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Podcast "digital leben"Was gegen ein Digitalministerium in Sachsen-Anhalt spricht

07. Juni 2021, 16:14 Uhr

Es klingt einfach und plausibel: Ein ganzes Ministerium trägt die alleinige Verantwortung für die Digitalisierung in Sachsen-Anhalt. Nur ist Digitalisierung kein Thema wie andere Politikfelder. Es gibt gute Argumente, die gegen ein Digitalministerium sprechen. Marcel Roth zählt sie auf.

von Marcel Roth, MDR SACHSEN-ANHALT

Wer ein Digitalisierungsministerium will, muss eigentlich nur eines tun. Eine einzige – nur scheinbar einfache – Frage beantworten: Was ist Digitalisierung? Wer sich daran versucht, merkt womöglich, wie viele Politikfelder davon betroffen sind.

In unserem Podcast "Digital leben" haben wir das Wort deshalb seit mehr als einem Jahr verboten. Und das aus einem guten Grund: Es ist ein Blubber-Wort. Wer im Deutschen etwas Unkonkretes sagen will, macht ein Adjektiv zu einem Verb, hängt ein "-ung" dran und hat: Digital-isier-ung.

Was ist Digitalisierung?

Auch wenn das polemisch war: Digitalisierung hat eben nicht nur mit Digitalem zu tun. Deswegen finde ich es auch schwierig, die "Digitalisierung" einem eigenständigen Ministerium zu übertragen. Womit befassen sich dann andere Ministerien, wenn das Wort "digital" auftaucht? Lehnen die sich zurück und verweisen auf die Zuständigkeit eines Digitalisierungsministeriums oder Digital-Ministeriums?

Noch einmal polemisch: Es gibt auch kein Analog-Ministerium. Jedes Ministerium kann Akten führen, kann entscheiden, bewilligen, telefonieren und muss inhaltlich sein Thema verstehen.

Was ist das Thema eines Digitalisierungsministeriums?

  • Vielleicht Kabel verlegen? Aber das ist null digital und gehört in ein Infrastrukturministerium oder in ein Ministerium für Daseinsfürsorge.
  • Start-Ups fördern oder Unternehmen bei digitalen Geschäftsmodellen und beim Thema KI unterstützen? Auch das ist null digital und gehört ins Wirtschaftsministerium.
  • Wissen über die vernetzte Gesellschaft ins Land streuen? Auch das ist erst einmal null digital und gehört ins Bildungs- oder Sozialministerium.
  • Forschung zum Thema IT- und Cyber-Sicherheit begleiten? Wissenschaftsministerium. (Der Begriff Cyber-Sicherheit macht in diesem Zusammenhang das Dilemma klar: Es geht um etwas Digitales aber eben auch zum Beispiel um Wasser oder Elektrizität.)
  • Online-Angebote für Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung stellen? Klar, diese Internetseiten und Plattformen für Anträge oder Informationen sind digital. Aber dafür ein eigenes Ministerium gründen, wenn es eines für Daseinsvorsorge oder Infrastruktur gibt?
  • Die elektronische Akteneinführung in Verwaltung, Justiz oder Polizei fördern und fordern? Das klingt nach einem Ministerium eigens für die Verwaltungsreform. Bei Steuerzahlern kommt das bestimmt nicht so gut an.

Auch für Datenschutz und Cybercrime gibt es bereits zuständige Stellen, die allerdings dringend mehr Personal brauchen.

Sachsen-Anhalt muss einfacher werden

In der Pandemie haben wir gelernt, wo Deutschland Defizite hat: in diesem "Digitalen". Kann das ein entsprechendes Ministerium richten? Zumindest lässt sich dann ein Schuldiger ausmachen, wenn es nicht klappt. Man kann dann zwar sagen, wenn Deutschland eine Firma wäre, gehörte die IT-Abteilung gefeuert. Aber das scheint mir wohlfeil. Denn eine einzige Abteilung kann nicht besser sein als die ganze Firma zusammen.

Deutschland ist, denkt und handelt zu kompliziert. Das hat der Normenkontrollrat neulich einmal zusammengefasst. (Der Normenkontrollrat! Dessen Name klingt nach 1850, aber er ist ein unabhängiges Beratergremium der Bundesregierung zum Bürokratieabbau.)

Deswegen: Vereinfachung kann kein Ministerium allein machen. Zukunft wird nicht nur in einem Ministerium gemacht. Das Mindset aller handelnden Personen kann kein Minister, keine Ministerin ändern.

Digitalität ist Sache des Kopfes. Und eine Aufgabe für jeden und jede. Für Sie. Für mich. Jeden Tag aufs Neue.

Bildrechte: MDR/Viktoria Schackow

Über den AutorMarcel Roth arbeitet seit 2008 als Redakteur und Reporter bei MDR SACHSEN-ANHALT. Nach seinem Abitur hat der gebürtige Magdeburger Zivildienst im Behindertenwohnheim gemacht, in Bochum studiert, in England unterrichtet und in München die Deutsche Journalistenschule absolviert. Anschließend arbeitete er für den Westdeutschen Rundfunk in Köln. Bei MDR SACHSEN-ANHALT berichtet er über Sprachassistenten und Virtual Reality, über Künstliche Intelligenz, Breitbandausbau, Fake News und IT-Angriffe. Außerdem ist er Gastgeber des MDR SACHSEN-ANHALT-Podcasts "Digital leben".

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MDR/ Marcel Roth

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 07. Juni 2021 | 12:00 Uhr