Eine Gruppe von Studierenden läuft in Tagermünde von der Elbe zu den Häusern hoch, die an die Flusswärme angeschlossen werden sollen. 1 min
Studierende der Hoschule Anhalt helfen in Tagermünde bei der Erschließung für Flusswärme. Bildrechte: MDR/Aud Merkel

Energie aus dem Fluss Tangermünde will eine Wärmepumpe an der Elbe zum Heizen nutzen

31. Mai 2024, 07:49 Uhr

In Tangermünde wollen Einwohner ihre Häuser mit Wärme aus der Elbe heizen. Eine Flusswärmepumpe soll fast die gesamte Altstadt mit Heizwärme versorgen. Um das umzusetzen, wirbt nun eine Bürgerinitiative um Unterstützung. Es gibt schon konkrete Umnsetzungsideen.

Ein Portrait von Aud Merkel.
Bildrechte: Aud Merkel

Die Elbe zum Heizen nutzen – das klingt verrückt. Auf diese Idee war in Tangermünde noch niemand gekommen. Obwohl viele Bewohner kleiner Fachwerkhäuschen das gleiche Problem haben wie Tiemo Schönwald: "Wärmepumpen, die außen am Gebäude oder auf dem Grundstück stehen müssen, die kann man hier gar nicht bauen. Es ist kein Platz."

Die Häuser stünden immer direkt am Bordstein, oft sei da nur ein schmaler Gehweg, wenn überhaupt ein winziger Hof. Insofern gebe es da nicht viele Lösungen, so Schönwald.

Wärmegewinnung aus dem Fluss

Also haben Tiemo Schönwald und sein Nachbar Erik Weber Fachmessen besucht und mit Experten gesprochen. Dabei stießen sie auf eine einfache Lösung: Flusswärmepumpen. "Der Fluss hat immer eine bestimmte Temperatur und eine bestimmte Wassermenge. Die ganze Kernstadt könnte man versorgen mit 700 Litern pro Sekunde. Das Ganze kühlt man um 2 bis 3 Grad ab und leitet es wieder in die Elbe zurück." Inzwischen ist Tiemo Schönwald fast selbst zum Experten geworden und hat andere Bewohner für die Idee begeistern können.

Tiemo Schönwald zeigt aus der Altstadt von Tangermünde eine kleine Fachwerkgasse hinunter zur Elbe.
Tiemo Schönwald will in Tangermünde die Elbe zum Heizen nutzen. Bildrechte: MDR/Aud Merkel

Der Wärmeaustausch wird wie bei anderen Wärmepumpen mit Strom betrieben. Das funktioniert wie bei einem Kühlschrank und geht auch im Winter. Prof. Clemens Westermann von der Hochschule Anhalt hält das Prinzip für zukunftsweisend: "Hier haben wir die Chance, wirklich ein ganzes Quartier auf einen Rutsch klimaneutral zu bekommen", so der Professor.

Hier haben wir die Chance, wirklich ein ganzes Quartier auf einen Rutsch klimaneutral zu bekommen

Prof. Clemens Westermann, Hochschule Anhalt

"Und wenn die Häusereigentümer alle dahinterstehen, dass hier wirklich alle auch von der Wärme partizipieren und vom Gesamtumfeld, und das noch in einem denkmalgeschützten Bereich. Das ist natürlich verrückt." Bei solchen Ideen müsse man als Hochschule einfach unterstützen.

Eine Gruppe von Studierenden steht auf einer Wiese in Tangermünde an der Elbe.
Prof. Clemens Westermann erklärt Studierenden das Prinzip einer Flusswärmepumpe in Tangermünde. Bildrechte: Roland Hebestreit

Studierende der Hochschule Anhalt helfen bei Vorbereitung

Nun werden Studierende in die Vorbereitungen mit eingebunden. Sie helfen den Tangermündern bei den Datenerhebungen und lernen dabei das System Flusswärme selbst praxisnah kennen.

Bis zu 3.000 Haushalte könnten mit einer einzigen Flusswärmepume versorgt werden. Das wäre fast die gesamte Kernstadt von Tangermünde. Und es wäre ein Vorzeigeprojekt für die Stadt.

