"Jugend forscht" Autarke Laternen: Firmen stehen bei Physik-Wunderkind aus Osterburg Schlange

31. März 2023, 12:12 Uhr

Beim diesjährigen Landeswettbewerb "Jugend forscht" hat Anne Marie Bobes eines der 37 Projekte präsentiert und gewonnen. Die 16-Jährige besucht das Markgraf-Albrecht-Gymnasium in Osterburg und gilt in der Szene der Nachwuchs-Tüftler als wahres Wunderkind. Gerade ist sie dabei herauszufinden, wie sich Straßenlaternen autark über eine ganz bestimmte Art Wind mit Strom versorgen können.

von Katharina Häckl, MDR SACHSEN-ANHALT

• Anne Marie Bobes ist als Kind schon früh ihrem Forscherdrang gefolgt.
• Die Idee zu ihrer autarken Laterne gründet auf einem Erlebnis ihres Bio-Lehrers. Dem hatte der Luftzug eines vorbeifahrenden Lkw die Mütze vom Kopf gerissen.
• Für ihre bahnbrechende Forschung interessieren sich bereits mehrere Firmen.

Große Brille mit schmalem Rand, wache Augen und etwas Mitleid im Blick für all diejenigen, die ihre Arbeit am Jugend-forscht-Projekt partout nicht verstehen – und das sind wohl die meisten: Anne Marie Bobes ist ein Physik-Nerd. Die 16-Jährige gibt das selbst zu, sogar mit Stolz, wie sie sagt. Forscherdrang scheint ihr in die Wiege gelegt worden zu sein. Spielen mit Puppen? Für Anne Marie als Kind undenkbar. Sie habe lieber Blumen geköpft und die Blüten intensiv untersucht. Vor allem von den kreisrunden sei sie fasziniert gewesen, erinnert sich die Schülerin im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT.

Am Markgraf-Albrecht-Gymnasium in Osterburg stehen MINT-Fächer im Fokus

Anne Marie ist bei ihren Großeltern in Seehausen im Landkreis Stendal aufgewachsen, beides bodenständige Menschen: die Oma Krankenschwester, der Opa Tischler. In seiner Werkstatt hat Anne Marie als Kind "die langwierigen Arbeiten" erledigt, hat stundenlang geschliffen und gefeilt. Das sei in dem Moment vorbei gewesen, als sie ihren ersten Computer bekam. Mit dem konnte sie eigene Dinge erfinden und darstellen, alles ging in Sekunden statt in Stunden wie vorher in Opas Werkstatt. Spätestens da hatte sie ihr Herz und ihren Verstand an die Naturwissenschaften vergeben.

Die Teenagerin besucht das Markgraf-Albrecht-Gymnasium in Osterburg. Dass ihre Schule eine MINT-freundliche ist, kam ihr gut zupass. Die Nachwuchs-Tüftler, die sich um den Bio-Lehrer Michael Müller scharen, sind alle wie Anne Marie, wenn auch nur ein bisschen. Die Schülerin verbringt neben der Schule täglich drei bis vier Stunden mit der Forschung an ihren Projekten. Das wichtigste sind die Straßenlaternen, die sich mit einer ganz speziellen, wetterunabhängigen Windenergie autark selbst mit Strom versorgen.

Laternen sollen Fahrtwind zur Stromgewinnung nutzen

Lehrer Müller gab für die Idee vor einigen Jahren den Anstoß. Der starke Luftzug eines vorbeirauschenden Lkw fegte ihm damals die Mütze vom Kopf, und er grübelte daraufhin mit seinen Forschern: Könnte man diese Windenergie nicht in Strom umwandeln?

Nun, Müllers Idee ist angesichts der Forschungen von Anne Marie in den Hintergrund getreten. Vom technischen Aufbau über Strömungsverhältnisse bis hin zu Gestalt und Material der Rotorblätter – alles hat die Elftklässlerin selbst untersucht, verbessert, verändert bis zum optimalen Zustand. Der ist zwar noch nicht ganz erreicht – das Material der Rotorenblätter muss noch ersetzt werden. Der Bio-Kunststoff sei einfach zu brüchig, halte den Anforderungen auf Dauer nicht stand.

Aber immerhin: Mittlerweile gibt es zwei Prototypen von Straßenlaternen-Windrädern, gebaut in Barleben bei Magdeburg. Und es gibt interessierte Firmen, die Anne Marie im Blick haben und ihre Ideen gern nutzen würden. Ganz frisch hat sich zum Beispiel die Energieversorgung Halle gemeldet. Das Unternehmen ist fasziniert von der Idee, dass Straßenlaternen quasi selbst für ihren Strom sorgen könnten, und sucht nach geeigneten Standorten. Für Anne Marie und auch für Lehrer Müller ist das eine große Ehre.

Landeswettbewerb von "Jugend forscht" bereits 2022 gewonnen

Doch wer meint, Anne Marie könne Naturwissenschaften und "mehr nicht", der irrt: Sie spielt Flöte und Klavier, hat als Kind intensiv Kampfsport betrieben und fährt noch heute gern lange und viel Fahrrad. In jedem Fach hat sie gute bis sehr gute Noten. Doch trotz der Einsen und Zweien – eine Fremdsprache zu studieren zum Beispiel, das würde ihr keinen Spaß machen. Religionsunterricht – naja, muss halt sein. Geschichte? Ist ok. Aber Physik, das ist das wahre Leben für Anne Marie.

Da weiß die 16-Jährige, dass sie Großes schafft: Für ihre Erfindung hat sie einen Patent-Antrag gestellt. Die Chancen stehen gut, dass er genehmigt wird. Nach dem Abitur will sie – natürlich – Physik studieren und am liebsten in die Luft- und Raumfahrt gehen.

Vorher hat Anne Marie nochmal den Landeswettbewerb von "Jugend forscht" gewonnen, so wie bereits im letzten Jahr. Bis inklusive Sonnabend präsentiert sie ihre Erfindung am Weinbergcampus in Halle. Dann winkt das Bundesfinale im Mai in Bremen.

MDR (Katharina Häckl, Daniel Salpius) | erstmals veröffentlicht am 29.03.2023