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Glyphosat, Fungizide, InsektizideImmer weniger Pflanzenschutzmittel: Was sich konventionelle Landwirte von der EU erhoffen

31. Mai 2024, 09:38 Uhr

Herbizide, Fungizide und Insektizide machen Lebensmittel kostengünstiger, indem sie Kulturpflanzen schützen und Unkräuter sowie Schädlinge fernhalten. Allerdings haben sie auch negative Folgen für die Artenvielfalt und können für Menschen gefährlich sein. Konventioneller Ackerbau ist ohne Pflanzenschutzmittel aber nicht machbar, meinen viele Landwirte, so auch Fred Neuling aus der Altmark in Sachsen-Anhalt. Von den anstehenden EU-Wahlen am 9. Juni 2024 erhofft er sich Planungssicherheit.

Wöchentliche Trächtigkeitsuntersuchung im Kuhstall. Ist eine Kuh schon schwanger, oder warum wird sie es nicht? Tierärztin Maximiliane Josten sieht von außen über ihre Ultraschall-Untersuchungsbrille ganz genau, was in der Kuh los ist. Auch Kälbchen Elwa kam im Kuhstall der GbR Wallstawe vor knapp drei Monaten zur Welt. Elwa hat sich seither prächtig entwickelt.

Wenn sie groß ist, wird sie eine der rund 1.000 Milchkühe im Stall in der altmärkischen Provinz. Noch bekommt Elwa ausschließlich Milch, bald wird sie auf pflanzliche Kost umgestellt, erklärt Herdenmanager Chris Kubaink: "Milch ist teuer. Jetzt geht es darum, die auf Wiederkäuerfütterung umzustellen." Wenn Elwa diese Umstellung gut verträgt, gesund und munter bleibt, wird sie bis zu sieben Jahren im Stall in Wallstawe verbringen, jährlich rund 12.000 Liter Milch geben und selber bis zu fünf Kälbchen gebären.

Kälbchen Elwa kurz nach der Geburt. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Pflanzenschutzmittel als günstiges Unkraut-Ex

Das Wiederkäuerfutter wächst auch auf den Feldern rund um den großen Kuhstall. Zum Sähen und Pflanzen muss der Boden möglichst unkrautfrei sein – in der konventionellen Landwirtschaft gibt es dafür unterschiedliche Methoden. So kann der Boden mit Scheibenegge, Grubber und Pflug bearbeitet werden, oder Unkräuter werden mit chemischen Pflanzenschutzmitteln vernichtet. Letzteres geht natürlich leichter, schneller und ist günstiger als den Boden zu bearbeiten.

Landwirt Fred Neuling führt die Geschäfte der die GbR Wallstawe. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Landwirt Fred Neuling ist Geschäftsführer der GbR Wallstawe und sagt: "Herbizid zu reduzieren geht natürlich, indem wir hacken und striegeln, was insbesondere im ökologischen Landbau eingesetzt wird. Aber es ist letztlich eine Kostensache. Es geht auch ohne Pflanzenschutzmittel, aber das kostet mehr. Die Frage ist, wer bezahlt es?" Der Einsatz von Pflanzenschutzmittel unterliegt strengen Vorgaben, an die sich Landwirt Neuling hält.

Agrarbetrieb in Wallstawe in der AltmarkWie im Osten typisch hat der Agrarbetrieb in Wallstawe in der Altmark eine LPG-Vergangenheit. Landwirt Fred Neuling leitet den Nachfolger der ehemaligen Produktionsgenossenschaft und ist damit verantwortlich für knapp 3.000 Hektar Land, 1.600 Kühe und Kälbchen sowie mehr als 60 Mitarbeiter. Der Betrieb produziert vor allem Milch, Tierfutter, Getreide und Rüben. Besonders wichtig ist die Kartoffelproduktion.

Der Einsatz und das Risiko von Pflanzenschutzmitteln in der Europäischen Union sollten bis 2030 halbiert werden. Das sah die geplante Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) vor. Doch die Mitglieder des EU-Parlaments lehnten diese Ende 2023 mehrheitlich ab. Dennoch hat die Europäische Union den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die auch Herbizide genannt werden, immer weiter eingeschränkt.

Kartoffelanbau ohne Pflanzenschutzmittel nicht möglich?

Auch bei der Kartoffelproduktion kommen Pflanzenschutzmittel zum Einsatz. Deshalb schaut der Leiter der Kartoffelproduktion, Max Radtke, besonders auf die Ergebnisse der Europawahl. "Im Pflanzkartoffel-Bereich müssen wir gegen die Blattläuse vorgehen, da die Blattläuse Virusüberträger sind. Ohne diese Blattlausbekämpfung würde ein Pflanzkartoffel-Anbau nicht mehr möglich sein. Mittlerweile schockt mich nichts mehr, glaube ich. Aber die letzten Jahre haben gezeigt, dass von heute auf morgen ganz schnell die Pflanzenschutzmittelliste kleiner wird." Mit Blick auf die Europawahl hofft er, dass sie ihm noch einige Mittel lassen.

