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2015 verschwand die damals fünfjährige Inga Gehricke aus Schönebeck spurlos bei Stendal – mittlerweile sind sieben Jahre vergangen und der Fall ist ein sogenannter Cold Case, in dem aktuell nicht mehr ermittelt wird. Bildrechte: Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord

Seit sieben Jahren verschwundenFall Inga ist ein "Cold Case", der niemanden kalt lässt

03. Mai 2022, 07:11 Uhr

Vor sieben Jahren verschwand die damals fünfjährige Inga im Stendaler Ortsteil Wilhelmshof. Bis heute fehlt von dem Mädchen jede Spur. Es ist der wohl rätselhafteste ungelöste Kriminalfall in Sachsen-Anhalt. Obwohl das Verfahren offiziell eingestellt ist, gibt es auch weiterhin Bemühungen um eine Aufklärung.

Die Akte von Inga hat bei Rechtsanwältin Petra Küllmei auf dem Schreibtisch einen festen Platz. "Ich lege die gar nicht weg", sagt die Magdeburger Juristin, die seit fast drei Jahren die Interessen von Ingas Mutter vertritt. Die Mutter hofft nach wie vor, dass ihr Kind doch noch lebend ausfindig gemacht wird.

Bislang mehr als 2.000 Hinweise

"Wir haben alles überprüft, was an uns herangetragen wurde", sagt der Stendaler Staatsanwalt Thomas Kramer. Insgesamt habe es bisher 2.190 Hinweise gegeben. "Das Aktenmaterial ist unfassbar umfangreich", so Kramer. Natürlich stamme die überwiegende Zahl der Hinweise aus der unmittelbaren Zeit nach Verschwinden des Kindes am 2. Mai 2015.

Mehrfach wurde in der ZDF-Sendung "XY ungelöst" und auch bei der MDR-Fahndungssendung "Kripo live" berichtet und nach Zeugenhinweisen gefragt. "Wir sind allem nachgegangen", sagt Kramer. Das Verfahren ist mittlerweile eingestellt – ein sogenannter Cold Case. "Das heißt aber nicht, dass die Sache abgeschlossen ist", meint Kramer. Bei neuen Anhaltspunkten werde von der Polizei weiter ermittelt. Gewaltverbrechen hätten generell eine hohe Aufklärungsquote. Wobei er sich mit dem Wort "Gewaltverbrechen" nicht festlegen wolle, welches Schicksal der kleinen Inga widerfahren ist.

Wir wissen einfach nicht, was passiert ist.

Thomas Kramer, Staatsanwalt Stendal

Was die Ermittlungsarbeit von Anfang an so schwer machte, ist die Tatsache, dass es weder offizielle Tatverdächtige gab noch das Kind gefunden werden konnte. Zur Erinnerung: Ingas Eltern, im Sozialbereich tätig, waren an jenem verhängnisvollen Sonnabend im Jahr 2015 mit Freunden im Stendaler Ortsteil Wilhelmshof verabredet. Mit ihnen wollten die Schönebecker auf dem Gelände des Diakoniewerkes feiern und einen schönen Abend verbringen.

Das Areal ist von einem Wald umgeben. Rund 100 Suchtkranke und psychische Kranke werden zu diesem Zeitpunkt in Wilhelmshof betreut. An diesem Nachmittag tollen die Kinder im Wald herum und suchen Holz für ein Lagerfeuer. Auf dem Grillplatz wird das Abendessen vorbereitet. Um 18:40 Uhr wird Inga das letzte Mal gesehen. Nur wenige Minuten später erkundigt sich die Mutter nach ihrem Verbleib.

Theorie vom Unglücksfall hält sich lange

"Es sind nur ganz wenige Minuten, die fraglich sind", sagt Rechtsanwältin Petra Küllmei. Bereits um 20:13 Uhr wird die Polizei informiert. Noch in der Nacht beginnt die Suche mit bald schon mehr als 1.000 Helfern. Es wird lange davon ausgegangen, dass das Kind sich verlaufen hat und das Ganze ein Unglücksfall ist. Als in den Tagen danach jeder Quadratmeter in dem Forst abgesucht ist und Tümpel leergepumpt worden sind, macht sich mehr und mehr die Erkenntnis breit, dass ein Verbrechen wahrscheinlich ist.

Mai 2015: Mit Suchtrupps, Spürhunden und Helikoptern wird nach der vermissten Inga gesucht. Bildrechte: picture alliance / dpa

Fall Maddie: Kein Zusammenhang nachgewiesen

"Wir hoffen immer noch auf weitere Hinweise", sagt Rechtsanwältin Petra Kullmei. Zuletzt sei vor zwei Monaten der Staatsanwaltschaft ein Schriftsatz zugegangen. Die Juristin hatte auch auf Ermittlungen gedrängt, als im Sommer 2020 gegen den verurteilten Vergewaltiger Christian B. im Zusammenhang mit dem Fall Maddie ermittelt wurde. Das britische Mädchen war 2007 in Portugal verschwunden.

"Es gibt sehr auffällige Ähnlichkeiten beider Fälle", so die Rechtsanwältin. Zumal vor zwei Jahren bekannt wurde, dass Christian B. in Neuwegersleben (Bördekreis) ein Grundstück mit einem Abbruchhaus besaß. Nur einen Tag vor Ingas Verschwinden war Christian B. auf der A2 unterwegs und hatte auf einem Parkplatz bei Helmstedt einen Rempler mit seinem Auto verursacht.

"Es gibt keinen Hinweis auf eine Verbindung zum Fall Inga", sagt hingegen Staatsanwalt Thomas Kramer. Man habe weder bei einem Funkzellen-Abgleich feststellen können, dass Christian B. jemals in der Nähe von Wilhelmshof gewesen sei. Noch habe man bei der Durchsuchung des Privatgeländes in Neuwegersleben DNA-Spuren von Inga auf der dort entdeckten Kinderkleidung gefunden. Auch sichergestellte Datenträger ergaben keine Hinweise.

Verfahren trotz hoher Belohnung 2019 eingestellt

Im Übrigen hatte es nur in der Anfangsphase zwei Beschuldigte im Verfahren gegeben, wie Staatsanwalt Kramer auf Nachfrage mitteilt. Die Hinweise hätten aber keinen näheren Tatverdacht ergeben. Das Verfahren war 2019 eingestellt worden.

Entscheidende Hinweise gab es auch trotz einer sehr hohen Belohnung in Höhe von 25.000 Euro nicht. Nähere Informationen sind auf der Website woistinga.de zu finden.

Mehr zum Fall Inga und vermisste Kinder

MDR (Anne Gehn-Zeller)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 02. Mai 2022 | 09:30 Uhr

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