Private Grundschule feiert Jubiläum Lehrer aus dem Ausland als Garanten für den Erfolg
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22. August 2024, 20:16 Uhr
Seit zwei Jahrzehnten wird in Stendal an der Bilingualen Grundschule Altmark vorzugsweise mit Lehrkräften aus dem Ausland gearbeitet. Hier gehört es zum Alltag für die Schülerinnen und Schüler, Englisch zu sprechen. Und das mit Lehrerinnen aus den USA, aus Kanada, Mexiko oder auch Jamaika. Da stellt sich die Frage, bekommen Privatschulen den Lehrermangel im Land besser in den Griff als staatliche Schulen? Zur Jubiläumsfeier in Stendal guckte auch Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) vorbei.
Mit dem Lied "We are the early birds" empfingen die Kinder der zweisprachigen Grundschule in Stendal die Festgäste. Das Lied vom frühen Vogel, der den Wurm erwischt, ist so etwas wie das inoffizielle Motto der Bilingualen Grundschule Altmark in Stendal.
Ein holpriger Start und ein besonderes Konzept
Genau vor 20 Jahren war die private Schule mit 21 Kindern und drei Lehrerinnen an den Start gegangen. "Es war ein nicht ganz einfacher Beginn, nicht nur wegen fehlender Schulräume, sagt Andy Zimmer", der Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH. Auch bei der Akquise von Lehrkräften lief es durchaus holprig. Um das besondere Konzept der Zweisprachigkeit umzusetzen, sollte eine junge Lehrerin aus Australien an der Schule unterrichten. "Das durfte sie aber zunächst nicht, weil sie keine Ausbildung für Englisch als Zweitsprache hatte", sagt Zimmer und schüttelt noch heute den Kopf. Die Frau sollte erst einmal Deutsch und Englisch studieren.
Über ein juristisches Verfahren konnte die Australierin Grace Jamieson dann aber doch eingestellt werden und prägte die Schule in der Anfangszeit, wie Andy Zimmer sagt. "Sie hat uns allen beigebracht, wie unser Schulkonzept überhaupt ausgefüllt werden kann", sagt die stellvertretende Schulleiterin Birgit Richter, die seit 2006 dabei ist und zuvor in Detroit zehn Jahre in den USA unterrichtet hatte. Es ging um ein sogenanntes immersives Konzept, bei dem die Kinder nicht nur zwei, drei Stunden Englisch auf dem Stundenplan haben, sondern mit einzelnen Lehrern fast ausschließlich Englisch sprechen und quasi in die englischsprachige Situation "hineingeworfen" werden.
Lehrkräfte aus vielen verschiedenen Ländern
"Wir haben bei späteren Neueinstellungen immer darauf geachtet, dass dieses Konzept mitgetragen wird", sagt Birgit Richter. Dabei ging es nicht nur um die Sprache, sondern auch die jeweilige Kultur der Herkunftsländer. "Wir sind eine bunte Schule", sagt Richter. Aus vielen Ländern wie Dänemark, Ungarn, Niederlande, Namibia und auch Jamaika kamen die Lehrkräfte in den letzten zwei Jahrzehnten.
Der Schule gelang es dabei immer wieder, neue Kräfte zu gewinnen – teils durch Zufälle, persönliche Kontakte oder auch gezielte Anzeigen. Dabei konnte an der Schule anfangs nur untertariflich gezahlt werden. "Ich habe immer gesagt, bei uns muss man mehr arbeiten und bekommt weniger Geld dafür. Das wollten viele nicht hören, es war aber die Wahrheit", sagt Geschäftsführer Andy Zimmer.
16 Lehrkräfte und 210 Kinder
Zusammen mit seinem Vater Manfred gründete Andy Zimmer die Schule 2004. Zimmer Senior hatte sich seit den frühen 1990er-Jahren mit geförderten Weiterbildungskursen für Arbeitslose beschäftigt. Als das zur Jahrtausendwende weniger nachgefragt war, suchte er mit seiner Firma Berufsbildungswerk Altmark (BBA) nach neuen Standbeinen. Die Idee der privaten Grundschule nahm Form an. "Mein Vater konnte kein Englisch und hatte keine Ahnung von Computern – genau das haben wird dann zum Konzept der Schule gemacht", sagt Andy Zimmer.
Heute arbeiten 16 Lehrerinnen und Lehrer an Schule und Hort sowie zehn pädagogische Mitarbeiter. 210 Schülerinnen und Schüler besuchen die Schulen. Seit 2006 gibt es ein eigenes Schulgebäude. "Private Schulen bereichern die Schullandschaft, darauf sind wir stolz", sagte Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) beim Jubiläumsfest. Sie sieht durch Privatschulen auch nicht die ganz große Konkurrenz bei der Lehrergewinnung. "Der Wettbewerb war schon immer da. Der ist ja eigentlich auch gut. Auch der Austausch, wenn mal eine Lehrkraft aus einer freien Schule in die öffentliche Schule geht und umgekehrt, das bereichert beide Seiten."
Keine Verbeamtung, dafür mehr Freiraum
"Dass ich vor 18 Jahren an der staatlichen Schule gekündigt habe, um diese Schule mit aufzubauen, habe ich keine Sekunde bereut", sagte Schulleiterin Antje Kopp bei der Jubiläumsfeier. Sie schätzt den Freiraum, den sie hat. Allerdings haben auch durchaus Lehrkräfte die freie Stendaler Schule verlassen. An der staatlichen Schule winkte die Verbeamtung.
"Auch die freien Schulen haben Schwierigkeiten, Lehrkräfte zu bekommen, insbesondere ausgebildete. Sie arbeiten auch viel mit Seiteneinsteigern und Honorarkräften", sagt Eva Feußner. Dem pflichtet Andy Zimmer durchaus bei. "Aus meiner Sicht wird künftig keine Schule ohne Seiteneinsteiger überleben. Der Geschäftsführer verweist aber auf geringe Fluktuation an der eigenen Schule. "Wir punkten sicher mit den Arbeitsbedingungen, weil wir ein kleines Team sind, das wir uns selber zusammenstellen können", sagt er.
Eltern zahlen 190 Euro Schulgeld
Um die Finanzierung der Schule über eine gemeinnützige GmbH abzusichern, zahlen Eltern ein monatliches Schulgeld von 190 Euro. Die Lehrer verdienen dadurch aber nicht mehr als an staatlichen Schulen, sagt Zimmer. Vielmehr musste die Schule – genauso wie andere in Sachsen-Anhalt – schon gegen das Land klagen, um die gesetzlich geregelte Finanzhilfe in voller Höhe zu erhalten. "Gott sei Dank haben wir da vor Gericht Recht bekommen." Investiert wird das Geld in die Schulausstattung. Gewinn darf nicht gemacht werden. Ohnehin musste die Schule die ersten drei Jahre ihrer Existenz – so ist es gesetzlich vorgesehen – ganz ohne Finanzhilfen auskommen.
Und was die Akquise von ausländischen Lehrern angeht, gebe es "kleine Fortschritte", sagte Bildungsministerin Feußner in Stendal. In der Bildungsministerkonferenz der Länder habe man beschlossen, bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse künftig geringere Hürden zuzulassen. "Dabei geht es nicht nur um die Begegnung des Fachkräftemangels in den Schulen, es ist ja ein Problem verschiedener Branchen."
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 22. August 2024 | 12:40 Uhr