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Podcast "Digital leben"Sachsen-Anhalts Digitalrat: Was er will und wie er über Digitales in Verwaltungen denkt

17. September 2022, 11:30 Uhr

Ann Cathrin Riedel und Jürgen Stember sind zwei von neun Mitglieder des Digitalrates. Er soll Sachsen-Anhalts Digitalministerin Lydia Hüskens in digitalen Fragen beraten. In ihm sind Wissenschaft und Zivilgesellschaft vertreten. Im Podcast "Digital leben" haben sie über die Ziele des Digitalrates und die Digitalisierung der Verwaltung gesprochen.

Ziemlich bürokratisch – so klingt die Aufgabe von Sachsen-Anhalts neunköpfigen Digitalrat, den Sachsen-Anhalts Digitalministerium im Mai einberufen hat, in einer Pressemitteilung.

Aufgabe des Digitalrates

"Ziel des Digitalrates ist die Entwicklung von Lösungsansätzen, um die Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen die Ziele der Landesregierung mit Blick auf die zunehmende Digitalisierung bestmöglich verwirklicht werden können."

Ann Cathrin Riedel und Jürgen Stember, zwei von neun Mitgliedern des Digitalrates, übersetzen das Ziel des Gremiums im MDR SACHSEN ANHALT Podcast "Digital leben" ganz einfach: "Wir beraten die Digitalministerin und den Staatssekretär."

Lydia Hüskens (FDP) Bernd Schlömer (FDP)

Riedel, die im Hauptberuf bei der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Berlin arbeitet, ist als Vorsitzende des Vereins für liberale Netzpolitik LOAD in den Digitalrat berufen worden. Stember ist Professor für Verwaltungswissenschaften an der Hochschule Harz und war bereits im Digitalisierungsbeirat, den die vorherige Landesregierung berufen hatte.

Jürgen Stember ist Professor für Verwaltungswissenschaften an der Hochschule Harz. Er lobt das Innovationslabor des Salzlandkreises. Bildrechte: Hochschule Harz, T. Bruns

Digitalrat ohne Wirtschaft

Der Digitalrat ist ein Gremium, in dem sich Politik mit Menschen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft austauschen soll, sagt Riedel: "Die Ministerin und ihr Staatssekretär wollen einen Raum haben, wo sie auch mal frei denken und Ideen challengen können, ohne dass es sofort Implikationen hat." Das sei auch ein Grund, weshalb es in dem Gremium keine Wirtschaftsvertreter mehr gebe. Was Riedel vermutlich damit sagen will: Wenn Unternehmen Politiker beraten, denken sie auch daran, dass die Landesregierung Aufträge vergeben könnte und hätten möglicherweise einen Informationsvorsprung, wenn das Land Aufträge ausschreibt.

Im Vorgängergremium, dem Digitalisierungsbeirat der vorherigen Landesregierung, gab es auch Wirtschaftsvertreter. Sie sollen jetzt regelmäßig zu einem strategischen Dialog eingeladen werden, hatte der zuständige Staatssekretär bereits angekündigt.

Stember findet einen solchen Rat gut, damit sich Politik Expertise aus unterschiedlichen Bereichen holen kann. "Manchmal ist so ein Rat natürlich eine Modeerscheinung. Aber der Blick über den Tellerrand, der dahintersteckt, ist sehr gut und nachvollziehbar."

Digitales und Verwaltungen

Bislang hat sich der Digitalrat zwei Mal getroffen. Beim zweiten Treffen in Bernburg habe man sich auch das Innovationslabor des Salzlandkreises angesehen, in dem die Verwaltung experimentieren könne, sagt Stember. "Das sind die richtige Wege. Nur sind sie eben noch viel zu selten anzutreffen."

In Bernburg waren auch Bürgermeister verschiedener Gemeinden dabei. Sie hätten einen ganz besonderen Blick auf digitale Technologien in ihren Verwaltungen, sagt Riedel. "Sie haben erläutert, wie krass die Herausforderungen in den ländlichen Regionen sind. Das war für mich ein super Einblick, um für meine Arbeit in Berlin zu wissen, was genau die Probleme vor Ort sind."

Ein typisches Beispiel seien Schnittstellen. Es sei unglaublich wichtig für Verwaltungen, dass zwei Computerprogramme miteinander sprechen können, sagt Riedel. "Aber teilweise können die nicht programmiert werden, weil Fachkräfte fehlen und auch Dienstleister keine Kapazität dafür haben."

