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Die Giftschlammgrube in Brüchau könnte 2024 ausgehoben werden. (Archivbild) Bildrechte: MDR/ Isabell Hartung

100.000 Tonnen Giftmüll"Silbersee" in Brüchau könnte 2024 ausgehoben werden

29. März 2023, 15:51 Uhr

Im kleinen Dorf Brüchau im Altmarkkreis Salzwedel wurden mehr als 40 Jahre lang in einer Grube die Abfälle aus der Erdgasindustrie entsorgt. Mehr als 10.000 Tonnen Quecksilber, Arsen und Säure lagern im sogenannten "Silbersee". Bereits 2020 hatte der Landtag von Sachsen-Anhalt einstimmig beschlossen, dass die Grube vollständig ausgehoben und von den gefährlichen Schadstoffen befreit werden soll. Lange ging nichts voran. Nun gibt es eine neue Entwicklung.

Das Ausheben der Brüchauer Schlammgrube und die fachgerechte Entsorgung der dort abgelagerten Schadstoffe kommt langsam in realistische Nähe. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums in Magdeburg könnten die Arbeiten nunmehr im kommenden Jahr beginnen. Die Betreiberfirma der Grube, das Erdgasunternehmen Neptune Energy, musste einen sogenannten Abschlussbetriebsplan vorlegen. Das Landesamt für Geologie und Bergwesen (LAGB) hatte dies angeordnet und auch juristisch durchgesetzt.

"Es werden Analysen des Deponats durchgeführt, um weitere Erkenntnisse über die Möglichkeiten späterer Entsorgungswege zu gewinnen", sagt Sandra Finger von der Firma Neptune Energy. Die Sprecherin betont allerdings, dass ihr Unternehmen dies nur aufgrund gerichtlicher Anordnung macht.

Juristische Auseinandersetzung um Sanierung

Das Unternehmen führt eine Klage am Verwaltungsgericht Magdeburg gegen das Landesbergamt. Es geht um die Anordnung des sogenannten Abschlussbetriebsplanes. Mit diesem wird geregelt, wie die Sanierung erfolgen soll. Das LAGB hatte die Auskofferung der Grube bereits 2020 verfügt. Auch wenn das Gericht bisher noch nicht entschieden hat, so wurde dennoch ein "Sofortvollzug" angeordnet. Neptune Energy erstellte den Abschlussbetriebsplan, dieser ist mittlerweile vom LAGB bestätigt worden. Nun müssen weitere Schritte wie die Analyse der Schadstoffe und die Entsorgungswege festgelegt werden.

Der Zeitplan sieht vor, dass bis Mitte Mai 2024 die Vorarbeiten zu erfolgen haben. Dies bestätigte Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) unlängst in einer gemeinsamen Anfrage der vier Landtagsabgeordneten Juliane Kleemann (SPD), Sandra Hietel-Heuer (CDU), Dorothea Frederking (Grüne) und Eva von Angern (Linke). Demnach könnte noch 2024 mit einer Ausbaggerung begonnen werden, – wenngleich noch nicht alle Gerichtsklagen abgeschlossen sind.

Aktivisten sehen Erfolg: "Nun kann Neptune Energy nicht mehr zurück"

"Das Landesbergbauamt ist endlich auf dem richtigen Weg", sagt Christfried Lenz. Der 79-Jährige ist eine Art Rebell. Er kam einstmals aus dem Westen in das altmärkische Öko-Dorf "Sieben Linden". Mit der Bürgerinitiative (BI) engagiert er sich für die Auskofferung der Schlammgrube Brüchau. "Früher hat das LAGB nie feste Termine für bestimmte Maßnahmen festgelegt, das ist jetzt anders", sagt er. Nun könne Neptune Energy nicht mehr zurück.

"Jetzt müssen genaue Orte benannt werden, wo die verseuchten Stoffe hingebracht werden sollen", sagt BI-Mitstreiter Karl-Heinz "Mojo" Friedrichs. Der Rentner ist mittlerweile Vorsitzender des BUND im Altmarkkreis Salzwedel. Viele kennen ihn von Veranstaltungen mit einer Trommel um den Hals. "Ich trommele für eine bessere Umwelt", sagt er. Er war lange bei den Grünen, ist dort aber wieder ausgetreten, weil das Umweltministerium seinerzeit eher den Argumenten des Landesbergamtes gefolgt sei. Die damalige grüne Ministerin Claudia Dalbert nennt er noch heute "Umweltverpesterin".

"Giftschlamm wurde lange verharmlost"

"Es wurde immer verharmlost, was sich in der Grube befindet", sagt Karl-Heinz "Mojo" Friedrichs. Lange Zeit sei daher von Neptune Energy das Ziel verfolgt worden, dass die Brüchauer Grube nicht ausgebaggert, sondern lediglich kostengünstiger abgedeckt werden solle. "Frau Dalbert sprach von Salzlachen, die dort angeblich lagern sollen", sagt er. "Eine Frechheit."

"Mittlerweile gebe es die gegenteilige Argumentation", sagt Christfried Lenz. Angeblich sollen laut Neptune Energy in der Grube derartig belastete Stoffe liegen, sodass diese von keiner Deponie in Deutschland angenommen werden würden. Das Unternehmen verfolgte zuletzt auch mit dem Abschlussbetriebsplan, dass die Variante "Abdeckung" weiter im Spiel bleibt – das wurde aber aus dem Plan gestrichen.

Insgesamt 100.000 Tonnen giftiger Aushub: Wer trägt die Kosten?

Eine bloße Abdeckung ist aber nunmehr vom Tisch, wie auch das Wirtschaftsministerium bestätigt. Das LAGB hatte aus dem jetzt genehmigten Abschlussbetriebsplan die Alternativ-Varianten herausgenommen und die sogenannte Auskofferung als einzig mögliche Variante vorgegeben. Insgesamt rund 100.000 Tonnen belastetes Material sind aus der Schlammgrube herauszuholen. Dazu gehören 10.000 Tonnen schwer belastete Stoffe wie Quecksilber, Arsen und Säure.

Fraglich ist dabei immer noch, wer die enormen Kosten tragen muss. Die Landesanstalt für Altlastenfreistellung (LAF) Sachsen-Anhalt weigere sich weiterhin, "die aus Sicht des Unternehmens bestehende eindeutige Verpflichtung zur Refinanzierung der Rückbaumaßnahme zu bestätigen", sagt Neptune-Energy-Sprecherin Sandra Finger. Allerdings hat das Unternehmen bereits im September 2021 eine Klage vor dem Kammergericht Berlin verloren. Es läuft das Berufungsverfahren.

Zu den Kosten der Sanierung gibt es – laut Wirtschaftsminister Schulze – bislang lediglich eine "Grobschätzung". Im Auftrag von Neptune Energy hatte die CDM Smith Consult GmbH den Kostenrahmen für "Auskofferung und externe Entsorgung" mit 73,5 bis 160 Millionen Euro (netto) beziffert.

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MDR (Bernd-Volker Brahms, Leonard Schubert)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 29. März 2023 | 06:30 Uhr

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