Davon ist Tiemo Schönwald überzeugt. "Weil wir keine Bauten an den Häusern oder auf den Grundstücken haben, sondern das alles verschwindet unter der Erde und im Industriegebiet. Und das ist natürlich für so eine mittelalterliche Stadt toll."

Kleine enge Gasse mit Fachwerkhäuschen und Kopfsteinplaster in Tangermünde. Eine Seite hat keinen Gehweg.
Diese Häuschen am Bleichenberg haben kaum Platz und wollen mit Fernwärme aus der Elbe heizen. Bildrechte: MDR/Aud Merkel

Flusswärmepumpe in Mannheim als Vorbild

Ein Tangermünder Unternehmer hat schon eine Halle für die riesige Flusswärmepumpe wie ein Vorbild in Mannheim angeboten. Eine benachbarte Agrargenossenschaft würde den nötigen Strom liefern. Für ein nötiges Wärmenetz gibt es auch schon Ansprechpartner.

Ob die Realisierung über eine Genossenschaft, ein Unternehmen oder eine andere Einrichtung läuft, steht noch nicht fest. Bis Ende des Jahres soll aber die Planung zur Finanzierung und Machbarkeit fertig sein.

Fünf Männer stehen in der Salzkirche von Tangermünde. Menschen auf Stühlen hören ihrer Präsentation zu.
Stromerzeuger Christian von Itzenplitz, Prof. Clemens Westermann, Erik Weber, Bürgermeister Steffen Schilm und Tiemo Schönwald in der Tangermünder Salzkirche. Bildrechte: MDR/Aud Merkel

MDR (Aud Merkel)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 29. Mai 2024 | 10:40 Uhr

4 Kommentare

ElBuffo vor 15 Wochen

Bisher hört man eher von Problemen durch zu warmes Wasser. Aber man kann sicher alles zerreden. Gibt es bei schon vorhandenen Flusswärmepumpen Erfahrungen mit Vereisung und Schwund von Tierarten? Ich sehe da eher die Nörgler jener, die nicht an einem Fluss wohnen, wie ungerecht das ist.

Otze vor 15 Wochen

Luftwärmepumpen sind weder wirtschaftlich noch ökologisch abstrus, sondern seit Jahrzehnten erprobte, wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Heizsysteme. Besonders beliebt übrigens in Skandinavien, wo es noch kälter ist, als hier.
Auch Flusswärmepumpen sind seit Jahren erprobt und funktionieren auch bei sehr niedrigen Temperaturen noch gut. Im Vergleich zur Gesamtenergiemenge eines Flusses wie der Elbe, ist die entnommene Energie vernachlässigbar gering. Da wird es nicht zu Problemen mit anderen Flussanliegern kommen. Abgesehen davon heizen Einleitungen von Industrie und Klärwerken den Fluss wieder auf.

weils so nicht unwidersprochen bleiben darf vor 15 Wochen

Ein klein wenig klüger als die wirtschaftlich und ökologisch abstruse Luftwärmepumpenförderung; man kann aber schon voraussehen, dass es entlang der Flüsse (denen man ja nicht beliebig viel Wärme entnehmen kann, weil sie - zumal dann, wenn man die Wärme braucht, also im Winter - irgendwann schlicht zufrieren) - Streit um die "Wärmerechte" geben wird - und auch um "Grenzwerte" zur Erhaltung der Lebenmöglichkeiten in den Flüssen. Aber noch sind wir am Anfang; auch wenn das tatsächliche "Erst-Projekt" am Ende (realistisch, was Investitionspotential und Zeitplan für Leitungsbauten in bodendenkmalträchtigem Altstadtraum angeht) um 90-99% kleiner ausfallen sollte - warum nicht Erfahrungen sammeln. Scheitern könnts aber (wie so vieles) an den Grünen - wär halt Pech, wenn bei irgendeinem geschützten spezialisierten Elbeschlamm-Borstenwurm nicht nachgewiesen werden könnte, dass er auch bei 3 Grad weniger nicht wegzieht ...

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