Besuch in Packebusch Was Verteidigungsminister Pistorius mit der Altmark verbindet

02. Februar 2023, 05:00 Uhr

Die familiären Wurzeln des neuen Bundesverteidigungsministers, Boris Pistorius, liegen auch in der Altmark. Sein Vater Ludwig stammt aus Packebusch bei Kalbe. Pistorius kennt das Dorf von Besuchen bei Verwandten und Bekannten. Ein Besuch in dem Ort.

"Hier hat er letztes Mal gesessen", sagt Marlene Wischeropp und streicht die bestickte Leinentischdecke auf dem ovalen Esstisch glatt. Einen Kaffee hätte er, "der Boris", bekommen und sie hätten sich über die Familie unterhalten. Marlene Wischeropp, eine kleine, zarte Frau jenseits der 80 mit wachen Augen und ziemlich scharfem Verstand, ist für Boris Pistorius meist erster Anlaufpunkt im Altmark-Ort Packebusch gewesen.

Sie und ihr Mann führten jahrzehntelang die Bäckerei am Dorfplatz. Wenn "der Boris" zu Besuch kam, zu DDR-Zeiten als junger Mann, aber auch zuletzt vor drei Jahren, als er noch Innenminister von Niedersachsen war, führte ihn sein erster Weg in die Bäckerei. Früher hätte er gern mit dem Herrn des Hauses, dem Bäcker Wischeropp, mitten in der Backstube über Politik und Sport gefachsimpelt.

Stolz auf die Verbindung von Packebusch zu Pistorius

Marlene Wischeropp ist stolz darauf, diesen Mann zu kennen, der seit gut zwei Wochen einen der schwierigsten Regierungsjobs in Deutschland hat: Boris Pistorius ist neuer Bundesverteidigungsminister in einer Zeit, in der die Ukraine ihre Freiheit gegen Russland verteidigen will – auch mit deutschen Waffen, in der China Taiwan mit Krieg droht, in der die Bundeswehr quasi reaktiviert werden muss.


Packebusch in der Altmark Packebusch liegt in der Nähe von Kalbe/Milde und gehört zu dieser Einheitsgemeinde. Das Dorf zählt knapp 250 Einwohner. Zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Beginn der 1970er Jahre schrumpfte ihre Zahl rapide um etwa 300. In dieser Zeit verließ auch Boris Pistorius' Vater Ludwig den Ort.

Packebusch wurde 1324 erstmals urkundlich erwähnt. Es ist ein typisch altmärkisches Straßendorf und wird geprägt von vorwiegend mittleren bis großen Gehöften. Im Zentrum des Dorfs steht die im Kern spätromanische, später umgebaute und vergrößerte Kirche, von der der heutige Bundesverteidigungsminister bei jedem seiner Besuche im Dorf ein neues Foto macht. Besonders eindrucksvoll sind die dicken alten Kopflinden entlang der Dorfstraße.

Pistorius' Vater Ludwig stammt aus dem altmärkischen Packebusch. Die Familie wohnte abseits des eigentlichen Dorfs in einem Haus unmittelbar am Bahnhof. Es steht einen Steinwurf weit von der Straße entfernt und ist dem Nachbardorf Brunau beinahe näher. Dort lebte bis vor einigen Jahren noch der Bruder des Vaters, Pistorius' Onkel Günter. Er liegt auf dem Packebuscher Friedhof begraben und war der letzte der Familie in dem Ort. Heute bewohnt eine andere Familie das Haus, hat es saniert, ein Schmuckstück mitten im altmärkischen Grün.

Pistorius' Vater und Mutter stammen aus dem Osten

Schon Ende der 1950er Jahre war Boris Pistorius' Vater Ludwig in den Westen nach Osnabrück gegangen. Dort wurde Boris Pistorius 1960 geboren. Seine Mutter Ursula stammte aus Frankfurt/Oder, war lange Jahre eine der wichtigsten Frauen in der bundesdeutschen SPD und niedersächsische Landtagsabgeordnete für die Sozialdemokraten. Möglicherweise hatte sie, die 2015 starb, Anteil daran, dass Familie Pistorius auch in Zeiten des Kalten Krieges immer mal wieder in die Altmark kam. Edgar Schulenburg zuckt da mit den Schultern. Von MDR SACHSEN-ANHALT nach seinen Erinnerungen befragt, verweist er lieber auf seinen Bruder. Der hätte Boris Pistorius zu Kinderzeiten mal beim Spielen gesehen. Er kenne zwar die Geschichte des Mannes, ihn selbst aber nur aus dem Fernsehen.

