GeschwindigkeitsüberschreitungNach langer Wartezeit: Ziegenhagen im Landkreis Stendal hat endlich seinen Blitzer
Kaum jemand freut sich über einen stationären Blitzer am Straßenrand. Die Einwohner des Dörfchens Ziegenhagen bei Osterburg schon. Sie haben jahrelang für ein solches Gerät gekämpft, weil sie sich teilweise ihres Lebens nicht mehr sicher fühlten. Am Dienstag ist der Blitzer in Betrieb gegangen.
- Weil Autofahrer immer wieder das Tempolimit auf der Ortsdurchfahrt durch Ziegenhagen ignorierten, fühlten sich die Anwohner nicht mehr sicher.
- Erst nach jahrelangem Kampf konnten die Ziegenhagener den Landkreis Stendal dazu bewegen, einen Blitzer in dem Ortsteil Rochau zu installieren.
- Der Blitzer wurde schon Tage vor der Inbetriebnahme aufgestellt und zeigte bereits Wirkung.
Mehr als zweieinhalb Millionen Fahrzeuge sind im vergangenen Jahr durch Ziegenhagen gefahren. Durch das Dörfchen bei Osterburg führt die Bundesstraße 189. Innerhalb Ziegenhagens gilt die übliche Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h. Doch Messungen von Polizei, Landkreis und Gemeinde zeigten: Tausende Autofahrer hielten sich nicht an die Regeln.
Anwohner fühlten sich nicht sicher
In Ziegenhagen kommt noch dazu: Damit die Anwohner von einer Seite des Dorfes über die B 189 auf die andere Seite wechseln oder Besucher des Gasthofs vom Parkplatz zur Gaststätte gelangen können, ist vor einigen Jahren eine Fußgängerampel aufgestellt worden. Die schaltet, wenn sie entsprechend bedient wird, auf Rot. Doch selbst das ignorieren manche Autofahrer.
Anwohner berichteten MDR SACHSEN-ANHALT, Kinder könne man zum Beispiel nicht allein über die Straße lassen – trotz Fußgängerampel. Man könne sich nicht sicher sein, dass die Autos wirklich bei Rot anhalten. Auch ältere Menschen fühlten sich nicht sicher mit der Situation.
Autofahrer mit 175 km/h erwischt
Beschwert und gemahnt haben die Ziegenhagener und auch ihr Bürgermeister Dirk Zeidler jahrelang. Doch nichts passierte. Bis das Messgerät der Gemeinde – es war angeschafft worden, um Argumente für einen stationären Blitzer zu sammeln – im vergangenen Jahr ein Auto registrierte, das mit 175 Sachen durch Ziegenhagen raste. Das brachte die zuständigen Stellen in Bewegung.
Die behördliche Gemengelage für den stationären Blitzer in Ziegenhagen ist außergewöhnlich. Zuständig für Anschaffung und Betrieb solcher Geräte ist normalerweise der Landkreis. Doch der hat Millionen Euro Schulden und kann sich noch einen Blitzer nicht leisten (in Buchholz und Erxleben stehen jeweils zwei, ebenfalls an der B 189).
Zudem ist die Ziegenhagener Ortsdurchfahrt eine Bundesstraße. Für Baumaßnahmen und Veränderungen ist der Landesbaubetrieb Sachsen-Anhalt Nord verantwortlich. Und: Blitzer dürfen eigentlich nur in Gemeinden aufgestellt werden, die 20 000 Einwohner und mehr haben. In Ziegenhagen selbst leben ungefähr 35 Menschen, in der Gemeinde Rochau, zu der das Dorf gehört, keine Tausend.
Kompromiss nach zähem Ringen
Trotzdem: Der 175 km/h-Schock saß so tief, dass eine Lösung gefunden wurde. Der Landesbaubetrieb Nord stimmte nach etlichen Unterredungen dem Projekt zu. Dem klammen Landkreis sprang die Gemeinde zur Seite. Rochau finanziert die gut 200.000 Euro für die Anschaffung des Blitzers auf eigene Kosten. Die Abrechnung übernimmt der Landkreis. Rochau kann die Einnahmen durch Verwarn- und Bußgelder so lange kassieren, bis die Gemeinde den Kaufpreis wieder raushat, danach gehen die Einnahmen an den Kreis.
Die Statistiken der beiden Blitzersäulen im Nachbarort Erxleben zeigen: Obwohl diese Geräte mittlerweile seit etlichen Jahren in Betrieb sind, erwischen sie doch noch viele Raser. "Die Blitzer in Erxleben rechnen sich", sagte Kreis-Dezernent Sebastian Stoll MDR SACHSEN-ANHALT. Im Jahr 2023 wurden laut Landkreis 4.380 zu schnelle Fahrzeuge registriert, die Höchstgeschwindigkeit lag bei 97 km/h. Insgesamt passierten im vergangenen Jahr fast 2,9 Millionen Fahrzeuge den Ort.
Da werden erste Kosten fällig: Blitzer zeigt sofort Wirkung
Für die Ziegenhagener jedenfalls ist die Inbetriebnahme ihres stationären Blitzers ein Grund zur Freude. Erfahrungen der Nachbarn aus Erxleben zeigen nämlich, dass vor allem Pendler und Lkw-Fahrer, die sich im Zweifel per Funk über die stationären Blitzer informieren, auf die Bremse treten. Dieser Effekt war auch in Ziegenhagen spürbar: Die noch nicht mit Kameras bestückte Blitzersäule war am vergangenen Freitag gerade aufgebaut worden, da reduzierten schon mehr Autos als sonst ihre Geschwindigkeit im Ort. Und: Allein in den ersten 30 Minuten nach der Scharfschaltung hat es am Tag selbst bereits sechs Mal geblitzt. Darunter waren ein Lkw mit 68 und ein Pkw mit 99 Kilometern pro Stunde. Das wird teuer.
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MDR (Katharina Häckl, Marius Rudolph), zuerst veröffentlicht am 18.06.2024
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 18. Juni 2024 | 05:30 Uhr
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