Neues AsylbewerberheimLandesaufnahmeeinrichtung in Stendal: Eine Unterkunft für vulnerable Menschen
Nach rund vier Jahren Bauzeit soll die neue Landesaufnahmestelle für Asylbewerber in Stendal in der kommenden Woche in den Teilbetrieb gehen. Parallel wird noch weiter gebaut. Ende des kommenden Jahres soll die Einrichtung mit einer Kapazität für 1.000 Menschen ganz fertig sein. Das Land will damit besser auf Spitzen bei der Ankunft von Asylbewerbern eingestellt sein.
Aktuelle Nachrichten des Mitteldeutschen Rundfunks finden Sie jederzeit bei mdr.de und in der MDR Aktuell-App.
- In der neuen Landesaufnahmeeinrichtung sollen besonders vulnerable Personen untergebracht werden.
- Auch der Landkreis Stendal ist mit seiner Ausländerbehörde direkt auf dem Gelände vertreten.
- In der kommenden Woche sollen die ersten Menschen in die Wohnblocks einziehen – parallel wird weiter gebaut.
Als der damalige Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) im Jahr 2018 in Stendal bei einer Podiumsdiskussion den Bau der Landesaufnahmeeinrichtung verteidigte, da sagte er: "Ich möchte nicht noch einmal so dastehen wie 2015." In jenem Jahr hatte es im Zuge des Krieges in Syrien eine Welle an Flüchtlingen gegeben. Es mussten auch in Sachsen-Anhalt teilweise leerstehende Supermärkte und Hotels für die Unterbringung der Menschen angemietet werden. In Klietz (Landkreis Stendal) wurde eine Bundeswehrkaserne genutzt, teilweise wurden Turnhallen für die Unterbringung vorbereitet.
Neue Einrichtung soll besonders vulnerable Personen aufnehmen
"Die Betreuung der ankommenden Menschen verbessert sich mit der Einrichtung in Stendal", sagte Staatssekretär Klaus Zimmermann (CDU) aus dem Innenministerium am Freitag bei einem Rundgang durch die Anlage. Zum einen könnten dadurch einige Außenstellen – insbesondere diejenige in Bernburg – geschlossen werden und damit auch die Betreuung kompakter und effektiver erfolgen.
Anderseits könne man nunmehr auch die EU-Aufnahmeregeln erfüllen. "In Stendal sollen besonders vulnerable, schutzsuchende Personen untergebracht werden", erklärte Referatsleiter Volker Harms aus dem Innenministerium. Zu dem Personenkreis gehören demnach insbesondere Ältere, Schwangere, Gehbehinderte, alleinreisende Frauen und auch Kinder sowie Traumatisierte.
Um den Schutzbedürfnissen des Personenkreises gerecht zu werden, ist einer der Wohnblocks mit einem Sicht- und Schutzzaun umgeben. So soll verhindert werden, dass andere Bewohner jederzeit ungehinderten Zugang zu dem Gebäude haben. "So können wir einen zusätzlichen Schutzraum schaffen", sagt Harms. Die Erfahrung aus Halberstadt zeige, dass das Zusammenleben durchaus konfliktbehaftet ist. Hier solle gegengesteuert werden.
Für Kinder gibt es zwei Schulräume und auch ein Spielzimmer sowie einen Spielplatz auf dem Außengelände. Für die Betreuung ist die Caritas mit zunächst drei Beschäftigten in der Einrichtung, zwei sind in einer Lernwerkstatt für Kinder zwischen sechs und 17 Jahren zuständig, ein dritter Beschäftigter kümmert sich um die Asylverfahrensberatungen.
Ausländerbehörde auf dem Gelände
Zur Betreuung gehört auch ein Rückkehrerzentrum, wo die Menschen beraten werden, die freiwillig in ihre Heimatländer zurückkehren wollen. Auch der Landkreis Stendal ist mit seiner Ausländerbehörde direkt auf dem Gelände vertreten und unter anderem für die Auszahlung des "Taschengeldes" zuständig, wie Volker Harms erläutert.
Genauso wie die Essensversorgung für bis zu 300 Personen gleichzeitig in einem Container ist auch der Landkreis vorübergehend für vermutlich anderthalb Jahre in Containern untergebracht.
