Institution Historische Buchhandlung in Salzwedel gerettet

27. August 2022, 16:30 Uhr

Salzwedels legendäre Buchhandlung Weyhe bleibt für die Öffentlichkeit zugänglich. Eine junge Wohnungsbaugenossenschaft hat das historische Haus gekauft und will den antiken Laden für öffentliche Belange nutzen. Mehr als ein Jahr lang bangten viele Salzwedeler, nach dem Tod von Buchhändlerin Helga Weyhe das schöne Geschäft nicht wieder betreten zu können.

von Katharina Häckl, MDR SACHSEN-ANHALT

• Nach dem Tod Deutschlands ältester Buchhändlerin hat ihre Buchhandlung einen neuen Besitzer.
• Die Solidarische Wohnungsgenossenschaft Salzwedel will zuerst im Obergeschoss eine WG einrichten.
• Für den Buchladen gibt es noch keine finale Idee. Er soll aber der Öffentlichkeit weiter zugänglich gemacht werden.

Helga Weyhes Buchhandlung an der Altperverstraße in Salzwedel ist eine Institution in der Stadt – sogar weit darüber hinaus. Die im Januar vergangenen Jahres verstorbene Weyhe war mit 98 Jahren die älteste Buchhändlerin Deutschlands. Nun ist eine Lösung für den Fortbestand ihrer Buchhandlung gefunden worden.

Genossenschaft will Ort zugänglich halten

Die Solidarische Wohnungsgenossenschaft Salzwedel hat das Weyhesche Haus an der Altperverstraße übernommen. Die Wohnungsgenossenschaft, eingetragen erst im Mai dieses Jahres, war die einzige, die den Erbinnen garantierte, die Buchhandlung von Helga Weyhe weiterhin für die Öffentlichkeit zu erhalten. Einige andere private Bewerber hätten das Haus komplett eigenen Interessen gewidmet.

WG soll im Obergeschoss entstehen

Als erstes soll allerdings die über dem Buchladen befindliche Wohnung von Weyhe für eine WG hergerichtet werden. Bereits nach kleineren Baumaßnahmen wie der Modernisierung des Bads werden ins erste Obergeschoss - in die ehemalige Wohnung von Helga Weyhe - mehrere Mieter einziehen.

Die großen Umbauarbeiten, das muss erstmal warten, weil wir das auch kapazitätenmäßig gar nicht hinbekommen.

Also leben die idealistischen Mieter mit Einfachfenstern, unter altem Dach und ohne großartige Gebäudeisolierung – vorerst. Katrin Kettmann von der Wohngenossenschaft erklärt: "Die großen Umbauarbeiten, das muss erstmal warten, weil wir das auch kapazitätenmäßig gar nicht hinbekommen".

Sie zahlen zwar wenig Miete, aber eben auch für wenig Komfort: Für eine komplette Sanierung fehlt der Genossenschaft mit ihren neun Mitgliedern noch das Geld.

Zukunft des Buchladens noch unklar

Was in dem historischen Buchladen im Erdgeschoss künftig passieren kann? "Wir sind noch in der Findungsphasse", sagt Sabine Decker vom Vorstand. Seit bekannt geworden ist, dass die "Solidarische Wohnungsbaugenossenschaft" das Weyhe-Haus erhält, kommen etliche Bürger mit Ideen auf die Genossenschaftler zu.

Die Inneneinrichtung des Ladenlokales steht unter Denkmalschutz. Von daher war eh klar, dass das Buchgeschäft auf jeden Fall ein öffentlicher Raum bleibt.

Die Entscheidung soll bis Ende des Jahres fallen. Eins aber steht fest: Auch künftig werden die Menschen den alten Laden betreten, bewundern und nutzen können. Sabine Decker von der Solidarischen Wohnungsbaugenossenschaft sagt: "Die Inneneinrichtung des Ladenlokales steht unter Denkmalschutz. Von daher war eh klar, dass das Buchgeschäft auf jeden Fall ein öffentlicher Raum bleibt."

Haus hat lange Tradition

Der "Solidarischen Wohnungsbaugenossenschaft Salzwedel" wäre es sogar ganz recht, wenn das ganze Weyhesche Haus an der Altperverstraße zum Einzeldenkmal erklärt würde. Schließlich, sagte Sabine Decker vom Vorstand MDR SACHSEN-ANHALT, steht es auf Jahrhunderte alten Fundamenten, die selbst den großen Stadtbrand im 18. Jahrhundert überlebten.

Weyhe vertrat laut ihre Meinung

Helga Weyhe war nicht nur wegen ihrer Buchhandlung, sondern auch wegen ihrer Persönlichkeit beliebt. Salzwedel verlieh ihr sogar die Ehrenbürgerwürde. Weyhe sei eine selbstbewusste Frau mit eigener Meinung gewesen. In ihre Bücherregale ließ sie nur Literatur, die sie für gut genug befand. Billigromane und Kitsch hatten bei ihr keinen Platz. Dafür hatte sie immer Zeit für einen Plausch mit ihren Kunden, die teils von weither kamen. Bis zu ihrem Tod hatte Helga Weyhe in ihrer Buchhandlung gearbeitet.

Legendär ist Helga Weyhes Marotte, freche, kluge, zum Nachdenken anregende Sprüche auf Zettel zu drucken und an die Schaufensterscheiben und die Ladentür zu kleben. Der Buchladen war auch deshalb ein Besuchermagnet in Salzwedel.

Das war Helga Weyhe Helga Weyhe besuchte in Salzwedel das Lyzeum - heute das Kunsthaus - und verrichtete 1941 ihren Arbeitsdienst in Oberschlesien. Noch während des Krieges schrieb sie sich an der Universtität Breslau für ein Studium der Germanistik und Geschichte ein, bildete sich danach in Königsberg und Wien fort. Ihre Studien konnte sie nicht beenden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg sie in das Unternehmen ihres Vaters ein. Das Ladengeschäft der Weyhes ist seit 1840 an der Altperverstraße ansässig gewesen. 1965 übernahm sie die Buchhandlung in eigene Regie.

Das Geschäft selbst war bereits Ende des 19. Jahrhunderts von einem Vorfahr eröffnet worden. Bis 2022 blieb es in Familienbesitz. Die Inneneinrichtung der Buchhandlung steht mittlerweile unter Denkmalschutz.

MDR (Katharina Häckl, Hannes Leonard)