Eine Lehrerin steht neben einem dekorierten Weihnachtsbaum, sie trägt einen Strickpullover und eine blaue Brille. 1 min
Birgit Pitschmann jetzt an einer freien Schule in Niedersachsen, geht gegen ihre Kündigung in Sachsen-Anhalt aber weiter vor. Mehr dazu im Audio. Bildrechte: MDR/Katharina Häckl

Birgit Pitschmann "Als Lehrerin wieder glücklich": So geht es der gekündigten Pädagogin aus Stendal

24. Dezember 2024, 11:56 Uhr

Die Auseinandersetzung zwischen einer altmärkischen Grundschullehrerin und dem Landesschulamt Sachsen-Anhalt wird im kommenden Jahr fortgesetzt. Birgit Pitschmann war vom Land gekündigt worden, nachdem sie sich geweigert hatte, die so genannte Vorgriffsstunde zu geben. Wie es ihr heute geht.

Sie sei schon ohne die Zusatz-Stunde an der Grenze ihrer körperlichen und seelischen Kapazitäten angekommen – so hatte Birgit Pitschmann seinerzeit ihre Weigerung begründet, eine zusätzliche Stunde zu unterrichten. Dazu hätten an ihrer damaligen Grundschule im westaltmärkischen Henningen die Klassengrößen beigetragen, aber auch die aus ihrer Sicht fehlende Unterstützung bei der Beschulung von fremdsprachigen oder behinderten Kindern.

Doch warum die zusätzliche Stunde? Das Land Sachsen-Anhalt will mit der sogenannten Vorgriffsstunde dem Lehrermangel begegnen: Bis auf wenige Ausnahmen ist jeder Lehrer verpflichtet, eine zusätzliche Wochenstunde zu geben.

Erst die fristlose, dann die ordentliche Kündigung

Birgit Pitschmann aber weigerte sich, blieb trotz eines Personal-Gesprächs und einer Abmahnung bei ihrer Meinung und bekam deshalb vom Land erst die fristlose, dann eine ordentliche Kündigung. Dagegen ging sie vors Arbeitsgericht Stendal. Der Richter dort sah im Sommer die fristlose Kündigung als "unverhältnismäßig" an und erklärte sie für ungültig. Die ordentliche Kündigung aber blieb bestehen.

Jetzt haben Recherchen von MDR SACHSEN-ANHALT ergeben, dass beide Seiten in Berufung gehen. Birgit Pitschmanns Anwalt Marco Slotta sagte in Stendal, das Ziel bleibe, auch die ordentliche Kündigung aus der Welt zu bekommen. Es könne nicht sein, dass eine Lehrerin, die sich Jahrzehnte lang in ihrem Beruf engagiert hat, so abgestraft werde.

Pitschmann selbst sagte MDR SACHSEN-ANHALT, sie motiviere die Frage, wie man mit Menschen umgehe, die über Jahrzehnte gute Arbeit geleistet hätten. "Und wie man den Wert dieses Menschen so wegkehrt".

Für mich ist immer noch diese Motivation: Wie geht man mit einem Menschen um, der wirklich über Jahre, Jahrzehnte gute Arbeit geleistet hat. Und wie man den Wert dieses Menschen so wegkehrt.

Birgit Pitschmann Grundschullehrerin

Das Land Sachsen-Anhalt hat sich selbst einen Anwalt genommen und geht gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stendal in Berufung. Man will erreichen, dass sogar die fristlose Kündigung wieder eingesetzt wird. Das Landesschulamt sei bereit gewesen, "die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stendal vom 20. Juni 2024 zu akzeptieren" und hätte den Fall "gern zu den Akten gelegt". Man sei aber "zur Reaktion auf das neue juristische Vorgehen von Frau Pitschmann (…) gezwungen".

Birgit Pitschmann arbeitet wieder als Lehrerin

Derweil arbeitet Birgit Pitschmann wieder als Grundschullehrerin. Nicht in Sachsen-Anhalt, da ist ihr das wegen der Kündigung verboten, aber im benachbarten Niedersachsen, in einem kleinen Dorf unweit der Landesgrenze. Birgit Pitschmann ist dort stellvertretende Leiterin einer freien Grundschule und mit ihrem neuen Job glücklich. "Hier ist alles so frei, so familiär", schwärmt Pitschmann. "Ich kann hier wirklich das machen, wofür mein Herz als Lehrerin brennt."

Hier ist alles so frei, so familiär. Ich kann hier wirklich das machen, wofür mein Herz als Lehrerin brennt.

Birgit Pitschmann Grundschullehrerin

Der Arbeitsweg sei länger als früher, der Arbeitsaufwand wesentlich höher, die Bezahlung geringer, aber sie sei als Lehrerin wieder glücklich, sagte Birgit Pitschmann MDR SACHSEN-ANHALT.

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MDR (Katharina Häckl)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 26. Dezember 2024 | 11:00 Uhr

60 Kommentare

SGDHarzer66 vor 11 Wochen

Stimmt @ElBuffo - eine zielgerichtete Selektion ist unabdingbar. Schon allein dadurch wird der Leistungsgedanke gefördert und die Klassifizierung nach Lernergebnissen besser gesteuert.

ElBuffo vor 11 Wochen

Sie hat ihre Verweigerung mit Überlastung begründet und nicht mit Selbstbestimmung. Also ein kleines bisschen herumgeflunkert. Sicher im Wissen, dass es einen Grund hat, dass es sich abhängige Beschäftigung nennt und nicht Selbstständigkeit.

ElBuffo vor 11 Wochen

Es gibt unterrichtsfreie Zeiten? Und da kann man Überstunden abbummeln? Na das ist naturgemäß sehr unattraktiv. Genau dann wäre man doch sicher lieber im Dienst und würde die arbeitsfreie Zeit auf einen anderen Abschnitt legen.

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