Altmark Wie sich Stendals Unverpacktladen trotz Inflation hält

11. September 2022, 11:04 Uhr

Aufgrund von Corona und steigender Inflation haben Unverpacktläden zu kämpfen. Viele können oder wollen sich die Preise nicht mehr leisten. Doch ausgerechnet in Stendal in der Altmark setzt sich ein Unverpacktladen gut durch. Neben Kundennähe vermutet die Besitzerin von "MY Unverpackt" noch weitere Gründe für ihren Erfolg.

In einem gut erhaltenen Jugendstilhaus mitten im Stendaler Stadtzentrum lädt Yvonne Riesmann zum Einkaufen, wie man es sich in einem Tante-Emma-Laden vorstellt, ein. Im Sommer 2019 gründete die gebürtige Stendalerin "MY Unverpackt". Seitdem kamen einige Herausforderungen auf sie zu, wie die Corona-Pandemie oder die stark steigenden Preise.Im Gegensatz zu anderen Unverpackt-Läden hat Yvonne Riesmann aber einen entscheidenden Vorteil:

Der Laden ist schon alteingesessen, denn zuvor war er ein Tee- und Gewürzladen, den die "MY Unverpackt"-Gründerin der vorherigen Besitzerin abgekauft hat. Seitdem hat sie nach und nach das Sortiment umgestellt, so Riesmann. Hinzu kamen Alltagsgegenstände wie Bambuszahnbürsten, festes Shampoo, Brotdosen aus Metall und Lebensmittel wie Nudeln oder Backpulver, die aus Schütten oder Gläsern nach Bedarf abgefüllt werden können.

Yvonne Riesmann ist selbst davon überzeugt, dass sie nicht so gut durch die Corona-Monate gekommen wäre, wenn sie direkt nur mit unverpackten Produkten gestartet wäre. Einerseits konnte sie den Kundenstamm des zuvor circa 25 Jahre bestehenden Tee- und Gewürzladen übernehmen, anderseits konnte sie diese Kunden auch dazu animieren, das neue Sortiment auszuprobieren.

Auch im Teebereich habe ich viele Kunden, gerade Ältere, die sagen ‚Ach Mensch, zu Hause habe ich meine Teedose, dann bringe ich die direkt mit, dann muss ich die Tüte zu Hause nicht umkippen.‘ Da sage ich immer ‚Juhu ja super, das ist genau das, wo wir hinwollen!‘.

Yvonne Riesmann, Besitzerin Unverpacktladen Stendal

Gleichzeitig biete "MY Unverpackt" aber auch eine Ergänzung zu den Bauern- und Wochenmärkten, die sehr regelmäßig in Stendal stattfinden, erklärt Riesmann. Bei den Märkten liegt der Fokus vor allem auf frischer Ware, von Obst bis hin zur Wurst. Stendals Unverpacktladen bietet hingegen Trockenprodukte an. Unverpacktläden in anderen Städten bieten oft auch viel Frisches an, so wie Obst in Halles "abgefüllt" oder veganen Käse in Magdeburgs "Ernas LebensMittelPunkt". Das alles zusammengenommen sind für Riesmann mögliche Gründe, warum ihr Laden im Gegensatz zu anderen sich weiterhin gut hält.

Neue Website zum Jubiläum

"MY Unverpackt" besteht seit August nun drei Jahre. Zum Geburtstag schenkte Yvonne Riesmann sich selbst eine Kompletterneuerung der Website. Neben dem neuen Aufbau kam auch ein Bestellshop dazu, den sie lachend als "ihr kleines Baby" bezeichnet. Wenn man auf den Reiter "Shop" klickt, werden einem Geschenksets aus Gewürzen, Tee oder Kosmetikprodukten in rustikal wirkenden Tassen oder alten Metallkoffern angezeigt. Das Geschenkset, das am besten gefällt, wird ausgewählt und im Laden abgeholt.

Ob Yvonne Riesmann in Zukunft einen generellen Onlineshop einführen möchte, weiß sie noch nicht: "Online ist natürlich immer ein Thema. Ob ich das überhaupt möchte, weil wir gesagt haben, wir möchten den Laden hier erstmal vor Ort präsent machen." Sie verriet aber, dass sie für Stammkunden auch mal eine Ausnahme mache und zum Beispiel Gewürze in einem kleinen Briefumschlag versendet.

Die Situation anderer Unverpacktläden

In anderen Unverpacktläden in Sachsen-Anhalt ist die Situation kritisch. Der Besitzer von Halles "abgefüllt" konnte die steigenden Kosten aufgrund der Inflation nicht mehr decken. Deshalb ist der Unverpacktladen seit zwei Monaten vorübergehend geschlossen. Aktuell ist ein Konzept zur Rettung in Bearbeitung, bei dem die Kosten für den Laden auf zukünftige Mitglieder, die einen noch nicht festgelegten Beitrag zahlen, umgelegt werden.

Folgen der Inflation

Obwohl es in Stendal weit weniger kritisch zugeht, mussten dennoch einige Preise der Inflation angepasst werden, sagt Riesmann: "Ich merke schon, dass viele Lieferanten bestimmte Produkte von den Preisen her anpassen. Wir gucken ganz genau hin, wo wir die Preise anpassen, wo es sinnvoll ist für uns. Wo es nicht sinnvoll ist, lassen wir es aber auch." Aufgrund einer Stammkundschaft erkennt Yvonne Riesmann ihre Kunden aber oft wieder. Da merke sie auch, dass ein, zwei Kunden nicht mehr kommen.

MDR (Corinna Dietl, Anne Gehn-Zeller)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 09. September 2022 | 09:30 Uhr

8 Kommentare

Denkschnecke am 12.09.2022

Nein, stimmt. Im 21. Jahrhundert sind wir modern und kaufen Cola halbliterweise, deren leere Flaschen man direkt in die Gegend schmeißt. Früher war nicht alles schlecht.

Denkschnecke am 12.09.2022

Und was genau sollte daran nicht klappen? Wachsen Zwiebeln und Kartoffeln in Tüten, aus denen sie der Großhandel erst entnehmen müsste?
Wir kaufen schon seit Jahren Gemüse in mitgebrachten Netzen, die unser Bio-Supermarkt ausgibt. Gehen nicht kaputt und würde genauso in jedem konventionellen Supermarkt funktionieren.

geradeaus am 11.09.2022

Daumen hoch von mir Frau Riesmann. Hoffentlich überstehen sie das alles sehr gut mit ihrem Laden.

Ich muss zugeben das ich mehrere Möglichkeiten bei mir in der Stadt habe jedoch NOCH nicht den Service genutzt habe. Jedoch nehme ich seit vielen Monaten 1 oder mehrere Tupperboxen mit für Kuchen oder allgemein Nahrungsmittel. Viele Mitarbeitende kennen mich schon und wissen das sie bei mir den Wrap oder den Kuchen etc einfach in die Box legen brauchen.

Wenn das jeder machen würde... ja würde, wir würden so extrem viel Plastik einsparen. Die Meere würden es uns danken weil dort landet ja vieles davon.

Also Frau Riesmann, gutes Gelingen ^^

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