellt, mögliche Unterkünfte ausgewählt und ein Konzept zur Integration entwickelt.

Im April besuchte dann Vizekanzler Gabriel eine Flüchtlingsunterkunft in Magdeburg und lobte die Arbeit der Stadt. OB Trümper nutzte den Besuch, um seinem Parteifreund Gabriel ein paar Probleme zur Lösung mit nach Berlin zu geben. Eine Forderung lautete, in Zukunft nur noch jene Asylbewerber in die Gemeinde und Städte zu verteilen, die eine Aussicht auf ein Bleiberecht hätten. In Grunde genommen eine Idee, die aktuell unter dem Stichwort "Transitzonen" diskutiert wird. Und er verwies Gabriel auf eine Erfahrung aus seinem OB-Wahlkampf. Vermehrt hätten Menschen ihm gegenüber beklagt, nach 30 Jahren Erwerbstätigkeit nun als Arbeitsloser genau so viel Hartz 4 zu bekommen, wie ein anerkannter Asylbewerber. Trümper führte aus, dass er dies den Menschen nicht überzeugend erklären könne. Gabriel hörte bedächtig zu, wiegte nachdenklich den Kopf und entschwand in Richtung Berlin.

Es wurde Sommer, es wurde Herbst und plötzlich kamen mehr Flüchtlinge und zwar vielmehr Flüchtlinge, als jemals geplant waren. Nicht nur in Magdeburg erwiesen sich all die guten Vorbereitungen als ziemlich nutzlos, denn die Realität war plötzlich eine andere. Und Ende September war es erneut OB Trümper, der warnte, diesmal vor dem bürokratischen Chaos, welches tatsächlich Teile der Stadtverwaltung bis auf den heutigen Tag an den Rand der Handlungsfähigkeit bringt. Doch der Oberbürgermeister ist eben nicht nur Verwaltungschef, sondern auch Politiker. In seinem letzten MDR-Interview zum Flüchtlingsthema kritisierte Trümper sicherlich zu Recht die realen Bedingungen, mit denen die Verwaltung derzeit kämpft. Zudem forderte er die internationale Politik auf, sich für einen Friedenschluss in Syrien stark zu machen.

Interessanterweise verwies Trümper diesmal nicht auf seine Wahlkampferfahrung mit dem Arbeitslosen. Denn politisch vom Kopf auf die Füße gestellt, lautet ja die Frage nicht, warum bekommt der anerkannte Asylbewerber so viel Geld wie ein Arbeitsloser, sondern warum bekommt ein Arbeitsloser nach Jahren der Erwerbstätigkeit nicht mehr Geld als ein Asylbewerber? Das wäre eine politische Fragestellung, die der Situation vieler Menschen in Sachsen-Anhalt mehr entspricht, als ein Aufruf zu Frieden in Syrien.

Allerdings hat die Frage für die SPD einige Brisanz, denn schließlich war es die Rot-Grüne Bundesregierung, die Hartz 4 auf den Weg brachte, damals übrigens für Trümper kein Anlass, seiner Partei den Rücken zu kehren. Dass OB Trümper sich nun dem Maßreglungsdruck seiner Partei nicht beugen will, ist verständlich. Denkverbote sind Unsinn.

In den anderen beiden Großstädten Sachsen-Anhalts regieren derzeit zwei Oberbürgermeister, die nicht SPD-Mitglieder sind und folglich auch parteipolitischer Vereinnahmung unverdächtig. Sowohl der OB von Halle wie auch der von Dessau-Roßlau haben bislang keinen Grund gesehen, die Kritik ihres Amtskollegen zu unterstützen. Die Verhältnisse dort dürften den Magdeburger Zuständen nicht unähnlich sein. Aber sie haben eben keinen Streit mit der SPD Landeschefin.

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