Ein Feuerwehrmann, der die App von OroraTech und Rosenbauer nutzt, um die Ausbreitung von Waldbränden zu erkennen.
Der Waldbrand im Jahr 2018 im Landkreis Stendal hat die Feuerwehren vor große Probleme gestellt. (Symbolbild) Bildrechte: Rosenbauer, OroraTech

Mangelnde Vorbereitung Fünf Jahre nach Waldbrand in Stendal: Weiter Nachholbedarf

01. Juni 2023, 18:37 Uhr

Fünf Jahre ist es auf den Tag genau her, dass ein eigentlich kleiner Waldbrand im Norden Sachsen-Anhalts sich zum tagelangen Großbrand auswuchs. Gleichzeitig zeigte der Großeinsatz bei Bömenzien: Bei Waldbränden hinken die Feuerwehren im Land bei Technik und Ausbildung hinterher.

1. Juni 2018, nachmittags kurz nach 16 Uhr: Ein Blitzschlag setzt ein Waldstück bei Bömenzien im Norden des Landkreises Stendal in Brand. Das Feuer frisst sich durch 30.000 Quadratmeter Wald. Der ist zuvor zwei Wochen lang von großer Hitze noch mehr ausgetrocknet als ohnehin schon. Mehr als 300 Feuerwehrleute sind tagelang im Einsatz. Die örtlichen Feuerwehren bekommen dabei Unterstützung aus der westlichen Altmark, aus Brandenburg, sogar aus dem niedersächsischen Gartow.

Nach dem ersten Löschen wähnt man sich auf der sicheren Seite. Seehausens Verbandsgemeindebürgermeister Rüdiger Kloth ist damals selbst als Feuerwehrmann mit im Einsatz, heute ist er Verbandsgemeindebürgermeister in Seehausen, und erinnert sich: "Der Waldbrand oberirdisch war relativ schnell gelöscht. Problematisch war allerdings, dass diese dicke Humusschicht, bis zu einem halben Meter stark, unterirdisch brannte."

Glutnester sorgen für Großeinsatz

20 Stunden nach dem Löschen des ersten Feuers beginnt der schwierige Teil des Einsatzes: Die Glutnester flammen auf, setzen den Wald erneut in Brand. Mit ihren herkömmlichen Methoden kommen die Feuerwehrleute nicht mehr dagegen an. Die Einsatzleitung ahnt: Das könnte böse enden, weiß noch Rüdiger Kloth. "Wir hatten dort 1975 auf westdeutscher Seite einen riesigen Waldbrand. Ich glaube, in Deutschland einzigartig. Sogar mit Todesopfern, wenn ich mich recht erinnere. Und da war zu befürchten in dem trockenen Jahr 2018: Wenn dieser Brand nicht unter Kontrolle zu kriegen ist, dann könnten durchaus mehrere Tausend Hektar Wald betroffen sein mit den entsprechenden Auswirkungen."

Bürgermeister und Einsatzleitung entscheiden sich dafür, richtig schwere Technik zu Hilfe zu holen: Die Seehäuser Firma Dibuka mit ihren privaten Lösch- und Bergepanzern. Die blauweißen Monstren pflügen den Waldboden um mit ihren Ketten und Werkzeugen, legen so die Glutnester frei. Dann können die Feuerwehrleute diese löschen. Aus einem 48-Stunden-Einsatz wird so einer über eine Woche. Der Waldbrand bei Bömenzien zeigt, wo es Nachholbedarf gibt bei den Feuerwehren – bei Technik und Ausbildung.

Löschwasser und Technik fehlen

Verbandsgemeindebürgermeister Rüdiger Kloth hat hautnah miterlebt, dass die bisherigen Löschbrunnen zu flach und vor allem zu alt sind. "Ich bediente meine Tragkraftspritze und hab also stundenlang die Feuerwehrlöschfahrzeuge mit Wasser versorgt, also Tanklöschfahrzeuge befüllt. Bis dann irgendwann nach einigen Stunden in der Nähe des Brandherdes der Brunnen versiegte, weil er eben schon uralt ist, und ich dann umzog in die Ortschaft Drösede und dort weiter die Tanklöschfahrzeuge mit Wasser befüllt habe."

Mehrfach hat die Kommune nach dem Bömenziener Waldbrand und dem bei Seehausen kurz darauf Fördermittelanträge gestellt. Das Bohren von Tiefbrunnen ist teuer. Doch in diesem Jahr liegt den Seehäusern die Zusage vor. Nun sollen bis Jahresende neun neue Löschbrunnen in Waldgebieten gebohrt werden – an strategisch günstigen Stellen, "damit wir eine wesentlich günstigere Löschwasserversorgung haben, als es heute der Fall ist", sagt der Bürgermeister.

Land investiert in Löschfahrzeuge und Brunnen

Das Land hat nach den Erfahrungen der letzten Waldbrände 14 Löschfahrzeuge, ausgerüstet speziell für Waldbrand-Einsätze, angeschafft. Die letzten wurden im Mai 2022 ausgeliefert, heißt es aus dem Innenministerium. Jeder Landkreis in Sachsen-Anhalt und jede kreisfreie Stadt hat ein Fahrzeug bekommen. Außerdem reicht das Land europäische Fördermittel weiter: 1,9 Millionen Euro fließen in diesem Jahr für den Bau von Zisternen, Löschwasserteichen und Löschbrunnen. Von diesem Programm profitiert auch Seehausen.

Kai-Uwe Lohse, der Chef des Landesfeuerwehrverbandes, sagt dazu, das würde sicher nicht ausreichen. Aber man sehe zumindest, dass die Erkenntnis gereift ist, "dass ohne Wasser beim Waldbrand nicht viel geht". Mittlerweile würden die örtlichen Wehren bestimmte landwirtschaftliche Unternehmen in ihre Einsatzpläne mit einbeziehen, sagte Lohse MDR SACHSEN-ANHALT. Die Bauern hielten aus eigenem Interesse mehr und mehr Löschwasser in alten Tanks vor und würden die Feuerwehren unterstützen.

Nachholbedarf: Ausbildung junger Kameraden

Lohse sieht auch Nachholbedarf in der Ausbildung der Feuerwehrleute. Auf dieses Spezialwissen habe man zu lange nicht geachtet, sagte Lohse MDR SACHSEN-ANHALT. In den letzten Jahren seien viele junge Feuerwehrleute dazu gekommen. "Wir werden insbesondere bei der Ausbildung nachschärfen müssen. Aber auch das Sammeln von Erfahrungen in realen Einsätzen ist eine ganz wichtige Sache. Waldbrand ist jetzt nicht unser Kerngeschäft und gehört nicht zu den wichtigsten Aufgaben, aber es ereilt uns saisonal jedes Jahr wieder, und wir müssen daran arbeiten."

So arbeitet der Verband für die Ausbildung der Waldbrandbekämpfer mit italienischen Firefightern zusammen. Die gäben ihre Erfahrungen auch an Feuerwehrleute in Sachsen-Anhalt weiter.

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MDR (Katharina Häckl, Hannes Leonard)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 01. Juni 2023 | 06:30 Uhr

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