IntegrationWarum Sachsen-Anhalt die Schwerbehinderten-Quote nicht erfüllt
Schwerbehinderte Menschen sind auf dem Jobmarkt benachteiligt. Ihnen soll eine Quote helfen: Arbeitgeber mit mindestens 20 Stellen müssen fünf Prozent davon mit Schwerbehinderten besetzen. Die Landesverwaltung von Sachsen-Anhalt erfüllt diese Quote seit Jahren nicht. Deshalb musste sie 2021 mehr als 550.000 Euro als Ausgleich zahlen. Warum gelingt es dem Land nicht, die Quote zu erfüllen?
- Das Land Sachsen-Anhalt verfehlt im öffentlichen Dienst die geforderte Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung.
- Der Behindertenverband findet, dass Betroffene zu schnell mit einer Rente abgefunden werden, anstatt sie zu fördern.
- Das Land verweist darauf, dass es auch immer weniger Bewerber mit Behinderung gebe.
"Wollen wir Inklusion üben?", fragt Marcus Graubner und hakt sich für den Weg zur nächsten Bank auf dem Magdeburger Domplatz unter. Seit seiner Geburt ist er spastisch gelähmt. Trotzdem – oder gerade deswegen – setzt sich Graubner seit 30 Jahren für die Belange von Menschen mit Behinderung ein. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Behindertenverbands ABiSA.
Sachsen-Anhalt verfehlt geforderte fünf Prozent
Gerade hatte er einen Termin beim Landtagspräsidenten. Dass Sachsen-Anhalt die vorgeschriebene Quote von fünf Prozent für die Beschäftigung von Schwerbehinderten nicht erfüllt, findet Graubner bitter: "Wir haben von Vorbildfunktion im öffentlichen Bereich gesprochen." Wie wolle man denn private Firmen zur Erfüllung ihrer Aufgaben bringen, wenn es das Land Sachsen-Anhalt im Bereich Arbeit nicht schaffe, fragt Graubner: "Dann sind wir auf einem schlechten Weg."
Der Fairness halber: Vier von neun Ministerien erfüllen die Quote und beschäftigen genügend Mitarbeiter mit schwerer Behinderung. Aber eben nicht alle. Damit ist das Land als Arbeitgeber nicht allein: Schwerbehinderte fanden zuletzt zwar immer häufiger in Jobs. Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit liegt die bundesweite Ist-Quote trotzdem nur bei 4,6 Prozent.
Opposition fordert aktiveres Werben um Beschäftigte mit Behinderung
Die Gründe dafür seien vielfältig, sagt Nicole Anger, Landtagsabgeordnete der Linken: "Zum einen haben wir Menschen mit Schwerbehinderung, die in Rente gegangen sind, zum anderen ist die Nachwuchsförderung nur durch die Benennung in Ausschreibungen, dass sie auch für Menschen mit Behinderung geeignet ist, beziehungsweise, dass sie bevorzugt werden, nicht ausreichend. Da muss viel aktiver etwas passieren."
Das bestätigt Marcus Graubner. Er stellt außerdem fest, dass Schwerbehinderten häufig zu früh und zu leichtfertig eine Rente ausgezahlt werde anstatt sie zu fördern und im Arbeitsmarkt zu halten.
Land: Weniger Bewerber als noch vor einigen Jahren
Auf Anfrage von MDR AKTUELL nennt das Sozialministerium von Sachsen-Anhalt noch einen weiteren Grund, warum das Land die Quote nicht erfüllt: "Es hat – auch im Bereich von Bewerberinnen und Bewerbern mit Behinderung – einen Wechsel vom Arbeitgeber-Arbeitsmarkt hin zum Arbeitnehmer-Arbeitsmarkt gegeben. Anders ausgedrückt: Auf eine ausgeschriebene Stelle gibt es nicht mehr so viele Bewerber wie noch vor einigen Jahren."
Man bemühe sich, Menschen mit Behinderung für die Stellen des Landes zu gewinnen. Zum Beispiel über Praktika und barrierefreie Arbeitsplätze. Außerdem gebe man die Jobangebote an die Arbeitsagentur weiter, damit sie potentielle Bewerber ansprechen könne.
Mut zur Bewerbung gefragt
Diese potentiellen Bewerber müssten aber auch den Mut aufbringen, sich zu melden, fügt Graubner vom Behindertenverband ABiSA an: "Da muss ich auch uns in die Pflicht nehmen, uns Menschen mit Behinderung: Wir trauen uns selbst nicht genug zu, dass man sich auf eine Stelle im öffentlichen Dienst bewirbt."
MDR AKTUELL RADIO