DRK schlägt AlarmWeniger Personal für Menschen mit Behinderungen befürchtet
Das Deutsche Rote Kreuz Sachsen-Anhalt schlägt Alarm. Zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen meldet es sich lautstark zu Wort. Befürchtet werden massive Einschnitte bei der Förderung von Menschen mit Behinderungen. Was das für die Einrichtungen und ihre Menschen bedeutet.
- Das Sozialministerium plant eine neue Verordnung zur Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen – das Deutsche Rote Kreuz befürchtet, dass diese zu Lasten der Betroffenen geht.
- Der DRK-Landesverband rechnet mit drastischem Personalabbau.
- Mitte Dezember soll die neue Verordnung im Landtag verabschiedet werden.
Auf dem Julianenhof bei Havelberg werden 46 Menschen mit schwersten geistigen und körperlichen Behinderungen rund um die Uhr betreut. Sie sind zwischen 2 und 57 Jahre alt und können nicht zu Hause gepflegt werden. Sie leben in zwei Gebäuden des DRK Östliche Altmark.
Julianenhof droht zwanzig Prozent weniger Personal
Die Leiterin des Wohnheimes, Andrea Albrecht, sieht einer geplanten neuen Verordnung der Landesregierung mit großen Sorgen entgegen. Sollte sie in Kraft treten, würden bei ihr rund 20 Prozent Personal wegfallen. Das würde zu Lasten der Bewohner gehen, sagt sie: "Dann ist wohnen in einem Wohnheim in Sachsen-Anhalt eine Verwahrung, keine Betreuung mehr, keine Tages-Förderung mehr, sondern Verwahrung wie 1950. Dann ist nur noch 'satt und sauber', zufrieden wahrscheinlich auch schon nicht mehr."
Das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration Sachsen-Anhalt hatte 2019 einen Rahmenvertrag zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen abgeschlossen. Zur Nachbesserung gab es seitdem Verhandlungen mit der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege im Land Sachsen-Anhalt e. V. und der LAG, der Landesarbeitsgemeinschaft der privaten Leistungserbringer Sachsen-Anhalt. Doch laut LIGA wurden diese Verhandlungen vom Ministerium im März 2024 abrupt abgebrochen und ein Entwurf für eine neue Verordnung vorgelegt.
Menschen mit Behinderungen sollen selbst entscheiden können, wo und wie sie leben. Soweit herrscht Konsens. Eine Betreuung in Wohngruppen oder beim selbstständigen Wohnen braucht weniger Personal als eine Heim-Betreuung. Das Ministerium will nun eine Umschichtung.
Wohnheim-Personal soll effizienter arbeiten
Unter dem Begriff "Ambulantisierung" sollen mehr Menschen selbstständig oder in Wohngruppen und weniger in Heimen wohnen. Das spart Geld und in den Wohnheimen soll das Personal effizienter arbeiten. Sozialministerin Petra Grimm-Benne sagt: "Für die Leistungserbringer hat dies zur Folge, dass das finanzierte Personal zielgenauer eingesetzt werden muss."
Doch das kritisiert das DRK aufs schärfste, denn das liefe auf Personalabbau hinaus. Die geplante Verordnung gehe zu Lasten der Menschen mit Behinderungen. Christian Slotta vom Landesverband sagt: "Wie viel Teilhabe und Selbstbestimmung ist bei weniger Zeit dann noch möglich. Von daher sehen wir das für Menschen mit Behinderungen als eine klare Verschlechterung der Leistungen, die sie benötigen."
Ambulante Betreuung: Personalschlüssel soll herabgestuft werden
Auch ein zweites Argument wird vom DRK kritisch betrachtet. Ministerin Petra Grimm-Benne sagt: "Ziel des neuen Rahmenvertrages ist es, eine maßgeschneiderte Unterstützung von Menschen mit Behinderungen zu stärken, damit sie z.B. auf dem ersten Arbeitsmarkt besser Fuß fassen können". Christian Slotta hält dagegen, viele Menschen wie zum Beispiel auf dem Julianenhof können gar nicht arbeiten. Und andere bräuchten bei der Integration in Arbeit dann eine große Unterstützung. Aber auch da soll gespart werden. Bei der ambulanten Betreuung soll der Personalschlüssel von 1 zu 12 auf 1 zu 14 herabgesetzt werden. Das heißt, eine Fachkraft kümmert sich um 14 Menschen, die Hilfe im Alltag benötigen.
Wie viel Teilhabe und Selbstbestimmung ist bei weniger Zeit dann noch möglich. Von daher sehen wir das für Menschen mit Behinderungen als eine klare Verschlechterung der Leistungen, die sie benötigen.
Christian Slotta | DRK Sachsen-Anhalt
Die geplanten Verbesserungen würden nach hinten losgehen. In einer gemeinsamen Stellungnahme der LIGA der freien Wohlfahrtsverbände heißt es: "Die neuen Personalschlüssel bedeuten in weiten Teilen eine drastische Leistungskürzung zu Lasten der leistungsberechtigten Personen. Dies widerspricht diametral dem Ziel, Teilhabe zu verbessern."
Neue Verordnung soll im Dezember verabschiedet werden
Mitte Dezember soll die neue Verordnung im Landtag verabschiedet werden. Die LIGA fordert eine Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Wohlfahrtsverbänden und den Erhalt der derzeitigen Personalschlüssel. Das würde aber dann für das Land mehr Kosten bedeuten, denn wie überall steigen auch in der Behindertenhilfe die Löhne und die Sachkosten. Die für 2025 eingeplanten 711 Millionen Euro würden laut DRK diese Kostensteigerungen nicht decken.
Es bleibt also abzuwarten, wie das Land bei der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen entscheidet und, ob das DRK und andere mit ihren Forderungen gehört wird. Die LIGA gibt in ihrer Stellungnahme bekannt: "Eine derart rechtswidrige Verordnung wird den Leistungserbringern keine andere Wahl lassen, als dagegen gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen."
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MDR (Cornelia Winkler)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 03. Dezember 2024 | 06:30 Uhr
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