Atomkraft-nein-Danke-Aufkleber
Die Debatte um die AKW-Laufzeitverlängerung verleiht der Anti-Atomkraftbewegung in der Altmark und im Wendland neuen Schwung. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/Hoch Zwei Stock/Angerer

Energieversorgung AKW-Laufzeitverlängerung: Unverständnis, Wut, Entsetzen und Trotz bei Atomkraftgegnern

13. August 2022, 15:15 Uhr

Die derzeitige Diskussion um die Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken lässt bei Menschen in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen die Emotionen besonders hochkochen. Die Anti-Atom-Bewegung in der West-Altmark und im benachbarten Wendland reagiert dieser Tage mit Unverständnis, Wut, Entsetzen und Trotz.

Damit hatten die "Anti-Atomis" in der Altmark und im Wendland nicht gerechnet, dass ihr Kampf gegen Atomkraftwerke in Deutschland doch noch nicht zu Ende ist. Wegen der Energiekrise prüft die Bundesregierung, ob die Laufzeit der drei noch aktiven AKW verlängert werden soll und kann. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) hat dazu einen Stresstest für diese Werke angeordnet.

Diejenigen, die gegen einen Streckbetrieb nichts einzuwenden haben, machen sich keine Vorstellung davon, wie hochgiftig hoch radioaktiver Müll ist, was das für ein Menschheitsproblem ist.

Wolfgang Ehmke Chef der BI Lüchow-Dannenberg

Im Frühjahr hatte die Anti-Atomkraft-Bewegung noch mit vielen Freunden das Ende der Atomkraftwerke in Deutschland gefeiert und das auch als eigenen Erfolg verbucht.

Die Demonstrationen gegen die Castor-Atommüll-Transporte ins mögliche Endlager Gorleben mit ihrem Slogan "Atomkraft? Nein danke!" hatten schließlich das Umdenken im ganzen Land angestoßen. Ohne uns, sagt Elisabeth Hafner-Reckers vom BI-Vorstand in Lüchow, hätte Deutschland den Einstieg in die anderen Energieformen komplett verschlafen. Auch im Umfeld der Anti-AKW-Bewegung hätte sich viel entwickelt: ein stärkerer biologischer Landbau, das Bewusstsein für die Endlichkeit der Ressourcen und auch das Demokratieverständnis.

Die Proteste hätten "ja gezeigt, dass die Zivilgesellschaft auf demokratischem Weg ganz viel erreicht". Nun scheine die Zeit für zivilen Ungehorsam wieder gekommen zu sein, konstatiert BI-Chef Ehmke und fordert:

Putzt eure gelben Widerstandskreuze!

Wolfgang Ehmke Chef der BI Lüchow-Dannenberg

Tatsächlich sind dieser Tage im Wendland wieder mehr gelbe Protestkreuze und "Atomkraft? Nein danke!"-Fahnen zu sehen als noch vor einem Vierteljahr. In der westlichen Altmark halten sich derlei öffentliche Bekenntnisse in Grenzen.

Anti-AKW-Bewegung müsse sich zusammenschließen

Die Grünen im Altmarkkreis Salzwedel haben sich gegen die Laufzeitverlängerung der AKW ausgesprochen. Christfried Lenz von der Iniative "Bürgerenergie" aber sieht mehr Handlungsbedarf. Die Anti-Atomkraft-Bewegung insgesamt solle sich zusammenschließen, "um gemeinsam mit größerer Stärke die Energiewende voranzutreiben".

Ohne Energiewende kein Atom-Ende.

Christfried Lenz BI Bürger-Energie

Im Gegensatz zu den Protesten gegen die Atommüll-Transporte im Wendland müsse es jetzt aber darum gehen, für etwas einzutreten, sagte Lenz MDR SACHSEN-ANHALT. Er tritt für die konsequente Nutzung erneuerbaren Energien ein, für eine möglichst umfassende autarke Versorgung der Bürger mit Strom, Wasser und Heizung.

Unabhängigkeit von Öl und Gas müsse Ziel sein

Seinen Hof in Rittleben in der westlichen Altmark jedenfalls versorgt er selbstständig. Strom bekommt er über Solarenergie, auch die Heizung wird so betrieben. Anfangs habe er Wasser, auch zum Trinken, aus dem Brunnen hinterm Haus bezogen. Nach dem Pflicht-Anschluss ans öffentliche Wasser- und Abwassernetz versorgt er mit dem Brunnenwasser noch seinen Garten.

Lenz spricht nicht von zivilem, sondern von solarem Ungehorsam. Es könne nicht sein, dass die rot-grüne Bundesregierung die Versorgung mit regenerativen Energien in die Hände von Großunternehmen legen will. Jeder Bürger sollte das Recht für sich in Anspruch nehmen, sich und sein Grundstück energie-autark zu machen. Unabhängigkeit von – im Moment vor allem russischen – Gas und Öl sei doch das Gebot der Stunde.

Nachfragen bei "Anti-Atomis" wächst

Derweil sehen die Mitglieder der BI Lüchow-Dannenberg, dass die Zahl der Anfragen für Vorträge und Führungen rasant wächst. Die Diskussion um die Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke schürt auch Ängste, sagt Elisabeth Hafner-Reckers vom Vorstand.

Sie persönlich beunruhige, "dass die Regierung so wenig tut, um die Menschen abzuholen da, wo ihre Ängste sind und so wenig dagegen steuert". Wolfgang Ehmke, der Chef der BI, jedenfalls hat seinen Urlaub so eingeteilt, dass er zur Veröffentlichung des AKW-Stresstests wieder vor Ort bei den "Anti-Atomis" ist.

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MDR (Katharina Häckl, Hannes Leonard)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 13. August 2022 | 07:30 Uhr

22 Kommentare

Eulenspiegel am 15.08.2022

Also um es klar zu sagen:
Es gibt keine Alternative zum Ausstieg aus der fossilen Energie. An sowas glauben nur ewig Gestrige. Deutschland und auch die ganze Welt sind da vom Prinzipe her auf dem richtigen Weg. Die Frage ist nur geht der Fortschritt schnell genug. Also technisch ist es kein Problem die gesamte Energieversorgung der gesamten Menschheit auf Sonne, Wind und Wasserkraft zu decken. Das Problem ist nur die Umstellung.

Britta.Weber am 15.08.2022

@emlo, warten Sie den Winter und ihre Energierechnungen ab. In unserer Geschichte gibt es viele Beispiele, dass man Fehler kurz vor (bei manchen sogar kurz nach) dem Zusammenbruch nicht sehen wollte.
Mit dem Diversifizieren gebe ich ihnen recht, ein Mix aus Atom, Gas, Enereuerbaren wäre gut.

emlo am 15.08.2022

Wieso sollte die Energiewende gescheitert sein? Hier werden meiner Meinung nach zwei Dinge miteinander vermischt, die nur bedingt miteinander zu tun haben. Die extrem gestiegenen Energiepreise sind keine Folge der Energiewende, was man allein daran sehen kann, dass die Energiepreise nicht nur in Deutschland in die Höhe geschossen sind. Der Grundgedanke der Energiewende (Ausstieg aus fossilen Energieträgern) ist nach wie vor richtig. Ein Fehler des bisherigen Vorgehens war es, zu einseitig auf russisches Erdgas als Übergangslösung zu setzen. Hier hätte man von Anfang an mehr diversifizieren (weitere Lieferländer, massiver Ausbau von Biogas aus Abfällen, nicht aus Mais-Monokulturen) müssen. Aber die Verlockung des "billigen" Erdgases war wohl zu groß.

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