Eine Frau hält Erinnerungshilfen in der Hand 2 min
Anne Scholz mit einer Erinnerungsbox und den neuen Bettchen. Mehr zur Arbeit der Organisation im Audio. Bildrechte: MDR/Lydia Zahn
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MDR SACHSEN-ANHALT Sa 26.04.2025 09:57Uhr 02:28 min

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Fehl- und Totgeburt Trauer um Sternenkinder: Projekt aus der Altmark schafft Erinnerungen

28. April 2025, 12:33 Uhr

Wenn ein kleiner Karton zum großen Trost wird – "Sternchenzauber Altmark" steht Eltern von Sternenkindern bei. Anne Scholz aus Salzwedel wollte mit ihrem handwerklichen Geschick etwas Gutes in ihrer Region tun – heute hilft sie mit ihrer Organisation Hunderten in ganz Deutschland.

Lydia Zahn, eine Frau mit Brille und braunen Haaren.
Bildrechte: MDR/Theresa Stelzer

Eine Karte. Eine Kerze. Ein Engel aus Gips. Für die meisten Menschen sind das einfach nur liebevoll gestaltete Kleinigkeiten – für andere ist es alles, was bleibt, wenn ein Baby stirbt, bevor es richtig auf der Welt ist. Das Projekt "Sternchenzauber Altmark" stellt diese Kleinigkeiten ehrenamtlich her und verschenkt sie an Eltern von Sternenkindern.

Anne Scholz aus Salzwedel will genau da helfen, wo viele nicht mehr wissen, was sie sagen oder tun sollen. Vor fast drei Jahren hat die gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin daher das Projekt "Sternchenzauber Altmark" ins Leben gerufen. Aus einem Herzensanliegen wurde eine gemeinnützige Organisation: Heute stehen fast 30 Helferinnen an ihrer Seite. Sie häkeln, nähen, bemalen und basteln, was das Garn und der Pinsel hergeben und stecken all das in eine Box, die vielleicht klein aussieht, aber unendlich viel Trost spenden kann.

Erinnerungsstücke liegen auf einem Tisch
Jede Erinnerungsbox ist auf die Wünsche der trauernden Eltern angepasst. Bildrechte: MDR/Lydia Zahn

100 Päckchen pro Jahr als Trost für verwaiste Eltern

Etwa 100 dieser Päckchen verschickt das Team jedes Jahr in sämtliche Städte in Deutschland – Osnabrück, Stuttgart, Berlin, Gießen, Dortmund und andere Orte. Sie werden aber auch von Hebammen in den Krankenhäusern in Salzwedel, Dannenberg und Perleberg an betroffene Eltern ausgegeben.

In jeder Box stecken handgemachte Erinnerungsstücke: ein Holzrahmen für winzige Hand- oder Fußabdrücke, eine Karte mit dem Sternenzeichen des Kindes, ein Armband, kleine Figuren aus Epoxidharz und vieles mehr. Jede Box ist individuell zusammengestellt, liebevoll verpackt und auf Wunsch auch personalisiert – mit Namen oder Geburtsdatum des Kindes. Alles kostenlos und ehrenamtlich.

Eines von Annes Lieblingsstücken; ein bedruckte Holzscheibe. Auch die Karten mit den Sternzeichen gehören zu ihren Favoriten.
Eines von Scholz' Lieblingsstücken: ein bedruckte Holzscheibe. Bildrechte: Lydia Zahln/MDR

Sichtbarkeit von Sternenkindern: "Gesehen fühlen, von völlig fremden Menschen"

Diese Pakete, diese Geste des Mitgefühls, bedeuten für die Eltern so viel mehr. Sie geben ihnen Halt, Erinnerung und Wärme. "Beim Öffnen der Box war dann das größte Gefühl tatsächlich eigentlich Dankbarkeit. Und sich irgendwie in den Arm genommen und gesehen fühlen, von völlig fremden Menschen. Einfach diese Wärme, dieses Wohlwollen, dieses Mitgefühl – das ist ein ganz, ganz tolles Gefühl, vor allem in so einer Situation", erzählt Claudia aus Perleberg. Sie bekam ihre Box im März, im Januar war der Schicksalsschlag.

Es ist, als wäre unsere Tochter überall – überall ist ein kleiner Gruß von ihr.

Daniela aus Osnabrück, Mutter eines Sternenkinds

Auch bei Daniela aus Osnabrück sitzt der Schmerz noch tief, doch die handgemachten Stücke von "Sternchenzauber Altmark" helfen ihr. Überall im Haus habe sie sie verteilt. "Die Bedeutung ist gar nicht in Worte zu fassen, da sie einfach in Verbindung mit unserem Sternenkind stehen. Es ist, als wäre unsere Tochter überall – überall ist ein kleiner Gruß von ihr", erzählt Claudia.

Dass diese kleinen Boxen vielen Eltern helfen, wird Scholz immer wieder gezeigt. "Ich bekomme oft im Nachhinein so herzliche Nachrichten und auch Fotos. In diesen Momenten weiß ich, warum ich das mache", sagte die 35-Jährige und muss lächeln. Sie selbst ist zweifache Mutter. Ihr Ehrenamt wirkt sich auch auf ihr Privatleben aus. "Ich weiß, dass ich wahnsinniges Glück habe, meine beiden Kinder sind gesund. Und das weiß ich durch unsere Arbeit noch mehr zu schätzen."

