Sachsen-Anhalt Fast jede fünfte Turnhalle in schlechtem Zustand

05. Juni 2023, 05:02 Uhr

Sachsen-Anhalts Sportvereine erleben aktuell einen Mitgliederboom. Sporthallen sind jedoch in vielen Fällen bereits voll ausgelastet, jede fünfte überdies dringend sanierungsbedürftig. Der Landessportbund fordert noch mehr Initiative vom Land, um den Bedarf an Sportflächen dauerhaft zu sichern.

In Sachsen-Anhalt sind laut Landessportbund (LSB) 80 Turnhallen so marode, dass ein Sportbetrieb dort entweder gar nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich ist. Hinzu kommen weitere zirka 146, die zwar aktuell noch vollständig nutzbar sind, aber zeitnah saniert werden müssten, damit das auch so bleibt. Unterm Strich besteht also bei fast jeder fünften Halle im Land Handlungsbedarf. Das ist das Ergebnis einer Erhebung zum Bauzustand aller 1.219 Sporthallen, die von LSB-Mitgliedsvereinen genutzt werden. Das dürfte zugleich auch dem Löwenanteil aller Hallen im Land entsprechen.

Alte Turnhallen: Investitionsstau könnte die Lage verschärfen

Vorstandsvorsitzender LSB Sachsen-Anhalt: Tobias Knoch
Tobias Knoch ist Vorstandsvorsitzender des Landessportbunds Sachsen-Anhalt. Bildrechte: LSB Sachen-Anhalt

Im Großen und Ganzen blickt der LSB-Vorstandsvorsitzende Tobias Knoch trotzdem noch entspannt auf die Situation in Sachsen-Anhalt. "Insgesamt ist die Sportstätteninfrastruktur solide", sagte er MDR SACHSEN-ANHALT. Die Probleme würden jedoch mit steigendem Alter der Sportstätten zunehmen. Knoch spricht von einem hohem Sanierungsbedarf und Investitionsstau. "Ohne konsequente Investitionen werden in den kommenden Jahren noch mehr Hallen unbenutzbar."

Ohne konsequente Investitionen werden in den kommenden Jahren noch mehr Hallen unbenutzbar.

Tobias Knoch Landessportbund Sachsen-Anhalt

Oft sei dabei gar nicht einmal die gesamte Baustruktur betroffen, sondern nur einzelne, aber entscheidende Komponenten. "Wenn zum Beispiel der Hallenboden stark porös ist und somit ein unfallfreier Sportbetrieb nicht mehr möglich ist, ist die ganze Sportstätte nicht mehr ohne weiteres nutzbar", erklärt Knoch.

Steigende Mitgliederzahlen treffen auf knappe Hallen-Kapazitäten

Schon jetzt sind die verfügbaren Hallen stark ausgelastet. Die LSB-Vereine zählen Knoch zufolge 360.000 Mitglieder. Das seien mehr als vor der Corona-Pandemie und ganze 12.000 mehr als im Vorjahr. Bei aller Freude des Verbands darüber, würden mit dem Zuwachs auch die strukturellen Probleme stärker zutage treten. Es fehle einerseits an Trainern und andererseits an ausreichend Kapazitäten in den Sportstätten, umreißt der LSB-Vorsitzende. "Wir sehen, die Menschen wollen Sport treiben. Da ist es schade, wenn keine neuen Gruppen zustande kommen können, weil die Hallen ausgebucht sind." In dieser Situation sei es entscheidend, marode Hallen wieder nutzbar zu machen und die anderen konsequent instandzuhalten, bevor man über Neubauten spreche.

Leider fehlt die geschlossene Rückendeckung seitens der Politik.

Tobias Knoch Landessportbund Sachsen-Anhalt

Der Großteil der Sporthallen gehört den Kommunen. Deren finanzielle Lage ist angesichts horrender Baupreise sowie der Energiekrise allerdings oft angespannt. Zwar gebe es Förderprogramme für Sportstätten vom Land, doch schon die dafür notwendigen Eigenmittel-Anteile seien von vielen Kreisen und Städten nicht zu stemmen, weiß Knoch. "Darüber hinaus ist problematisch, dass es keine einheitliche und flächendeckende Sportstättenstrategie im Land gibt."

Landessportbund fordert Sportstättenentwicklungsplanung

Der LSB erarbeite deshalb aktuell die Grundlagen für eine Sportstättenentwicklungsplanung, damit das Land künftig Probleme bereits frühzeitig erkennen könne, statt erst hinterher zu reagieren. "Leider fehlt noch die geschlossene Rückendeckung seitens der Politik für dieses Vorhaben", beklagt Knoch.

Sachsen-Anhalts Ministerium für Inneres und Sport plant beim Thema Turnhallen nach eigenen Angaben aktuell keine zusätzlichen Maßnahmen, die über bestehende Förderprogramme hinausgehen. Das Ministerium setze sich jedoch dafür ein, dass für die Förderprogramme zum Sportstättenbau ausreichende Mittel in den Landeshaushalt eingestellt werden, versprach Sprecherin Patricia Blei auf MDR-Nachfrage. "Dieses Jahr sollen für über 100 Vorhaben insgesamt 15,2 Mio. Euro bewilligt werden", kündigte sie an. In der Summe seien Projekte bis ins Jahr 2025 berücksichtigt. Ein Fokus der Landesförderung liege auch weiter auf der Sanierung der Sportstätten, um die vorhandene Infrastruktur erhalten und verbessern zu können.

