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Nachwuchs fehltZu wenig neue Rettungsschwimmer in Sachsen-Anhalt

04. August 2022, 05:00 Uhr

Immer weniger Menschen lassen sich in Sachsen-Anhalt zu Rettungsschwimmern ausbilden. Steigenden Belastungen im Alltag machten es schwer, Menschen für das Ehrenamt zu begeistern, beklagt die Wasserwacht. Sie setzt vor allem auf Schüler und Studenten. Während die Vereine in den Städten meist noch genug Mitglieder haben, ist die Lage auf dem Land kritisch.

Am Dienstagabend herrscht im Freibad Glauzig ausgelassene Stimmung. Das Bad in dem kleinen Ort zwischen Halle und Köthen ist ein idyllischer Fleck abseits des Trubels. Das blaue Becken in der Mitte des Bades bietet genug Platz zum Schwimmen und Spielen.

Es gibt eine Metallrutsche für die Kinder, einen Volleyballplatz, eine Wiese und viele Sitzgelegenheiten, um sich mal auszuruhen. Marcel Wehlmann steht am Beckenrand. Er trägt ein T-Shirt, kurze Hosen, Badelatschen und Sonnenbrille, denn die darf bei einem echten Bademeister natürlich nicht fehlen.

Wehlmann ist seit 2006 Mitglied der Wasserwacht des Landesverbands des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und bildet gerade eine Gruppe Rettungsschwimmer aus. Gegen 18 Uhr trudeln die Teilnehmer langsam ein. Die kleine Gruppe besteht aus einer Schülerin, einem Studenten und zwei Erziehern. Nur die Schülerin macht die Ausbildung "aus Spaß", alle anderen, weil sie den Rettungsschwimmer für die Arbeit oder den Ferienjob brauchen.

Nachdem alle ihre Badesachen anhaben, heißt es erstmal: "200 Meter warm schwimmen". Bademeister Wehlmann beobachtet das Ganze vom Beckenrand und schaut immer mal auf das Klemmbrett in seiner linken Hand. Dann geht es los mit der ersten Übung: Schwimmen in Baumwollkleidung und zwar zwölf Bahnen, also 300 Meter, in maximal zwölf Minuten. Anschließend müssen die Sachen im Wasser ausgezogen werden, ohne dass man sich dabei irgendwo festhält. Alle schaffen es, sind aber sichtlich erschöpft. Die Gruppe macht gerade den Rettungsschwimmer bzw. das Rettungsschwimmabzeichen in Silber. Das braucht man, um die Badeaufsicht alleine übernehmen zu dürfen.

Rettungsschwimmabzeichen Bronze

Für das Schwimmabzeichen in Bronze muss man mindestens zwölf Jahre alt sein. Für die theoretische Prüfung muss man Kenntnisse zu verschiedenen Themenbereichen wie etwa Gefahren im und am Wasser oder die Hilfe bei Bade-, Boots- und Eisunfällen. Zu den praktischen Leistungen gehören etwa 200 Meter Schwimmen in höchstens 10 Minuten, davon jeweils 100 Meter in Bauch- und Rückenlage. Bei der Rückenlage dürfen allerdings nur die Beine zum Antrieb genutzt werden. Verschiedene Schleppgriffe und Transportschwimmen (Schieben oder Ziehen einer im Wasser liegenden Person) sind ebenfalls Teil der Ausbildung.

Rettungsschwimmabzeichen Silber

Das Schwimmabzeichen in Silber kann man ab 14 Jahren machen. Es besteht aus einer theoretischen und einer praktischen Prüfung. Zur Theorie gehören neben den Kenntnissen, die man auch für den Rettungsschwimmer in Bronze benötigt, auch ein Erste-Hilfe-Kurs, der nicht länger als zwei Jahre zurückliegen darf. Innerhalb der praktischen Prüfung muss man unter anderem nachweisen, dass man 400 Meter in höchstens 15 Minuten schwimmen kann. Außerdem muss man 25 Meter am Stück tauchen können und 50-Meter-Transportschwimmen in maximal 1 Minute und 30 Sekunden schaffen.

