Gefechtsübungszentrum Heer bei Letzlingen Proteste gegen die Bundeswehr in der Altmark – wieder einmal
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16. September 2020, 17:36 Uhr
Erneut wollen Friedensaktivisten gegen das Gefechtsübungszentrum der Bundeswehr in der Colbitz-Letzlinger Heide protestieren. Bis Montag ist ein "Friedenscamp" geplant. In der Altmark selbst sind viele Menschen allerdings überzeugt, dass der Bundeswehr-Standort eine Bereicherung ist. MDR SACHSEN-ANHALT wirft einen Blick auf beide Seiten eines lange schwelenden Konflikts.
Es ist wie so oft im Leben: Das Gute hat eine Kehrseite. In der Altmark wissen sie das zu gut. Seit fast 30 Jahren ist die Bundeswehr in der Colbitz-Letzlinger Heide verwurzelt – fast ebenso lange gibt es Proteste gegen sie, mitunter wohl auch gewaltsam. Im Jahr 2013 der traurige Höhepunkt: Ein Brandanschlag auf die Kaserne in Havelberg verursachte einen Millionenschaden. Laster, Spezialfahrzeuge und Radpanzer gingen in Flammen auf. Die Behörden ermittelten auch gegen die Friedensaktivisten. Die wiesen jede Schuld von sich. Über den heutigen Stand der Ermittlungen hält das Landeskriminalamt sich auf Anfrage bedeckt.
Viele Menschen in der Altmark können über solche Meldungen nur den Kopf schütteln. Für sie ist der Bundeswehr-Standort kein Grund für Proteste, im Gegenteil: Die dünn besiedelte Gegend freut sich über die Kaufkraft der Soldaten. Und sie profitiert davon, dass die Bundeswehr regelmäßig baut – seit 2012 etwa die Übungsstadt Schnöggersburg. Es seien in den vergangenen Jahren viele Aufträge an kleine und mittelständische Firmen in der Gegend gegangen, sagte beim Richtfest von Schnöggersburg ein Handwerker gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung. "Das bringt Aufschwung in die Gegend." Den braucht die Altmark dringend. Dazu kommt: Das Gefechtsübungszentrum Heer, kurz GÜZ, gilt mit zahlreichen zivilen Beschäftigten als einer der größten Arbeitgeber in der Region.
Friedensaktivisten wollen die Bundeswehr am liebsten abschaffen
Dass Aktivisten dennoch gegen die Bundeswehr demonstrieren, dass sie fordern, die Truppe ganz abzuschaffen – das hat Tradition. Seit 1993 haben Aktivisten der Bürgerinitiative "Offene Heide" nach eigenen Angaben mehr als 300 "Friedenswege" organisiert. Auf Mahnwachen folgten Kundgebungen, immer mit dem Ruf nach einer zivilen Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide. Vor einigen Jahren bekam die Bürgerinitiative für ihren unermüdlichen Protest den Aachener Friedenspreis. Man werde sich niemals an Kriege gewöhnen, sagen Aktivisten der Initiative.
Deshalb wollen auch sie dabei sein, wenn in dieser Woche wieder protestiert wird. Das Ziel auch dieses Mal: das Gefechtsübungszentrum Heer in Letzlingen bei Gardelegen.
Aktivisten planen Friedenscamp gegen das GÜZ
Vom niedersächsischen Wendland aus wollen Friedensaktivisten von Mittwoch und bis Anfang kommender Woche mit mehreren Aktionen die Abschaffung des Gefechtsübungszentrums Heer (GÜZ) in der Altmark verlangen. Wie das Bündnis vorab mitteilte, sind dafür mehrere "gewaltfreie Aktionen des zivilen Ungehorsams" geplant.
Die Aktivisten wollen erreichen, dass die Colbitz-Letzlinger Heide ausschließlich zivil genutzt wird. Zu den Organisatoren zählen das "Junge Netzwerk für politische Aktionen", die Bürgerinitiative "Offene Heide" und etliche Einzelpersonen.
Doch Protest hin oder her: Die Bundeswehr ist immer noch da. Und sie baut. Die Übungsstadt auf dem Truppenübungsplatz Altmark ist so gut wie fertig, lediglich ein paar Feinarbeiten müssen noch erledigt werden. Sechs Quadratkilometer groß, 16 Kilometer Straßennetz, 550 Gebäude, eine Kanalisation, ein U-Bahn-Schacht – alles gebaut, um Soldaten auf Kriegseinsätze im Ausland vorzubereiten. Was als Aufschwung für die Gegend dient, empfinden Kritiker der Truppe als Provokation.
