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Bericht aus dem GerichtssaalMordprozess Kezhia: Prozess nach 30 Minuten vertagt

19. September 2023, 16:31 Uhr

Der Prozessauftakt um die Ermordung der 19-jährigen Kezhia H. aus Klötze war am Dienstag schnell beendet. Die Verteidigung sieht eine verfrühte Anklage durch die Staatsanwaltschaft Stendal. Es würden noch Unterlagen und Gutachten fehlen.

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Mit einer blauen Mappe vor dem Gesicht betrat der 43-jährige Angeklagte Tino B. am Dienstagmorgen den Gerichtssaal 218 im Landgericht in Stendal. Er wurde eskortiert von zwei Polizisten. Seit fünf Monaten sitzt er in der JVA in Burg. Die Zuschauer-Stühle waren voll besetzt, neben zahlreichen Journalisten auch Zuschauer – einige aus Klötze, dem Heimatort, sowohl des Opfers als auch des mutmaßlichen Täters. 

Erst als Richter Ulrich Galler dazu auffordert, die Kameras auszustellen und wegzulegen, nimmt auch der Angeklagte die Mappe zur Seite. Der Mann ist relativ klein und hat nur noch wenig Haare auf dem Kopf. Er wirkt äußerlich gelassen. Richter Galler macht da schon eher einen hibbeligen Eindruck und lässt durch einen Justizbeamten das Handy eines Zuschauers einkassieren, der offensichtlich die Verhandlung aufzeichnen wollte.

Leiche versteckt und dann verbrannt

Staatsanwältin Ramona Schlüter verliest die Anklageschrift und rekonstruiert zeitlich sehr genau den Tathergang am 4. März dieses Jahres. Damals soll Kezhia "um 13.01 Uhr" in Klötze an einer Bushaltestelle in seinen Lieferwagen gestiegen sein. Beide hätte schon seit Jahren eine intime Beziehung geführt. Eine halbe Stunde später seien sie in Niedersachen zwischen Hoitlingen und Jembke in einen Wald gefahren.

Dort habe es einen einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gegeben. Dabei oder unmittelbar danach sei es zu der Tötung gekommen. Der Täter habe sie mit 32 Messerstichen in Brust und Oberbauch getötet. "Sie ist innerhalb weniger Minuten von innen und außen verblutet", so Staatsanwältin Schlüter. "Eine Gegenwehr war nicht möglich."

Drei Tage später holte der Täter die zunächst nur versteckte Leiche in seinem Fahrzeug ab und brachte sie auf das Gelände eines Kieswerks bei Bahrdorf (Landkreis Helmstedt). Dort wurde die Leiche zunächst verbrannt und dann in einem Loch vergraben, so Staatsanwältin Schlüter.   

Prozess auf den 10. Oktober vertagt

Die beiden Anwältinnen des Angeklagten möchten am Dienstag die Sitzung am liebsten gleich wieder unterbrechen. Sie bemängeln, dass die Staatsanwaltschaft Stendal offensichtlich ihre Ermittlungen noch gar nicht abgeschlossen hätten. Ihnen fehlten Unterlagen zu Zeugenaussagen, auch seien Gutachten nicht vollständig abgeschlossen worden. Für Richter Galler nicht stichhaltig. "Sie liegen hier falsch." Staatsanwältin Schlüter wies darauf hin, dass eine Anklage erhoben werden solle, "wenn hinreichender Tatverdacht besteht" und nicht, wenn auch noch die letzte Zeugenaussage im Sekretariat abgetippt worden sei.

Im Übrigen seien Gutachten ohnehin immer vorläufig. Es gelte das, was die Gutachter mündlich vor Gericht aussagen würden. Richter Galler machte insofern einen Kompromiss, dass er nach rund 30 Minuten die Verhandlung unterbrach und die Fortsetzung auf den 10. Oktober vertagte. "Dann haben Sie genügend Zeit, sich vorzubereiten", sagt der Richter in Richtung Verteidigung.

Stahlknecht als Anwalt der Nebenklage

Zuvor hatte auch schon der ehemalige Innenminister Holger Stahlknecht, der die Familie von Kezhia H. in der Nebenklage vertritt, einen belehrenden Hinweis losgelassen. "Sie können auch Samstag oder Sonntag oder auch um 4 Uhr morgens Akten lesen, das gehört zum Job dazu." Die Anwältinnen hatten beklagt, einige Unterlagen zu kurzfristig erhalten zu haben.

Stahlknecht äußerte nach Sitzungs-Schluss, dass er im Namen der Mutter auch zivilrechtlich gegen den mutmaßlichen Täter Tino B. vorgehen werde. Es sollen Schmerzensgeld, Schadensersatz und Beerdigungskosten erstattet werden. "Natürlich kann das nicht ein Menschenleben aufwiegen", so Anwalt Stahlknecht. Aber der Mutter ist wichtig, jedes Mittel und jede Möglichkeit auszuschöpfen.

Zeugen-Anhörung für Oktober geplant

Bis zum Jahresende sind noch 14 Verhandlungstage angesetzt. Bei der nächsten Sitzung am 10. Oktober sollen vier Zeugen gehört werden, unter anderem Polizisten, die bei einer Hausdurchsuchung und der Untersuchung des Fahrzeugs dabei waren. Der Richter wird dann auch dem Angeklagten die Möglichkeit zur Aussage gegeben, wenn gleich dies derzeit nicht sehr wahrscheinlich scheint. Der Prozess müsste sich dann auf Indizien stützen. "So ist der Rechtsstaat und es wäre ja nicht das erste Mal, dass ein Urteil nur auf Indizien beruhe", so Stahlknecht.

     

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MDR (Bernd-Volker Brahms, Moritz Arand)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 19. September 2023 | 11:00 Uhr

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