Erwachsenenbildung in Stendal 2 min
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MDR SACHSEN-ANHALT Do 21.11.2024 12:28Uhr 02:12 min

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Analphabetismus Warum Erwachsene in Stendal nochmal Lesen und Schreiben lernen

24. November 2024, 16:02 Uhr

Viele Menschen mogeln sich bis ins Erwachsenenalter als Analphabeten durchs Leben. Vieles im Alltag hängt jedoch von der Schriftsprache ab. In Stendal lernen 32 Menschen in sogenannten Grundbildungskursen. Hier bei der Ländlichen Erwachsenenbildung können sie das Lesen und Schreiben nachholen. Welche Schwierigkeiten es gibt und wie das Lernen funktioniert.

Ein Portrait von Aud Merkel.
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Sechs Frauen und drei Männer sitzen im Unterrichtsraum der Ländlichen Erwachsenenbildung (LEB) in Stendal. Sie gehören zu den mutigen Analphabeten, die sich ihre Defizite beim Schreiben und Lesen eingestanden haben und nun noch einmal die Schulbank drücken. Im Alltag ergaben sich deshalb bisher immer wieder große Probleme. 

Anna Henschen hat sich bei der LEB auf Alphabetisierung und Sensibilisierung spezialisiert. Sie nennt zwei Beispiele: "Wir haben in unseren Kursen die Erfahrung gemacht, dass unsere Teilnehmenden sich davor fürchten, Formulare auszufüllen." Deshalb würden viele nicht zum Arzt gehen. Manche geraten in eine Schuldenfalle, weil sie die Verträge nicht lesen können. Es gäbe sogar Betrüger, die das ausnutzen in dem sie zum Beispiel den Betroffenen mehrere Handy-Verträge andrehen. Eine Kursteilnehmerin behilft sich mit einem Trick. Sie schickt die Amtsbriefe an ihren Cousin, der liest sie ihr dann vor.

Angst und Scham bei Millionen Betroffenen

Aber warum gibt es so viele Analphabeten, die sich verstecken und nicht zugeben wollen, dass sie nicht lesen oder schreiben können? Anna Henschen sagt, es seien neben Angst und Scham oft schwierige Familienverhältnisse. Viele würden mit dem "Durchmogeln" schon als Kinder in der Schule beginnen. Und das ziehe sich dann bis ins Alter hinein. Deshalb geht Anna Henschen auch in Behörden und Einrichtungen, um dort aufzuklären.

Eine junge Frau mit Brille
Anna Henschen Bildrechte: MDR/ Aud Merkel

Viele staunen dann über die hohe Zahl der Analphabeten. In Deutschland wurde 2018 die Zahl der Menschen mit geringer Literarität – also Menschen die nicht richtig lesen und schreiben können – auf mehr als sechs Millionen geschätzt. Das ergab eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Level-One-Studie (LEO) der Universität Hamburg. Für Sachsen-Anhalt vermutet man bis zu 200.000 Betroffene.

LEB hofft auf Förderung

In der LEB Stendal lernen derzeit 32 Menschen verschiedener Altersgruppen in den Grundbildungskursen. Damit das so bleibt, hofft man hier auf Gelder für die nächste Förderperiode. Bisher wird das Projekt aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Sachsen-Anhalt gefördert. Ein Stopp hätte fatale Folgen, denn Stendal ist für die gesamte Altmark die einzige Anlaufstelle für Menschen, die das Lesen und Schreiben nachholen wollen.

Einfache Lernmethoden

Im dreijährigen Grundbildungskurs der Erwachsenengruppe lernen hier Menschen von 40 Jahren bis zum Rentenalter. Ihre Lehrerin Stefanie Kummer sagt: "Erst wenn Vertrauen und soziale Sicherheit da sind und sich die Kursteilnehmer als Teil einer Gruppe fühlen und das nicht mehr innerlich in Frage stellen müssen, entsteht automatisch viel mehr Raum und Motivation, um sich dann für Lerninhalte zu öffnen". So wird in ihrem Unterricht auch schon mal eine Kürbissuppe gekocht. Dann muss das Rezept gelesen, die Zutaten rausgeschrieben und eingekauft werden. 

Drei Erwachsene lernen gemeinsam lesen.
Viele Betroffene schämen sich, weil sie nicht richtig lesen oder schreiben können. Bildrechte: MDR/ Aud Merkel

In der Gruppe herrscht immer gute Stimmung. Es wird viel gelacht. Hier sind alle stolz darauf, Fortschritte beim Lernen zu machen. Textmarker im Buchstabenrätsel, Bilderfolgen für das Lernen eines Gedichtes, in die Bibliothek gehen, gemeinsame Ausflüge – all das fördert den anschaulichen Unterricht. Eine Frau sagt: "Erst konnte ich gar nicht lesen, aber jetzt geht es schon besser. Auch im Alltag lese ich jetzt schon Briefe". Eine andere sagt: "Und ich bin auch ein bisschen reifer geworden, also schlauer."

ein Portrait einer Frau 43 min
Steffi Ores litt lange unter Analphabestismus, heute kann sie lesen und schreiben Bildrechte: MDR/Susann Böttcher

Anderen Mut machen

Auch wenn die Kursteilnehmer ihre Namen lieber nicht in der Öffentlichkeit lesen wollen, so wollen sie doch eines: anderen Mut machen. Sie sollen sich genauso wie sie trauen, den Behörden von ihren Schwierigkeiten zu erzählen und sich zum Lernen anmelden. Ein Mann, der jeden Tag dafür mit dem Bus aus Bismark nach Stendal kommt, bestätigt: "Wenn die im Amt Bescheid wissen, dann helfen die dir auch."

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MDR (Aud Merkel, Oliver Leiste), zuerst veröffentlicht am 23.11.2024

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 20. November 2024 | 14:40 Uhr

5 Kommentare

KarlStuelpner vor 2 Wochen

Darum ist es wichtig, dass die Kinder in der Schule viel lernen.

Das geht aber nicht, wenn Stunden ausfallen, klassenübergreifender Unterricht stattfindet, die Klassen mit Schülern überfrachtet sind die gar kein Deutsch sprechen und viel zu wenig Lehrer da sind.

von Manger vor 2 Wochen

Sehr gut erkannt, annähernd großartige Analyse. Ich verkneife mir jetzt die Frage, nach dem was Sie eigentlich konkret Aussagen möchten. Ich darf feststellen, Sie können offensichtlich einen Satz schreiben und bleiben dabei auf dem Niveau der Jammerlappen. Über wen oder über was möchten Sie sich dabei stellen?

Lila123 vor 2 Wochen

Irgendetwas läuft dann aber offensichtlich im deutschen Schulsystem falsch, wenn in den höheren Klassen nicht auffällt, dass ein Schüler kaum Lesen und Schreiben kann.
Aber ich finde es toll, dass es solche Hilfen für die Betroffenen gibt und viele die Hilfe auch annehmen.

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