Hunderttausende Betroffene Glücksspielsucht: Letzter Ausweg Sperre

Hunderttausende Deutsche gelten als glücksspielsüchtig. Die Sucht kann ihr Leben ruinieren. Eine Möglichkeit zur Prävention ist die Spielersperre. Damit sind beispielsweise die Automaten in der Spielbank tabu. Doch die Sperre wird bislang nur von wenigen Betroffenen genutzt, haben Recherchen von MDR SACHSEN-ANHALT ergeben.

Eurojackpot-Aufsteller in einer Straße in Dresden, 2018
Glücksspiel kann süchtig machen (Symbolbild). Bildrechte: dpa

Wer seine Spielsucht nicht mehr unter Kontrolle hat, kann sich sperren lassen. Doch davon machen bislang bei Lottogesellschaften oder den Spielbanken nur wenige Betroffene Gebrauch. Das geht aus Zahlen hervor, die MDR SACHSEN-ANHALT exklusiv vorliegen.

Demnach sind derzeit bei den Merkur Spielbanken Sachsen-Anhalt 201 Spieler gesperrt: 99 in Leuna-Günthersdorf, 92 in Magdeburg und zehn in Halle. Bei Lotto Sachsen-Anhalt waren Ende 2018 61 Spieler gesperrt. In 13 Fällen wurde die Spielersperre durch das Unternehmen vollzogen, in 48 Fällen wurden die Kunden bereits durch andere Lottogesellschaften oder Spielbanken gesperrt.

Wie werden die Spieler gesperrt?

Sowohl Lotto als auch die drei Spielbanken Sachsen-Anhalts melden bei ihnen gesperrte Spieler an ein bundesweites Sperrsystem mit Namen OASIS. Genauso können Glücksspielveranstalter, die an das Sperrsystem angeschlossen sind, kontrollieren, ob Besucher anderswo gesperrt sind.

Zuständig für OASIS ist gemäß Glücksspielstaatsvertrag das Land Hessen. Es soll Spieler schützen und Glücksspielsucht bekämpfen. Nach den letzten verfügbaren Daten vom 30. Juni 2016 wurden mit OASIS deutschlandweit 32.989 Personen gesperrt. 30.410 Sperren hatten Spielbanken verhängt. 2.576 Mal waren Lottounternehmen verantwortlich.

Vor allem Männer krankhaft glücksspielsüchtig

Der aktuelle Bericht zur Glücksspielsucht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) kommt zum Schluss, dass 2017 bei 0,6 Prozent der Männer und 0,5 Prozent der Frauen ein problematisches Glücksspielverhalten vorliegt. Bei weiteren 0,6 Prozent der Männer sei es sogar pathologisch. Bei Frauen ist das Verhalten dagegen nur in 0,1 Prozent der Fälle krankhaft. Heißt im Klartext: Die schlimmsten Auswüchse von Glücksspielsucht sind fast nur bei Männern festzustellen. Zudem sind junge Männer zwischen 18 und 25 Jahren bei den Spielsüchtigen deutlich überrepräsentiert.

Hochgerechnet auf die 16- bis 70-jährige Bevölkerung in Deutschland kann für 2017 von ca. 326.000 problematisch (...) und ca. 180.000 wahrscheinlich pathologisch Glücksspielenden ausgegangen werden.

Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland BZgA-Forschungsbericht vom 15.2.2018

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung informiert auf ihrem Internetportal www.spielen-mit-verantwortung.de darüber, wie Glücksspielsucht entsteht und welche regionale Hilfsangebote es bei problematischem oder süchtigem Spielverhalten gibt. Zudem lässt sich auf dem BZgA-Internetportal www.check-dein-spiel.de ein Online-Selbsttest machen. Auch auf den Internetseiten von Lotto Sachsen-Anhalt und den Merkur Spielbanken Sachsen-Anhalt finden sich Hilfsangebote für Spielsüchtige. Während diese auf der Merkur-Internetseite unter dem Stichwort Prävention kaum übersehen werden können, muss man bei Lotto etwas länger suchen – und wird schließlich am Ende der Seite fündig – unter dem Stichwort Verantwortung. Könnte es nicht etwas transparenter zugehen?

Verantwortung kommt zum Schluss

Auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT heißt es dazu von Pressesprecherin Astrid Wessler: "Der Aufbau der Internetseite ist eine Unternehmensentscheidung. (...) Dem Bereich Verantwortung haben wir thematischen Raum in einer eigenen Rubrik gegeben. Uns ist die Information wichtig, trotzdem Lotto einer weitaus geringeren Gefährdungsstufe unterworfen ist als andere Angebote am Glücksspielmarkt. Lotto Sachsen-Anhalt informiert Lottopartner persönlich in regelmäßigen Schulungen zum Thema Prävention, ebenso veranstalten wir jährlich eine Themenwoche 'verantwortungsvoller Umgang mit dem Glücksspiel'. Wir transportieren das wichtige Thema stets auf verschiedenen Kanälen und Plattformen sowie auf all unseren Produkten."