Bei der Frage, wie das Ministerium den Zustand der Sporthallen insgesamt beurteilt, verweist die Behörde an den Landessportbund zurück. Das Land wolle die Erkenntnisse des LSB zum Bauzustand der Sportstätten nutzen, um notwendige Fördermaßnahmen abzuleiten, so Blei. Die genauen Ergebnisse würden in diesem Jahr erwartet und flössen in den "Sportatlas Sachsen-Anhalt" ein, den das Land beim LSB in Auftrag gegeben habe.

112 Förderanträge für das Jahr 2023

Sieben Millionen Euro liegen 2023 im Landesprogramm Sportstättenbau für sanierungsbedürftige Sporthallen bereit. 112 Förderanträge von Kommunen (16) und Vereinen (96) sind beim Landesverwaltungsamt nach eigenen Angaben bislang eingegangen. Bewilligt werden konnten laut Sprecherin Denise Vopel allerdings erst sieben, "da die Haushaltsmittel erst seit Mitte Mai zur Verfügung stehen". Die meisten Anträge kommen Vopel zufolge aus Halle. Mit der Schulbauförderung, EU-Programmen und der Städtebauförderung stünden weitere Töpfe zur Verfügung.

Dass Projekte trotz Fördermöglichkeiten mitunter dennoch wegen steigender Kosten ins Stocken geraten, kann das Landesverwaltungsamt bestätigen. "Einige Maßnahmen insbesondere aus dem Jahr 2022 konnten nicht abgeschlossen werden und werden daher in das nächste Haushaltsjahr übertragen", so Vopel. Dazu müssen die Kommunen und Vereine allerdings erst einmal in der Lage sein, selbst mehr Geld aufzubringen. Denn vom Fördermittelgeber werden die Kostensteigerungen nur anteilig mitgetragen.

Schulsporthallen überwiegend gut in Schuss

Verhältnismäßig gut scheint der Zustand der Schulsporthallen im Land zu sein. Zu dieser Einschätzung kommt die Unfallkasse Sachsen-Anhalt, die regelmäßig die Sicherheit von Schulgebäuden überprüft. So sei für die vergangenen Jahre festzustellen, "dass sich durch Sanierung und Neubau von Schulsporthallen die Voraussetzungen für einen verletzungsfreien und lehrplankonformen Sportunterricht gegenüber der Nachwendezeit erheblich verbessert haben", sagte Sprecher Uwe Köppen MDR SACHSEN-ANHALT auf Nachfrage. Der überwiegende Teil der in den Schulen besichtigten Sporthallen sei in einem guten Zustand und entspreche dem Stand der Technik.

Auffälligkeiten gebe es dennoch immer wieder einmal, so Köppen – etwa bei der Akustik in den Hallen, der Hygiene in Sanitärbereichen, unebenen Fußböden oder fehlendem Prallschutz. Doch das führe nicht zur Einstellung des Sportunterrichts, sondern je nach Mangel eventuell zu gewissen Beschränkungen bei Lauf- oder Ballspielen.

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MDR (Daniel Salpius)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 05. Juni 2023 | 19:00 Uhr

7 Kommentare

Erichs Rache am 05.06.2023

@pwsksk

Sehen Sie ... und GENAU DAS tröstet mich NICHT!

"Soziale Marktwirtschaft" war und ist BESTANDTEIL des Einheitsvertrages mit der Ex-DDR.

"Soziale Marktwirtschaft" heißt einfach nur HERSTELLUNG von CHANCENGLEICHHEIT für jederman, egal ob Mann, Frau oder Kind) ...in den Politikfeldern Bildung, Ausbildung, Beruf etc)

"Soziale Marktwirtschaft" heißt daher NICHT GLEICHMACHEREI!
"Soziale Marktwirtschaft" heißt auch NICHT Gendern!
"Soziale Marktwirtschaft" heißt auch NICHT Quote!

pwsksk am 05.06.2023

Trösten sie sich, Erichs R.
Wir Ossis haben erfahren müssen, dass mit Sprechblasen Politik gemacht wird, dass mit Unwahrheiten Menschen niedergemacht und mit dem Geld anderer "gewirtschaftet" wird. Den Begriff "Soziale Marktwirtschaft" gibt's nicht mehr.

Steffen 1978 am 05.06.2023

Man sehe sich die Turnhalle in Gerbstedt an seit über 30 Jahren wurde hier kein Cent investiert nicht einmal Geld für die nötigste Instandhaltung wird hier durch die Stadt ausgegeben Kinder halten ihren Sportunterricht in einer Ruine ab Bürgermeister Döring und Stadträte interessiert das überhaupt nicht sind ja nicht ihre Kinder. .. beschämend

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