Die Besuche wurden seltener seit Onkel Günters Tod und der Berufung Boris Pistorius' zum niedersächsischen Innenminister 2013. Oft nutzte er offenbar Reisen in Richtung Berlin, um einen Abstecher in die Altmark zu machen. Immerhin lebte seine Tante noch in einem Pflegeheim in Arendsee, erinnert sich der Packebuscher Zahnarzt Karsten Mertens. Die Packebuscher machten um die Besuche des Politikers kein großes Federlesen. Nur Marlene Wischeropp wunderte sich über die große Limousine und die Bodyguards, die den damaligen Landesinnenminister bis vor ihre Bäckereitür begleiteten. Kurz zuvor bleibt "der Boris" jedes Mal stehen, erzählt die Rentnerin, und macht ein Foto von der Packebuscher Kirche nebenan.

Für Pistorius gibt es immer einen Kaffee in Packebusch

Jetzt als Bundesverteidigungsminister, sagt die Bäckersfrau im Ruhestand ein bisschen traurig, wird er wohl noch weniger Zeit und Gelegenheit haben, nach Packebusch zu kommen. Jederzeit würde sie ihm wieder einen Kaffee kochen. Sohn Axel Egger würde ein paar Stückchen Kuchen aus der Backstube holen und dann könnte man schnacken über die früheren Zeiten.

Hoffentlich, erzählt Petra Tuchlinski auf der Dorfstraße, erinnert sich Boris Pistorius in passenden Momenten daran, woher seine Familie stammt. Die kleinen Dörfer würden oft stiefmütterlich behandelt von der großen Politik, das sei Einstellungssache. Vielleicht könne Packebusch davon profitieren, dass sich der heutige Bundesverteidigungsminister an eine idyllische Landschaft, enge Dorfgemeinschaft und Frieden in der Altmark erinnert. Petra Tuchlinski und ihr Mann Thorsten sind aktiv in der Packebuscher Feuerwehr, die in diesem Sommer ihren 130. Geburtstag groß feiern will.

Einmal, ergänzt Thorsten Tuchlinski, müsste der Bundesverteidigungsminister sich auf jeden Fall nochmal um Packebusch kümmern. Die Grabstelle von Onkel Günter muss weiter gepflegt werden. Nach 30 Jahren könnte sie dann aufgelöst werden. Darum aber müssten sich die Angehörigen kümmern. Boris Pistorius ist der letzte aus der Familie, der dafür in Frage kommt. Vielleicht ist das dann auch ein Zeitpunkt für ein Wiedersehen mit dem Altmark-Ort.

MDR (Katharina Häckl, Hannes Leonard)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 01. Februar 2023 | 17:40 Uhr

6 Kommentare

dimehl am 02.02.2023

Über keinen Politiker sollte ein solcher Artikel in den ÖR-Medien erscheinen.
"Home-Stories" (und auch die ganze Adelsberichterstattung etc.) können die ÖR-Medien ruhig dem "Goldenen Blatt" und Anderen überlassen.

Der Pegauer am 02.02.2023

Da sieht man gleich, wer schon einmal gedient hat. Nicht, dass ich was gegen eine Frau als Verteidigungsministerin hätte. Aber nachdem schon Tausende Frauen bei der Bundeswehr gedient haben, erschließt sich mir nicht, dass da nicht eine einzige darunter ist, die für so ein Amt prädestiniert wäre. Aber Parteisoldatinnen haben eben mehr Chancen als Bundeswehrsoldatinnen.

goffman am 02.02.2023

Kritischer Journalismus bedeutet nicht, alles zu kritisieren, sondern sich mit der eigenen Berichterstattung kritisch auseinander zu setzen. Ziel ist, die Wirklichkeit durch nachvollziehbare Methoden so objektiv wie möglich abzubilden. Das ist mein Verständnis von einem guten Rundfunk.

Insofern haben auch Berichte über den gesellschaftlichen Hintergrund einzelner Politiker ihre Berechtigung. Unklar ist mir jedoch, wie es zu der Entscheidung kommt, dem einen Politiker das Image zu polieren, dem anderen jedoch nicht.

Ich kann mich nicht erinnern, dass derartig positive Artikel z.B. über Christine Lambrecht erschienen sind, obwohl es mit Sicherheit bei jedem Politiker die Möglichkeit gäbe. Wie kommt es dazu? Wie wird Objektivität gewahrt?
Eine Option wäre, beim Amtsantritt zu jedem Minister einen solchen Artikel zu verfassen, oder zufällig auszuwählen und dies kenntlich zu machen.

Vielleicht habe ich die Artikel zu den anderen Ministern aber auch lediglich übersehen.

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