Lotto schickt Mitarbeiter zur Schulung

Tatsächlich gehen aus dem neuesten "Responsible Gaming-Bericht" von Lotto Sachsen-Anhalt zahlreiche Aktivitäten hervor. MDR SACHSEN-ANHALT liegt der bislang unveröffentlichte zwölfseitige Bericht vor. Demnach besuchten 2017 und 2018 neben Lotto-Beschäftigten auch 851 Leiter und Mitarbeiter von Verkaufsstellen eine Grundschulung. Zudem nahmen rund 220 Verkaufsstellenleiter und -mitarbeiter am freiwilligen Seminar zum verantwortungsvollen Umgang mit dem Glücksspiel teil. Außerdem hätten Verstöße von Lotto-Partnern gegen den Jugendschutz Sanktionen zur Folge, heißt es in dem Bericht.

Mehrfache Verstöße führen zu einer befristeten Sperrung von Verkaufsstellen für den Verkauf sämtlicher Lottoprodukte bis hin zur Kündigung des Vertrags insgesamt.

Responsible Gaming-Bericht Lotto Sachsen-Anhalt 2017/18

Wessler verweist darauf, dass es bei Lotto Sachsen-Anhalt jährlich eine Aktionswoche zum verantwortungsvollen Umgang mit dem Glücksspiel gebe. "In dieser Woche weisen Plakate in allen Verkaufsstellen explizit auf verschiedenste Aspekte hin – wie z. B. Jugendschutz, Nicht-spielen-bis-zur-Sucht. Die Aktionswoche wird von Pressemitteilungen für alle Medien in Sachsen-Anhalt begleitet, sowie in den letzten drei Jahren auch von Interviews im Radio." Zudem nehme das Unternehmen regelmäßig an Foren zum Spielerschutz teil, zuletzt in diesem Monat bei der Universität Hohenheim. Nach Angaben von Lotto Sachsen-Anhalt werden pro Woche rund 594.000 Tipp- und Wettscheine sowie Lose gespielt. Im vergangenen Jahr machten die Spieleinsätze gut 191 Millionen Euro aus.

Milliardenumsätze mit Glücksspiel

Auch bei den Merkur Spielbanken Sachsen-Anhalt lassen die Spieler einiges an Geld zurück. Das Unternehmen gehört zur international agierenden Gauselmann Gruppe. Die machte 2017 laut Geschäftsbericht über 2,9 Milliarden Euro Umsatz, 16 Prozent mehr als im Vorjahr. In Sachsen-Anhalt wurden 2017 an den beiden Standorten Leuna-Günthersdorf und Magdeburg 100.000 Besucher gezählt, die Rede ist von einer "erfolgreichen Bilanz". Erst vor einigen Wochen wurde eine dritte Spielbank in Halle eröffnet. Es locken Automatenangebote und in Günthersdorf auch Roulette, Black Jack und Poker. Im Gauselmann-Geschäftsbericht heißt es, dass sich die Merkur Spielbanken Sachsen-Anhalt als erste europäische Spielbankgesellschaft der Zertifizierung durch die "Global Gaming Guidance Group (G4)" unterzogen habe.

"Der Zentralbereich Prävention wurde in den letzten Jahren konsequent ausgebaut und beschäftigt derzeit 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter," berichtet Mario Hoffmeister, der bei Gauselmann den Zentralbereich Kommunikation leitet. Auch er verweist auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT auf umfangreiche Schulungen zum Thema Prävention. 2017 seien über 13.000 Schulungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen durchgeführt worden. "

Das bedeutet, dass jeder Mitarbeiter im Schnitt über 4 Mal pro Jahr zu diesen Themen geschult bzw. sensibilisiert wird.

Mario Hoffmeister, Leiter Zentralbereich Kommunikation der Gauselmann AG

Um Gästen mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten zu helfen, habe die Unternehmensgruppe Gauselmann eine Datenbank mit rund 1.000 Adressen erstellt. Gäste könnten sich so über die Internetseite der Merkur Spielbanken öffentliche und gemeinnützige Beratungsstellen im Umkreis ihres Wohnortes anzeigen lassen.

Dutzende neue Sperren bei Spielbanken

Sowohl Lotto Sachsen-Anhalt als auch die Merkur Spielbanken haben auf ihren Internetseiten für Süchtige Anträge auf Spielersperre hinterlegt. Bei den Merkur Spielbanken Sachsen-Anhalt wurden 2017 insgesamt 56 Spieler neu gesperrt. 2018 waren es 69. In den ersten drei Monaten kamen insgesamt 27 neue Spielersperren hinzu: zwölf in Leuna, neun in Halle und sechs in Magdeburg. Von Lotto Sachsen-Anhalt hieß es, man habe 2017 und 2018 jeweils nur einen Spieler neu gesperrt.

Über den Autoren: Falko Wittig ist im Osten Deutschlands geboren. Dort lebt und arbeitet er auch heute gerne. Nach vielen Jahren beim Rundfunk Berlin-Brandenburg ist der Diplom-Journalist heute bei MDR SACHSEN-ANHALT im Einsatz. Dort arbeitet er in den Redaktionen von Radio, Fernsehen und Online und beschäftigt sich vor allem mit politischen und wirtschaftlichen Themen. Zu seinen Lieblingsorten in Sachsen-Anhalt zählen Wernigerode, dünn besiedelte Gebiete entlang der Elbe und im Jerichower Land sowie der Naturpark Dübener Heide.

Quelle: MDR/fw

Dieses Thema im Programm: SACHSEN-ANHALT HEUTE | 17. März 2019 | 19:00 Uhr

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