Seehausen, Bismark und Osterburg Deshalb haben die Jugendclubs im Landkreis Stendal Probleme
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29. November 2024, 19:02 Uhr
Kinder und Jugendliche im Landkreis Stendal haben es seit geraumer Zeit ziemlich schwer: Die drei Freizeitzentren, die der Landkreis in Seehausen, Bismark und Osterburg finanziert, stehen auf der Kippe. Es mangelt vor allem an geeignetem Personal und an Geld, gute Kräfte auch gut zu bezahlen. Die Folgen für die junge Generation, mahnen Fachleute, können erheblich sein.
Es gebe komfortablere Jobs in der Jugendarbeit, als die Leitung eines Jugendfreizeitzentrums im Landkreis Stendal, gibt Katrin Müller zu. Die Leiterin des Kreis-Jugendamtes verfolgt seit mehr als einem Jahr die vergebliche Suche nach Pädagogen, die die Clubs vor allem in Seehausen und Bismark zu neuem Leben erwecken könnten.
Aber solche Enthusiasten zu finden, sei im Moment nahezu unmöglich: Arbeitszeiten von Nachmittags bis in den Abend in maximal 30 Wochenstunden, alleinige Verantwortung für einen ganzen Jugenclub, eine Mischung zu sein aus Organisator, Psychologe und Nachhilfe-Lehrer – und das alles bei Bezahlung kurz über dem Mindestlohn, weil sich der Landkreis Stendal nicht mehr leisten kann.
Außerdem müssen die Bewerber auch einen pädagogischen Berufsabschluss vorweisen können. Das schreibe das Sozialgesetzbuch vor, sagt Katrin Müller, davon wolle man "auch nicht so locker vom Hocker abweichen". Jugendarbeit beschränke sich "ja nicht darauf, dass irgendwo jemand nur die Tür aufschließt". Es gehe um eine "zielgerichtete, fachlich begründete Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen", so Müller.
Fehlendes Personal, keine Räume und Vandalismus
Für die Jugendfreizeitzentren in Seehausen und Bismark werden seit mehr als einem Jahr Fachkräfte gesucht – vergeblich. In Seehausen hatte im vergangenen Jahr ein privater Geschäftsmann sogar aus Mitleid im Winter seine Räume in der Waldbad-Gaststätte den Kindern und Jugendlichen nachmittags zur Verfügung gestellt, hatte mit ihnen Hausaufgaben gemacht, sich ihre Sorgen angehört, hatte gebastelt und gekocht.
In Bismark hingegen suchen sich manche Jugendliche andere Ventile: Sie treffen sich an der Bushaltestelle vor dem geschlossenen Jugendfreizeitzentrum und haben auf dem Klub-Gelände schon vieles kaputt gemacht. Annegret Schwarz (CDU), die Bürgermeisterin der Einheitsgemeinde, will nach eigenen Angaben die Jugendlichen von der Straße "weghaben, weg von Aggression und Gewalt". Bei der Suche nach Personal für den Jugenclub will sie sich nicht mehr allein auf den Landkreis verlassen.
Muss das Personal einen pädagogischen Abschluss haben?
Für Annegret Schwarz müsste es – abweichend von den Richtlinien des Landkreises – nicht zwingend ein Pädagoge sein, der den Club in Bismark führt. Eine Respektsperson, ja, eine, die Erfahrung hat mit der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen – zum Beispiel in Vereinen. Sie hätte da auch schon jemanden im Hinterkopf. So lange der Landkreis aber den pädagogischen Abschluss verlangt, die Richtlinien nicht lockert, hat ihre Idee kaum eine Chance.
Alle drei Jugendzentren – in Osterburg, Bismark und Seehausen – waren bislang in Trägerschaft des Internationalen Bundes (IB). Er ist einer der großen Dienstleister in der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit in Deutschland, hat es aber auch nicht geschafft, binnen Jahresfrist neue Kräfte für die ostaltmärkischen Clubs zu gewinnen. Dabei seien feste Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche ganz wichtig, sagt Julian Reinecke vom IB in Osterburg. In vielen Fällen gäben Elternhäuser heutzutage nicht mehr den Rückhalt, den die junge Generation braucht.
