Erneuerbare EnergieWindräder im Wald: Havelberg streitet über den Nutzen
Windkraft aus dem Wald – das ist nun mit einem neuen Bundesgesetz möglich. Die Stadt Havelberg hat sich darauf lange vorbereitet und will nun starten. Doch aus dem Rathaus weht ihr ein harter Wind entgegen.
- Die Stadtgesellschaft in Havelberg streitet über neue Windräder in einem nahe gelegenen Wald.
- Der Bürgermeister will so das Defizit in der Haushaltskasse mindern; Kritiker fürchten um die Kulturlandschaft.
- Inzwischen sind die Fronten verhärtet; in der Stadtverwaltung will man weiter auf Kommunikation setzen.
Martin Teubner zeigt vom Domberg aus auf Havelberg. Er verweist auf die Schönheit der idyllischen Kleinstadt und ihrer Umgebung, hier, wo Havel und Elbe aufeinandertreffen. "Es gibt Dinge auf dieser Welt, die unbezahlbar sind. Und dazu gehört die Lebensqualität", sagt Martin Teubner. Sein Verein "Gegenwind" will hier keine Windräder. Er verweist auf Natur- und Tierschutz.
Die Havelbergerin Angelika Padelt gehört zwar nicht zum Verein, unterstützt aber dessen Anliegen. Denn sie will sich dafür einsetzen, dass die gewachsene Kulturlandschaft nicht überfordert wird. "Havelberg ist ausgewiesen als Landschaftsschutzgebiet, aber auch als staatlich anerkannter Erholungsort." Der gesamte Elbe-Havel-Winkel gilt als besonderes Brut-, Rast- und Überwinterungsgebiet für Wat- und Wasservögel und unterliegt einem besonderen Schutzstatus.
Windräder im Wald werden streng geprüft
Nun hat sich das Land Sachsen-Anhalt einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes angeschlossen und erlaubt das Aufstellen von Windkraftanlagen auch im Wald. "Diese Gesetzesänderung bedeutet jedoch nicht, dass in sämtlichen Waldteilen uneingeschränkt Windkraftanlagen errichtet werden dürfen", sagt Sachsen-Anhalts Forstminister Sven Schulze (CDU). Alle Anlagen bedürfen strenger Prüfverfahren und einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung.
Die Stadtverwaltung in Havelberg hat sich lange auf das Bauen im Wald vorbereitet und will nun durchstarten. Bis 2030 könnten mehr als 20 Windräder auf Ackerflächen und im Wald nördlich der Stadt aufgestellt werden. Der vorgesehene Waldabschnitt sei ein Wirtschaftswald, kein natürlich gewachsener Mischwald und somit für Windkraft zugelassen.
Mit Windkraft die Stadtkasse füllen
Bürgermeister Matthias Bölt schiebt ein Haushaltsloch von ca. 1,5 Millionen Euro vor sich her. Die will er nicht durch Steuern von den Bürgern holen. "Was ich sowieso grundsätzlich gut finde, ist, wenn man einen ökologischen Weg einschlägt, Energie zu gewinnen, und dass wir als Kommune Sachen für unsere Bürger auch umsetzen können, ohne sie über Gebühr zu belasten." Jedes Windrad könnte 30.000 bis 100.000 Euro pro Jahr in die Stadtkasse spülen.
Der Stadtrat hatte sich mit 17 zu einer Stimme für die Windkraft ausgesprochen. Die Stadtwerke sollen nun mit der Bremer Firma WPD AG kooperieren und in die Planung gehen. Windkraftgegner Martin Teubner will das nicht hinnehmen. "Wir machen jetzt hier einfach, was wir wollen, und Hauptsache der Rubel rollt und wir investieren hier." Er sammelte 1.000 Unterschriften für einen Bürgerentscheid. Der aber wurde wegen formaler Fehler abgewiesen.
Bürgermeister: Wir reden miteinander
Bürgermeister Mathias Bölt sagt, es sei ein demokratischer Prozess. Er habe die Öffentlichkeit und Stadträte rechtzeitig einbezogen. Auch mit 120 Grundbesitzern wurde gesprochen. Davon seien ca. 90 Prozent für die Windräder. Es habe Bürgerinformationsveranstaltungen gegeben und er habe mit dem Gegenwind e.V. schon mehrfach im Rathaus zusammengesessen. "Wir versuchen dann auf Argumente einzugehen, für und dagegen. Wir reden miteinander." Mit allen Abwägungen und Umweltprüfungen stünde man ja auch erst ganz am Anfang.
Sebastian Horn, Geschäftsführer der Stadtwerke, ärgert sich über die Art und Weise, wie einige Windkraftgegner in den sozialen Medien auftreten. Da würden schon mal persönliche Beleidigungen wie "Umweltsau" und "Kapitalistenschwein" fallen. Dabei habe man schon doppelt so viel Abstand wie vorgeschrieben zu den Windrädern festgelegt und wolle auch alle anstehenden Umweltprüfungen und Abwägungen ernst nehmen, sagt Sebastian Horn.
Es würde nur so viel gebaut, wie zulässig ist. "Wenn vor Ort etwas passiert, dann müssen auch die Energieversorger mit eingebunden werden, sodass sie das Steuerungs- und Lenkungsinstrument in der Hand haben und zum Wohle der eigenen Region agieren können." Und das solle sich auch auf günstige Energiepreise für die Bürger auswirken.
Die Fronten zwischen Rathaus und Windkraftgegnern sind trotz aller bisherigen Gesprächsangebote verhärtet. Wenn die Stadt die Bürger mitnehmen will, muss sie weiter auf viel Kommunikation setzen.
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MDR (Aud Merkel, Hannes Leonard)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT | 03. September 2024 | 12:00 Uhr
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