Theoretisch wäre auch ein Pflanzkartoffelanbau ohne Pflanzenschutz in Deutschland möglich. Praktisch aber das würde zu einer Kostenexplosion führen, die die Verbraucher momentan noch nicht bereit sind zu zahlen. Viel mehr noch könnte es zu Folge haben, dass Käufer dann auf billige Pflanzkartoffeln aus dem nicht-europäischen Ausland ausweichen würden, wo eine strenge Kontrolle der Pflanzenschutzmittel nicht mehr so ohne weiteres möglich wäre, schätzt Landwirt Max Radtke. Pflanzenschutzmittel werden hierzulande streng getestet und kontrolliert. Dennoch haben sie Nebenwirkungen, so werden beispielsweise Insekten geschädigt, manche Mittel stehen im Verdacht für den Menschen schädlich zu sein. Deshalb gibt es strenge Regeln für ihren Einsatz sowie für deren Lagerung und die Reinigung der Landmaschinen, nachdem sie Pflanzenschutzmittel gespritzt haben.

Gleiche Regeln und Planungssicherheit gewünscht

Mit Blick auf die Europawahl wünscht sich Ackerbauchef Norbert Kühl gleiche Regeln für alle und mehr Planungssicherheit. "Das war ja eigentlich die Idee von Europa, dass es einheitlicher sein soll, aber das EU-Gesetze macht, dann Deutschland das wieder anders macht, dann jedes Bundesland wieder eigene Ideen dazu hat und dann noch wieder jeder Landkreis." Er sieht das Problem darin, dass man gar nicht mehr durchblicke, wann welches Gesetz wie lange gültig sei.

Ackerbauchef Norbert Kühl wünscht sich gleiche Regeln für alle von der EU. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Besonders umstritten ist das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. EU-weit ist Glyphosat bis 2033 zugelassen. In Deutschland wird ein Verbot noch immer diskutiert. Der Agrarbetrieb Wallstawe nutzt Glyphosat. Würde das Mittel verboten, dann müsste Landwirt Fred Neuling auf andere Methoden setzen: Etwa neue Bodenbearbeitungsmaschinen wie einen größeren Pflug und einen neuen Grubber anschaffen, um so das Unkraut zu bekämpfen.

Neben höheren Anschaffungskosten würde das auch mehr Arbeitsaufwand bedeuten. "Wir sparen dann Glyphosat ein oder haben es verboten, aber damit müssen wir andere Herbizide sogar mehr anwenden und im Endeffekt haben wir mehr Herbizid-Aufwand pro Hektar, als wenn wir Glyphosat einfach weiter anwenden würden. Also eigentlich wird durch Glyphosat aus meiner Sicht sogar Herbizid-Aufwand reduziert im Gesamten", erklärt der Landwirt.

BUND und Greenpeace für Glyphosat-VerbotErst vor wenigen Tagen demonstrierten Aktivistinnen und Aktivisten vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Greenpeace vor dem Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL) für einen besseren Schutz der Umwelt vor Pestiziden. Der BUND warnt vor Glyphosat und fordert ein Verbot. Laut BUND müssten EU-Kommission und das künftige EU-Parlament nach der Europawahl 2024 das Thema nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in der EU unverzüglich wieder aufnehmen. In Deutschland ist aus Sicht des BUND Bundesagrarminister Cem Özdemir gefordert: "Er muss sich weiterhin zum Reduktionsziel von mindestens 50 Prozent bis 2030 bekennen und endlich eine nationale Pestizidstrategie vorlegen, um die nötige Reduktion von Pestiziden in Deutschland sicherzustellen. Besonders gefährliche Stoffe wie Glyphosat müssen verboten werden."

Quelle: bund.net

Würde Glyphosat verboten, müsste sein Betrieb Mehrkosten von rund 115.000 Euro pro Jahr kalkulieren und könnte trotz allem auf Pflanzenschutzmittel nicht verzichten. Vom neuen EU-Parlament wünscht sich Fred Neuling vor allem längere Übergangsfristen und damit mehr Zeit. Diese Zeit brauche er, um seinen Betrieb an die großen personellen und finanziellen Herausforderungen anzupassen. Dann so sagt er, könne er den Wegfall verschiedener Pflanzenschutzmittel besser kompensieren.

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MDR (Carina Emig, Moritz Arand)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 27. Mai 2024 | 19:00 Uhr

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