Ärgernis Verwaltungsdenken

Was bei Riedel und Stember zu spüren ist: Sie glauben Verwaltungen scheitern mitunter nicht nur an der technischen Umsetzung, sondern auch an ihren eigenen Regeln und der Kultur in Verwaltungen.

Es geht darum, auch mal neu zu denken. Es gibt ja diesen Satz, den man vielleicht für trivial halten kann: Aber wir müssen nicht lernen, schneller zu laufen, sondern kürzere Wege zu gehen.

Jürgen Stember

Im MDR SACHSEN-ANHALT Podcast "Digital leben" berichtet Stember von seiner eigenen siebenjährigen Erfahrung in einer Kreisverwaltung in Nordrhein-Westfalen. "Da haben wir uns auch schon mit solchen Projekten beschäftigt, unter anderem an einem Pilotprojekt der digitalen Baugenehmigungsverfahren. Das war 1998."

Aus dieser Erfahrung schätzt Stember etwa drei bis fünf Prozent der deutschen Verwaltungen als "Pionierverwaltungen" ein, die neue Wege gehen. "15 bis 20 Prozent sind Early Follower und warten auf Innovationen. Alle anderen Verwaltungen – fast 75 bis 80 Prozent – nennen wir wohlwollend Traditionalisten." Das sei auch heute in der Breite noch so, ein kultureller Wandel fehle, sagt Stember.


Podcast "Digital leben" live: 8. Oktober in HalleAm 8. Oktober sind wir mit "Digital leben" in Halle zu Gast und nehmen eine Folge mit Publikum auf. Der Titel: "Schule und Fake News – (k)ein Thema?" Zu Gast sind Expertinnen und Experten und ein Vertreter des Bildungsministeriums. Veranstaltung in Kooperation der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt, dem Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt.
Termin: 8. Oktober 2022, 16:30 Uhr, Café Koffij Leipziger Straße 70, 06108 Halle. Ohne Anmeldung.

Als jemand, der Verwaltungsmitarbeiter an der Hochschule Harz ausbildet, verfolgt Stember auch, wie sich seine Absolventen entwickeln und sagt: "Wir sehen sehr schön bei unseren Absolventen, dass sie hochmotiviert in ihren Job gehen und nach zwei, drei Jahren sind sie weitestgehend assimiliert." Wer in Verwaltungen etwas Neues anstoße, bekommen sofort zu spüren, dass das nicht gut sei.

Innovation der Verwaltung: keine Technologie, sondern Austausch

Unternehmen seien mit all dem aber oft auch nicht weiter, glaubt Riedel, die im Podcast eine Selbstverständlichkeit ausspricht: dass die Digitalisierung der Verwaltung nicht für die Verwaltung da ist, sondern für die Bürgerinnen und Bürger. Riedel glaubt, dass die Digitalisierung der Verwaltung ein Generationenprojekt sei, dessen Abschluss sie als heute 34-Jährige nicht mehr erlebe, "weil das ein ständiger Prozess sein wird."

Was Riedel Hoffnung gibt: Die Menschen in den Verwaltungen. "Die Mitarbeitenden wollen im 21. Jahrhundert auch einen angemessenen Arbeitsplatz haben. Die haben auch keine Lust mehr, irgendwie Excel-Listen auszudrucken und wieder abzutippen." Dafür hätten sie aber oft Lust, sich auszutauschen. Das hat sie zuletzt bei einem Besuch bei einer Verwaltung in Israel gesehen. Das Land wird immer wieder als gutes Beispiel für die digitale Verwaltung herangezogen. Aber das Beispiel, das Riedel gesehen hat, hat zunächst gar nichts mit Technologie zu tun. "Die Innovation bestand darin, Menschen aus allen möglichen Bereichen einen Tag in der Woche freizustellen und zusammenzubringen."

So würden Räume geschaffen, um miteinander zu reden, Prozesse zu überdenken, Erfahrung auszutauschen. "Denn teilweise reden wir auch viel zu schlecht über die Mitarbeitenden in den Verwaltungen." Dabei liege bei ihnen die Expertise.

"Wir müssen in Deutschland unbedingt bekannter machen, dass in Israel Innovationen der Verwaltung nichts mit Blockchain oder KI zu tun haben, sondern damit, einfach Räume zu schaffen, so wie in Bernburg einen Raum, wo Menschen aus Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürgern zusammenkommen können."

Meinung zum Thema

Mehr zum Thema: Digitales aus Sachsen-Anhalt

MDR (Marcel Roth)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 28. Juli 2022 | 05:30 Uhr

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