Bundeswehr: Kämpfe kaum noch in der freien Fläche
Die Bundeswehr argumentiert, es brauche Übungsstädte wie Schnöggersburg dringender denn je. Gekämpft, so das Argument, wird in der Zukunft kaum noch in der freien Fläche – sondern in bebauten Gebieten. Das müsse geübt werden. Und so hat sich die Bundeswehr eine Übungsstadt der Superlative in die beschauliche Altmark gebaut – mit Platz für Übungen mit bis zu 1.500 Soldaten.
Schnöggersburg ist allerdings nur ein Teil des des 23.000 Hektar großen Gefechtsübungszentrums Heer. Das ist seit Mitte der 1990er bei Gardelegen angesiedelt – einer Stadt, in der das Militär seit dem 18. Jahrhundert beheimatet ist. Seit den 1940ern wird der Platz in der Colbitz-Letzlinger Heide durchgehend militärisch genutzt – erst von den Nazis, später als größter Truppenübungsplatz in der DDR, seit Mitte der 1990er von der Bundeswehr. Nach der Wende hatte es kurz Überlegungen gegeben, die Colbitz-Letzlinger Heide nicht mehr militärisch zu nutzen. Der sogenannte Heidekompromiss, geschlossen vom Land und der Bundesrepublik, machte diese Überlegungen schnell zunichte.
Das Gefechtsübungszentrum Heer in der Colbitz-Letzlinger-Heide
Das Gefechtsübungszentrum bei Letzlingen wurde ab 1995 gebaut. Zwei Jahre später, 1997, begann dort die Ausbildung von Soldaten. Die Anlage gilt als einer der modernsten Truppenübungsplätze der Welt. Auf ihm trainieren nicht nur Soldaten der Bundeswehr, sondern auch solche anderer NATO-Staaten. Dabei sollen vor allem Landstreitkräfte auf Gefechtsübungen vorbereitet werden, die im GÜZ regelmäßig trainiert werden. Dank moderner Technik können die Übungen in der Zentrale verfolgt werden. Ausbilder etwa können laut Bundeswehr die genaue Position und den fiktiven Verwundungsgrad einzelner Soldaten überwachen.
Für Menschen, die in der Region aufgewachsen sind, gehört die Bundeswehr ohnehin dazu. Viele kennen das gar nicht anders, das zeigen Berichte von Einwohnern immer wieder. Gardelegens Bürgermeisterin Mandy Schumacher (SPD) sagte vor einigen Jahren, natürlich wünsche auch sie sich, dass es einen Ort wie das GÜZ nicht brauche. "Aber solange es eine solche Welt nicht gibt, bin ich stolz, dass das Gefechtsübungszentrum hier ist."
Über den Autor Luca Deutschländer arbeitet seit Januar 2016 bei MDR SACHSEN-ANHALT – in der Online-Redaktion und im Hörfunk. Seine Schwerpunkte sind Themen aus Politik und Gesellschaft. Bevor er zu MDR SACHSEN-ANHALT kam, hat der gebürtige Hesse bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeine in Kassel gearbeitet. Während des Journalistik-Studiums in Magdeburg Praktika bei dpa, Hessischem Rundfunk, Süddeutsche.de und dem Kindermagazin "Dein Spiegel". Seine Lieblingsorte in Sachsen-Anhalt sind das Schleinufer in Magdeburg und der Saaleradweg – besonders rund um Naumburg. In seiner Freizeit steht er mit Leidenschaft auf der Theaterbühne.
Quelle: MDR/ld
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 16. September 2020 | 07:30 Uhr
Realist62 am 18.09.2020
Klar kann man die Bundeswehr abschaffen. Aber besser ist es sie in eine KatastrophenSchutzArmee umzuwandeln. Damit kann man endlich den freiwilligen Katastrophenschutz entlasten.
Dab am 17.09.2020
Hallo miteinander.Wir schaffen alle Bewaffnete Organe ab.Also Bundeswehr und Polizei,denn diese dürfen ja,nicht mehr Üben für den Fall der Fälle...Die die gegen alles sind gehen Freiwillig,zum beräumen von Kriegsgebiete und hier im Land hilft keiner mehr bei Katastrophen.Ohne BW sind Flächenbrände,Hochwasser und der Gleichen nicht von allein zu bewältigen.In Teilen Sachsenanhalts ist es auch ein Arbeitgeber,der Vernichtet wird...
Dab am 17.09.2020
Wir werden von innenher bedroht.