Verstorbene Babys: Ein Netzwerk, das Hoffnung schenkt

Das "Uns" ist ihr dabei besonders wichtig. Alleine würde sie es nicht schaffen, sagt sie, ohne ihr Team, die vielen Unterstützer und einiger Ideen von außen. "Ich hab nur den Anstoß gegeben", sagt sie bescheiden.

Angefangen hatte alles mit gehäkelten Mützen für Neugeborene und genähten Einschlagdecken für verstorbene Babys. Kurze Zeit später kamen die Trostboxen dazu. Inzwischen arbeitet die Organisation auch mit dem Bestatter Müller und dem Familienhof in Salzwedel zusammen. So wollen Scholz und ihr Team für Familien, deren Baby erst Monate nach der Geburt stirbt, ebenfalls Unterstützung anbieten – mit kleinen Himmelskleidern und Bettchen in verschiedenen Größen.

Wunschkarten auf einem Altar
Die Trostbox soll kleine Erinnerungen an Sternenkinder und sehr früh gestorbene Babys schaffen. Bildrechte: MDR/Lydia Zahn

Tabuthema Tot- und Fehlgeburten: Mutter wünscht sich mehr Offenheit

Auf das Thema Sternenkinder und ihre Hilfe durch die Trostboxen machen die Akteure hinter "Sternchenzauber Altmark" in den sozialen Medien aufmerksam. Für die Zukunft wünscht sich Anne Scholz daher vor allem eins: Dass die Gesellschaft offener dem Thema gegenüber wird. Dass Eltern darüber reden können ohne Floskeln wie "du kannst ja wieder schwanger werden" oder "alles hat einen Grund" entgegnet zu bekommen.

Es sei ein noch zu großes Tabu, sagen auch die Familien. "Weil Trauer und Leid häufig nicht in den Alltag passen dürfen und weil von vielen diese Gefühle einfach nicht gehalten werden können", sagt Claudia. Sie wünscht sich einen offeneren Umgang mit Trauer und Fehl- sowie Totgeburten.

MDR (Lydia Zahn, Cynthia Seidel) | Erstmals veröffentlicht am 26.04.2025

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 26. April 2025 | 13:20 Uhr

7 Kommentare

Leenchen10 vor 2 Wochen

Hallo
Ich habe diesen Beitrag bei Google gesehen und freue mich sehr das es so nette Leute gibt und man einfach nicht alleine ist. Ich habe am 02.04. Unser kleines Wunder zu Welt bringen müssen. Ich interessiere mich sehr an so eine Trauer Box. Leider weiß ich nicht an wem ich mich melden könnte. Liebe Grüße

Dirk71 vor 2 Wochen

Mein Sohn ist an einem Tag, innerhalb von vier Stunden geboren sowie gestorben und dazu noch in ein anderes KKH verlegt worden.
Nach einer Woche bekamen wir die Gesundheitskarte zugesandt. Ok, kann passieren, ein Anruf und der Versicherung alles mitgeteilt und erledigt.
Nach einem Monat kam von der Versicherung die Einladung zur nächsten U-Untersuchung. Also nochmal ans Telefon und nochmals erklärt was Sache ist.
Nach einem halben Jahr kam der Hinweis per Post, dass wir den Erziehungsurlaub splitten könnten.
Nochmals telefonisch, mit vielen Entscheidungen der anderen Seite, den Sachverhalt aufgeklärt.
Nach einem Jahr kam eine Rechnung mit dem Text:"
Bei Krankenfahrten die 20€ oder mehr kosten muss der Versicherte 20€ dazu zahlen. Bitte überweisen sie 20€.
Diesmal bin ich persönlich hin und habe mitgeteilt dass
1. Kinder zuzahlungsfrei sind
2. wenn sie das Geld wollten meinen Sohn am Friedhof ausgraben müssten. Denn wie ich bereits mehrfach mitgeteilt habe, sei er bereits ein Jahr tot.

Dirk71 vor 2 Wochen

Hallo,
als betroffener kann ich ganz klar sagen:" Es gibt kein gegenseitiges aufeinander zugehen."
Die meisten Menschen sollten sich einfach mal wieder mit dem Thema Tod befassen um gewappnet zu sein, wenn sie jemandem begegnen der solch einen Trauerfall hat/hatte.

Wie viel Blödheit und Unmenschlichkeit ich nach dem Tod meines Sohnes erleben musste, reicht für zwei Leben.
Ein Beispiel:
Ich musste meinen Sohn am Standesamt anmelden obwohl er bereits tot war.
Die Beamtin begrüßte mich und fragte nach dem Grund meiner Anwesenheit.
Wahrheitsgemäß antwortete ich, dass ich meinen Sohn anmelden müsse. Dies erwiderte sie mit einem "Herzlichen Glückwunsch."
Als ich ihr dann sagte, dass er bereits verstorben sei, sagte sie: Das tut mir leid, moment, ich gehe mal eben zu meiner Kollegin und spreche mit ihr."
Kurz darauf öffnete sich die Tür und beide Frauen traten heraus.
Die neue Kollegin begrüßte mich ebenfalls mit den Worten:" Herzlichen Glückwunsch."

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