Rettungschwimmabzeichen Gold

Das Schwimmabzeichen in Gold kann jeder ab 16 Jahren machen, der seine Tauglichkeit ärztlich nachgewiesen hat. Außerdem muss man bereits das Schwimmabzeichen in Silber haben. Die theoretischen Vorgaben sind die gleichen wie beim Schwimmabzeichen Silber. In der Praxis wird aber mehr Leistung gefordert. So muss man etwa 300 Meter mit Kleidung in neun Minuten schaffen, nachweisen, dass man sich aus Umklammerungs- und Würgegriffen befreien und Rettungsgeräte richtig bedienen kann.

Zehn Einheiten sind laut Wehlmann für die Rettungsschwimmer-Ausbildung vorgesehen. "Wenn jemand mal elf braucht, ist das aber auch nicht schlimm", sagt er lächelnd. In seiner aktuellen Gruppe sind fast alle schon mit einem Großteil der Praxisaufgaben durch und werden wohl bald fertig sein.

Rettungsschwimmermangel und Bädersterben

Leider wird es immer schwieriger, genug neue Rettungsschwimmer auszubilden, erzählt der Landeschef der Wasserwacht Sachsen-Anhalt, Andreas Lehning. Dabei bräuchte es sie in der laufenden Freibadsaison von Mitte Mai bis Mitte September eigentlich ganz dringend.

Einer der Gründe: Es gibt nicht genug Schwimmbäder in Sachsen-Anhalt. Landesweit fehlen insgesamt 40 Hallen. Ein Problem, das die Politik lösen müsse. Die Hallen sind nämlich nicht nur für den Schwimmunterricht der Schulen, sondern auch für die Rettungsschwimmer wichtig, weil dort ihre Ausbildung stattfindet, erklärt Lehning. Allerdings nehme gleichzeitig das Interesse junger Leute ab, sich als ehrenamtlicher Rettungsschwimmer ausbilden zu lassen. Damit sich jemand nach der Schule bzw. neben dem Studium oder Arbeit nachmittags oder am Wochenende für sechs oder sieben Stunden an einen See oder ins Freibad setzt, wäre schon sehr viel Überzeugungsarbeit nötig.

Wasserwacht hofft auf Schüler und Studenten

Auf der anderen Seite sieht Lehning auch, dass Schule und Studium immer mehr Raum einnehmen, so dass viele gar nicht mehr die Zeit haben, nebenbei noch ein Ehrenamt als Rettungsschwimmer zu machen. Das sei momentan wohl das größte Problem.

Die Belastung in einer Schule und auch beim Studium ist ja enorm gewachsen. Da bleibt nicht mehr viel Zeit, dann noch ehrenamtlich als ausgebildeter Rettungsschwimmer seinen Dienst zu verrichten. Ich denke, das ist das größte Problem im Moment.

Andreas Lehning, Landeschef Wasserwacht

Trotzdem baue man weiter darauf, Schüler und Studenten als Rettungsschwimmer zu gewinnen. Bei den Berufstätigen wäre es noch schwerer, so Lehning. Zwar gebe es hier und da Firmen, die ihren Mitarbeitern das Ehrenamt ermöglichen, aber in den meisten Fällen sei das nicht zu vereinbaren. Früher wären generell mehr Menschen in den Vereinen gewesen, sodass eigentlich immer jemand Zeit gehabt hätte. Wenn es auch heute noch so viele Mitglieder geben würde, liefe es wahrscheinlich besser. Da ist sich Lehning sicher.

In den Städten geht es meist noch, aber auf dem Land fehlen so viele Rettungsschwimmer, dass nicht mehr alle Aufgaben erfüllt werden können. Bildrechte: imago images / Fotoagentur Nordlicht

Weil das Interesse an Freizeit- und Wassersport in den letzten Jahren zugenommen hätte, wäre es noch schwieriger geworden, alle Schwimmbäder zu besetzen, besonders auf dem Land. Die kleinen Kreiswasserwachten hätten einfach nicht so viele Helfer und könnten deshalb nicht alle Aufgaben erfüllen. In Städten wie Halle und Magdeburg mit sehr hohen Mitgliederzahlen gebe es dagegen weitaus weniger Probleme.

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MDR (Annekathrin Queck)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 04. August 2022 | 10:40 Uhr