Förderprogramm endet Zukunft von über 200 Sprach-Kitas bleibt unsicher

18. August 2022, 17:56 Uhr

Kindern bei der sprachlichen Entwicklung helfen: Das leistet das Förderprogramm für Sprach-Kitas des Bundes. Ende 2022 läuft es aus, eine Nachfolgeregelung gibt es nicht. Bund und Länder sehen den jeweils anderen in der Verantwortung für eine Fortführung. Die Linke im Landtag von Sachsen-Anhalt drängt nun auf eine schnelle Entscheidung.

Thomas Vorreyer
Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Die Ankündigung wurde von erheblichen Protest begleitet: Anfang Juli gab das Bundesfamilienministerium bekannt, dass das bundesweite Förderprogramm für Sprach-Kitas zum Ende des Jahres auslaufen soll. Allein in Sachsen-Anhalt wären davon mehr als 200 Kitas betroffen. An ihnen helfen derzeit zusätzliche pädagogische Fachkräfte Kindern mit Sprachproblemen.

Nun zeigen Bund und Länder auf den jeweils den anderen, wenn es um die Fortführung der Sprachförderung geht. Doch fast vier Monate vor Ende des bisherigen Programms gibt es noch keinen neuen Stand. Das geht aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Nicole Anger hervor, die MDR SACHSEN-ANHALT vorliegt.

Warum die Sprach-Kitas so wichtig sind, erklären zwei Sprachfachberaterinnen einer Kindertagesstätte in Altenburg im MDR THÜRINGEN JOURNAL:

Noch keine Pläne für Sprachförderung

Zwar setze man sich gemeinsam mit allen anderen Bundesländern "entschieden für eine dauerhafte Fortführung des Bundesprogramms" ein, schreibt das Sozialministerium. Dieser Prozess sei aber noch nicht abgeschlossen. Auch sei denkbar, dass ein von SPD, Grünen und FDP geplantes Qualitätsentwicklungsgesetz die Sprachförderung wieder aufnimmt. Für dieses Gesetz gibt es aber noch gar keinen Entwurf.

Offen bleibt die Frage, ob im Notfall das Land die weitere Förderung übernimmt. Das Sozialministerium antwortet dazu nur knapp: "Die Landesregierung strebt an, die im Rahmen des Bundesprogramms aufgebauten Kompetenzen zu erhalten." 

Bis dahin könnten zumindest Kitas, die etwa "durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie und der Ukraine-Krise" besonders betroffen seien, auch eine Förderung gemäß des Landeskinderfördergesetzes betragen.

Linke: Land soll sich darauf einstellen, Förderung zu übernehmen

Nicole Anger (Die Linke)
Die Linken-Landtagsabgeordnete Nicole Anger kritisiert das zögerliche Handeln der Landesregierung. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Kahnert

Nicole Anger drängt dennoch auf schnelle Vorsorge. "Die Landesregierung wartet einmal mehr auf den Bund und unternimmt selbst nichts", sagte Anger MDR SACHSEN-ANHALT. Ein reiner Appell an den Bund reiche nicht aus. Vielmehr sollte das Land sich bereits jetzt darauf einstellen, die Förderung zu übernehmen.

Anger kritisiert die zögerliche Haltung auch vor dem Hintergrund, dass bei Schuleingangsuntersuchungen regelmäßig festgestellt wird, dass etwas weniger als ein Viertel aller untersuchten Kinder Probleme bei der Artikulation haben. "Sprachfachkräfte sind ein Gewinn für die Kitas", schlussfolgert Anger.

Kritik am Ende des Förderprogramms

In der Vergangenheit hatten sich unter anderem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) der Pädagogen-Verband Bildung und Erziehung (VBE) gegen die Entscheidung des Bundes gewandt. Von der AWO Sachsen-Anhalt hieß es, ohne das Programm würden sich "sprachliche Entwicklungs- und damit Bildungschancen vieler Kinder verschlechtern". Die AWO ist neben den Kommunen einer der größten Träger im Land.

Kritik kam auch von der CDU-Landtagsfraktion. Deren sozialpolitischer Sprecher, Tobias Krull, sprach von einem "verheerenden Signal". Die Bundesregierung versuche von ihrer Mitverantwortung für die Kinderförderung abzulenken, so Krull.

Bund: Länder sollen eigene Programme auflegen

Das Bundesfamilienministerium hatte zuvor erklärt, dass das 2016 aufgelegte Förderprogramm als befristetes Modellprojekt ausgelegt gewesen sei. Zuständig für die Kitas seien letztendlich die Länder, sagte eine Ministeriumssprecherin der dpa. Es sei deshalb wichtig, "dass alle Länder die Bedeutung der sprachlichen Bildung in den Kitas erkennen, sie in ihren Landesgesetzen verankern und eigene Landesprogramme auflegen".

Derzeit arbeitet die Landesregierung an einem Haushaltsentwurf für das Jahr 2023. Finanzminister Michael Richter (CDU) hat allerdings bereits angekündigt, dass dessen Gesamtvolumen nicht weiter wachsen solle. Gestiegene Energiepreise belasten zudem die Finanzplanung.

Aktuell sind 226 Kitas in Sachsen-Anhalt eine Sprach-Kita: Sie erhalten eine besondere Förderung. Die meisten davon fanden sich im Harzkreis (33), in Magdeburg und Halle (je 30) und im Salzlandkreis (25). Im Altmarkkreis Salzwedel gibt es seit Jahren hingegen nur eine einzige Sprachkita. In der Regel wird eine halbe Stelle gefördert, in wenigen Ausnahmen zwei halbe beziehungsweise eine ganze Stelle. Insgesamt werden so Fördermittel von 6,4 Millionen Euro eingesetzt. 

MDR (Thomas Vorreyer)

3 Kommentare

dieja am 19.08.2022

Es wird viel Geld für Waffenlieferungen an die Ukraine ausgegeben, obwohl jeder weiß, dass es in diesem Krieg keine Gewinner geben wird. Geld für die Bildung der Kinder, eigentlich die Zukunft unseres Landes ist angeblich nicht vorhanden. Bei der derzeitigen Politik bleibt vom Land der Dichter und Denker nicht viel übrig. Mit Heinegesprochen, denk ich an Deutschland in der Nacht, so bin ich um den Schlaf gebracht. Unsere Politiker schlafen aber gut.

Sozialberuflerin am 19.08.2022

Dem ist kaum was hinzuzufügen, weil es mir die Sprache verschlägt....
Außer:

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/einschulung-corona-schuleingangsuntersuchung-defizite100.html

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/bildungsmonitor-sachsen-platz-eins-100.html

Es ist ein Desaster und man könnte mittlerweile den Eindruck gewinnen, dass Sachsen-Anhaltiner für Forschungszwecke her halten müssen:
"wie verhält sich der gemeine Pöbel ohne Bildung, mit Hinblick auf politische Entscheidungen?"
Oder so ähnlich

Basil Disco am 19.08.2022

Kinder bei der sprachlichen Entwicklung helfen.

Scheint ja bitter nötig zu sein.

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