Auf der Facebook-Seite des Jugendfreizeitzentrums Bismark hat der IB einen Beitrag geteilt, in dem steht, dass der Club vorerst ab dem 1. September 2024 geschlossen bleibe und eine Nachfolge für die dort freigewordene Stelle gesucht werde:
Gebäude sorgt beim Jugenclub Osterburg für Probleme
Doch auch sein Jugenclub in Osterburg steht vor ungewisser Zukunft. Das Gebäude entspricht laut Landkreis nicht mehr den Anforderungen – vor allem beim Brandschutz. Der Club müsse zum Jahreswechsel ausziehen. Das Haus stünde zum Verkauf. Die Folgen für die Arbeit des IB in Osterburg seien schwerwiegend. Es gebe kaum geeignete Objekte in der Stadt, in die ein Jugenclub einziehen kann. Zudem müsste aus dem geringen Regionalbudget für die Jugendarbeit dann auch noch Miete für einen neuen Jugenclub gezahlt werden. Und das, obwohl die Mittel ab 2025 ohnehin nochmal gekürzt wurden.
Doch bisher ist noch nicht einmal sicher, ob und wann es in Osterburg nach dem Jahreswechsel einen neuen Club geben wird. Der sollte möglichst mehr im Zentrum der Stadt liegen, sagten die Schüler Christian Wackwitz und Klaus Hewelt aus Osterburg MDR SACHSEN-ANHALT.
Vor allem, damit man auf dem dunklen Heimweg keine Angst haben müsse. Die beiden Gymnasiasten wünschen sich mehr Gehör für die junge Generation. Es scheine so, sagen sie, als würden die Politiker erst einmal die Probleme der Erwachsenen lösen und dann schauen, ob für die Jugend noch etwas übrig bliebe.
So wird das kommende Jahr für die Kinder und Jugendlichen im Landkreis Stendal spannend: Schaffen es Landkreis und IB, für den Club in Bismark eine Fachkraft zu finden und den Club wiederzueröffnen? Oder ist Bürgermeisterin Schwarz mit ihrer Idee erfolgreich, die offiziellen Ansprüche an solch eine Kraft herunterzuschrauben? Und wo kommt der Jugenclub Osterburg unter?
MDR (Katharina Häckl, Johanna Daher)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 29. November 2024 | 08:30 Uhr
Anuk vor 1 Wochen
Die Politik hat erst mal ihre Pflichtaufgaben zu lösen und nur weil ihnen einige davon nicht passen bleiben es trotzdem Pflichtaufgaben die nicht nur deshalb verschwinden weil man sich zu immer radikaleren rassitsichen Aussagen versteigt.
Jede Kommune hat einen Haushalt um den gerungen wird und der wird hauptsächlich durch mehr Einnahmen flexibler und nicht dadurch dass man glaubt gefühlte unnütze Esser oder Projekte rauswerfen zu können. Dass hier gerne die schwächsten der Gesellschaft gegeneinander ausgespielt werden sollen ist nicht nur in Sachsen-Anhalt so.
Anuk vor 1 Wochen
Wow - in diesen Hinterhof würde ich meine Kinder owhl äußerst ungern kommen lassen. Das sieht ja aus, als hätte da dreisisg Jahre keiner auch nur nen Eimer Farbe in die Hand genommen. Das modernste sind da noch die Mülltonnen.
Ich gebe Twisted recht, dass eine Kommune, insbesonders bei dem Leerstand den es gibt, hier besseres anbieten können sollte. Einfache Renovierungsarbeiten können bei gestelltem Material durchaus auch von kommunalen Handwerkern in Verbindung mit den Jugendlichen vorgenommen werden. Dann würde man vielleicht auch weniger Vandalismus sehen.
Sehr bezeichnend, dass man nicht mal mehr einen Sozialarbeiter findet. In Bezug auf dieses Beispiel finde ich die Leugnung des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels besonders lächerlich. Dort wo es zu wenige Arbeitskräfte gibt werden halt diejenigen Arbeitgeber hinten runter fallen, die nicht mehr zahlen können. Das ist insofern tragisch, weil man z.B. auf Jugendarbeit nicht ohne Konsequenzen verzichten kann.
Anuk vor 1 Wochen
Tja da sehen sie mal wieder, dass es auf Realpolitik ankommt und nicht darauf, dass man sich bestimmte Dinge einfach einredet oder negiert, wie sie es an derer Stelle gerne mit den Folgen und auswirkungen des Klimawandels oder der zunehmenden Überalterung im Land tun.
Jugendarbeit kostet Geld und dieses Geld müssen die Kommunen über die Wirtschaftsleistung der Region erwirtschaften. Wenn diese aber massiv nach unten geht, weil die Region immer unattraktiver wird und sich selbst für sichere Jobs nicht mehr genügend Arbeitnehmer finden, dann sinkt auch die Wirtschaftsleistung.