Collage aus fünf Fotos der Reihe Querschnitt:Kultur, Telegrafenstation, Kulturscheune Rotta, Kino Thale, Theater Stolberg, Werben.
Ohne Kultur wäre der ländliche Raum in Sachsen-Anhalt in vielerlei Hinsicht ärmer. Die MDR-Reihe Querschnitt: Kultur hat das gezeigt. Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Querschnitt: Kultur Fünf Erkenntnisse, wie Kultur den ländlichen Raum bereichert

30. Juli 2022, 17:14 Uhr

Fünf Tage lang haben zwei MDR-Reporter Kultur-Orte abseits des Mainstreams in Sachsen-Anhalt erkundet, um herauszufinden, welche Bedeutung diese Orte für den ländlichen Raum haben. Hier schildern die zwei Reporter ihre fünf wichtigsten Erkenntnisse ihrer Reise nach Stolberg, Thale, Neuwegersleben, Rotta und Werben.

Montagmorgen, 6:30 Uhr. Das Abenteuer Querschnitt: Kultur beginnt. Fünf Städtchen und Orte in Sachsen-Anhalt – fünf Mal pure Leidenschaft für Kultur. Stolberg, Thale, Neuwegersleben, Rotta und Werben: Das ist unsere Route für diese Reise durch Sachsen-Anhalt, die bewusst nicht ausgetreteten Pfaden folgt, sondern uns zu Geheimtipps führt.

Was wir, Florian Leue, MDR KULTUR, und Luca Deutschländer, MDR SACHSEN-ANHALT, in den nächsten fünf Tagen erleben, sind Begegnungen mit spannenden Menschen – mit leidenschaftlichen und inspirierenden Personen. Mit ganz viel Liebe für die Kultur.

Zeitraffer: Freitagabend, 20:30 Uhr. Das Projekt Querschnitt: Kultur ist Geschichte – die Eindrücke aber bleiben und mit ihnen fünf zentrale Erkenntnisse.

1. Erkenntnis: Es geht nur mit Herzblut und Leidenschaft

Es mag wie eine Binsenweisheit klingen, aber ohne Engagement und Leidenschaft würde vor allem im ländlichen Raum in Sachen Kultur sehr viel weniger funktionieren. Das haben die Menschen an allen fünf Orten bewiesen, die wir für MDR SACHSEN-ANHALT und MDR KULTUR seit Montag besucht haben. Werben etwa, die kleine Hansestadt an der Elbe: Gerade mal 1.000 Menschen leben hier – und sie engagieren sich in mehr als 20 (!) Vereinen.

Oder Thale: Da sitzt Manfred Walther im Kino Central Theater und sagt auf die Frage, was ihm Kino bedeute, mit Emotionen in der Stimme: "Kino ist mein Leben. Dafür lasse ich alles stehen." Völlig egal, dass das Kino von heute für den 72-Jährigen kaum noch etwas mit dem Erlebnis Kino vergangener Zeiten zu tun hat, als die Filme noch durch analoge Projektoren ratterten und nicht von einer Festplatte abgefahren wurden: Manfred Walther wird das Kino immer lieben.

Kino ist mein Leben. Dafür lasse ich alles stehen.

Manfred Walther Kino Central Theater Thale

Oder Henning Fuchs in Neuwegersleben in der Börde: Der interessierte sich zwar immer irgendwie für Optische Telegrafie – das kleine Museum Telegrafenstation Nr. 18 übernahm er aber erst, als sein Bruder starb. Dieser hatte über Jahre dafür gesorgt, die Ruine wieder in ihren Originalzustand zu versetzen. "Ich wollte das Herzblut aus meiner Familie weiterführen", sagt Henning Fuchs und beweist, dass ohne Herzblut, Verbundenheit und Leidenschaft gar nichts funktioniert.

2. Erkenntnis: Kultur hilft auch denen, die nicht hingehen

Das mag erst einmal seltsam klingen. Aber: Die besuchten Kulturorte beweisen genau das. Das Kino Central Theater in Thale reißt keine Rekorde bei den Besuchendenzahlen und wird das wohl auch in Zukunft nicht tun. Trotzdem: Dass es da ist, helfe in Thale allen, sagt Bürgermeister Maik Zedschack und spricht von einem "Schätzchen". Auch deshalb greift die Stadt Jahr für Jahr in die Kasse, um das Kino und dessen Charme längst vergangener Zeiten zu erhalten.