"Das wird hier alles transparent dargestellt", lobte die Wahrburger Ortsbürgermeisterin Carola Radtke (parteilos) am Freitag beim Tag der offenen Tür. Auch schon im Vorfeld sei sie als benachbarte Ortschefin in den vergangenen Monaten bei den Dienstberatungen mit dem Land und dem Landkreis dabei gewesen. Sie könne jedoch nicht verhehlen, dass es in Wahrburg große Vorbehalte und auch Ängste gegenüber der Einrichtung gebe. "Das wird auch offen geäußert", sagt sie. Sie habe immer wieder beruhigend eingreifen müssen. "Ich sage denen immer, wir müssen die Situation erst einmal abwarten", sagt Radtke.
Wenig Interesse am Tag der offenen Tür
Im Übrigen hielt sich das Interesse am Tag der offenen Tür in Grenzen. 85 Interessierte waren da – größtenteils Lokalpolitiker, einige Landtagsabgeordnete. "Mich hat erstaunt, dass auch die medizinische Versorgung hier auf dem Gelände passieren soll", sagte Ulrich Siegmund (AfD). In Havelberg schaffe man es nicht, ein medizinisches Versorgungszentrum aufzubauen und hier solle künftig ein Arzt vor Ort sein. Er habe auch keine Auskunft zu den laufenden Kosten erhalten, sagte Siegmund. Er habe hierzu bereits eine kleine Anfrage im Landtag gestellt.
Der Vereinschef von Post Stendal und Stadtrat Rico Goroncy (Linke) erkundigte sich nach Kontaktdaten. Er biete durchaus eine Zusammenarbeit bei der Freizeitgestaltung an, zumal der Sportplatz seines Vereins in unmittelbarer Nähe liege. Allerdings gibt es auf dem Gelände an der Gardelegener Straße bereits einen Fußballplatz sowie ein Basketball- und ein Beachball-Feld.
Was es dagegen nicht gibt: einen Betraum. "Hier kann jeder in seinem Zimmer beten", so Staatssekretär Zimmermann. Auch in Halberstadt in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung (ZASt) halte man die Religion draußen und habe damit gute Erfahrungen gemacht. "Die Menschen können ja auch rausgehen und in die Moschee oder die Kirche gehen, wenn sie das möchten. Sie sind ja nicht eingesperrt", sagte Zimmermann.
Ortsbürgermeisterin: Gelände sollte Bushaltestelle bekommen
Damit die Bewohner der Einrichtung vom abgelegenen Gelände auch in die Stadt kommen können und nicht unbedingt durch die Straßen von Wahrburg laufen müssen, wünscht sich Ortsbürgermeisterin Carola Radtke eine Bushaltestelle unmittelbar vor der Landesaufnahmeeinrichtung. "Ich habe deswegen schon eine Eingabe an den Petitionsausschuss des Landes geschickt", sagt sie. Bei anderen Gelegenheit bei Land und Landkreis habe sie sich bisher immer Abfuhren abgeholt.
Wenn in der kommenden Woche die ersten Menschen in die zwei Wohnblocks einziehen werden, dann wird in den kommenden anderthalb Jahren auf dem ehemaligen Kasernengelände noch weitergebaut. Ein Versorgungs- und ein Verwaltungsgebäude werden errichtet. Derzeit stehen dort nur noch die Pfeiler der bisherigen Gebäude. "Wir werden im Zeitplan bleiben", sagt Sven Engel vom Bau- und Liegenschaftsmanagement Sachsen-Anhalt (BLSA). Auch bei den Kosten rechne er mit keinen weiteren Steigerungen. Diese belaufen sich nach derzeitigem Stand auf 56 Millionen Euro. Im Dezember 2025 sollen die provisorischen Container abgebaut und das gesamte Gelände in Betrieb genommen werden.
Stahlknecht: Stendal werde "sicher bleiben"
Bei der Diskussionsveranstaltung 2018 in Stendal hatte Innenminister Stahlknecht nicht nur den Bau der Anlage verteidigt, sondern auch zwei Versprechen im Gepäck. Stendal werde auch mit der Landesaufnahmeeinrichtung "sicher bleiben", dafür sei die Polizei gut aufgestellt. Außerdem werde der Landkreis Stendal bei der sonstigen Unterbringung von Asylbewerbern entlastet. Nach Angaben von Landrat Patrick Puhlmann (SPD) bekommt der Landkreis bei den Zuweisungen für drei Bewohner in der Landesaufnahmeeinrichtung einen Asylbewerber angerechnet. "Wenn jetzt möglicherweise hier bald 600 Menschen sind, dann sind von uns 200 weniger unterzubringen. Das entlastet", sagt er.
MDR (Bernd-Volker Brahms, Hanna Kerwin)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT | 26. April 2024 | 09:30 Uhr