Es geht um die Daseinsvorsorge und die Grundausstattung, besonders im ländlichen Raum. Auch Werbens Bürgermeister Bernd Schulze weiß: Wenn die Touristen kommen und Campingplatz, Schwimmbad und das kleine Café an der Kirche nutzen, trägt es sich. Und hilft auch den Menschen in Werben, die glücklich sein können über so viel Infrastruktur in einem so kleinen Städtchen. Keine Selbstverständlichkeit.

3. Erkenntnis: Es geht um Orte der Begegnung

Was für ihn Kultur sei, wollten wir von Torsten Sielaff wissen. Sielaff betreibt mit seiner Frau Simone die Kulturscheune Gassmühle in Rotta bei Kemberg. Und bekamen eine Antwort, die fast schon philosophisch war. "Kultur sind in unserem zeitlichen Kontext befindliche Äußerungen der Menschen, die in dieser Gesellschaft leben", sagte Sielaff. Wichtiger Nachsatz: "Dazu gehört Kommunikation."

Wer ein paar Stunden an der Kulturscheune verbringt, weiß schnell, was Torsten Sielaff meint. Er und seine Frau haben hier einen Ort der Begegnung geschaffen, dessen Besonderheit es ist, dass Konzerte und Co. kostenlos sind. Um erstens niemanden auszuschließen und zweitens Menschen zusammenzubringen, die sich seit Jahren nicht gesehen haben. Das ist vor allem im ländlichen Raum, wo es diese Orte der Begegnung oft kaum noch gibt, ein Pfund.

Kultur sind Äußerungen der Menschen, die in dieser Gesellschaft leben.

Torsten Sielaff Kulturscheune Gassmühle Rotta

4. Erkenntnis: Kultur verbindet

Dass Kultur verbindet, beweisen Christiane und Mario Jantosch immer wieder – zuletzt neulich, als sie mit ihrem Sommertheater der Waldbühne in Stolberg im Südharz neues Leben einhauchten. Die Jantoschs, Betreiber des AndersWelt-Theater in Stolberg, hatten dafür alle auf der Bühne zusammengebracht: Kinder aus dem Kinderheim in Stolberg, Menschen mit Behinderungen aus den Evangelischen Stiftungen in Thale-Neinstedt. Lohn für die beiden Theatermacher: unendliche Dankbarkeit. "Wir sind über die Woche eine Familie geworden", sagte Mario Jantosch.

Genau darum geht es: ob den Sielaffs in der Kulturscheune, den Jantoschs im AndersWelt-Theater oder den Walthers in ihrem Kino in Thale: Sie wollen Menschen zusammenbringen und eine gute Zeit bieten. Das klingt so einfach und ist oft doch so schwer.

Wir sind eine Familie geworden.

Mario Jantosch AndersWelt-Theater Stolberg

5. Erkenntnis: Sachsen-Anhalt kann Kultur

Okay – wer sich ein bisschen auskennt zwischen Arendsee und Zeitz, für den ist diese Erkenntnis nicht neu. Auch für uns war sie das nicht. Trotzdem hat uns Querschnitt: Kultur eindrucksvoll gezeigt, dass es so viel Kultur abseits des Wegesrandes und damit oft auch abseits des Mainstreams zu entdecken gibt, dass man eigentlich nie fertig werden kann mit dem Entdecken – sondern sich immer mit offenen Augen und Ohren durch Sachsen-Anhalt bewegen sollte.

Kultur gibt es in Sachsen-Anhalt überall, bei weitem nicht nur in den großen Städten. Manchmal ist sie allerdings ein bisschen versteckt, zum Beispiel hinter den Fassaden der vielen hübsch hergerichteten Fachwerkhäuser in Werben. Auf Entdeckungstour gehen lohnt sich.

Hier finden Sie alle Berichte unserer Serie Querschnitt: Kultur:

MDR (Florian Leue, Luca Deutschländer)

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR – Das Radio | 29. Juli 2022 | 16:10 Uhr

1 Kommentar

Burgfalke am 30.07.2022

Es ist prima, wenn sich einzelne Personen für ihre Orte einbringen!

Wenn ich aber den Namen dieses bekannten Ortes wie Stolberg lese, da werde ich sofort daran erinnert: die Stadt Stolberg ist nach offiziellen Sprachgebrauch nur noch "OT" einer Gemeinde "Stadt Südharz". Wenn man da oberfächlich noch von Kultur spricht, dann hat man längst ausgeklammert, daß der Ortsname Stolberg selbst Kulturgut darstellt! Der kommt allerdings nur "zufällig" hier vor, ansonsten amtlich "verboten".
Schließlich gibt es "wichtigere" Dinge als die Bewahrung eines wichtigen Teils unseres Kulturgutes oder gar mit den unnötigen Folgen für die Betroffenen auseinanderzusetzen oder ehrlich darüber zu berichten!

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