JubiläumEines der ältesten Museen Mitteldeutschlands: 120 Jahre Prignitz-Museum in Havelberg
Vor 120 Jahren wurde das Prignitz-Museum in Havelberg gegründet. Damit ist es eines der ältesten Museen in Mitteldeutschland. Die Einwohner der Prignitz selbst hatten damals die Initiative ergriffen. Was mit ein paar archäologischen Funden begann, ist heute eine beeindruckende Sammlung. Das älteste Exponat, ein 9.000 Jahre alter Hirschgeweihstab, könnte sogar eine weltweite Sensation sein.
- Ein im Prignitz-Museum ausgestellter Hirschgeweihstab könnte ein extrem früher Schrift-Informationsträger sein, noch älter als die Keilschrift.
- Das 1904 gegründete Museum erhielt anfangs viele Schätze aus dem Havelberger Dom für seine Ausstellung.
- Es residiert seit 120 Jahren im ehemaligen Prämonstratenser-Kloster der Stadt.
Der etwa einen halben Meter lange Hirschgeweihstab liegt gerade wieder in seiner Vitrine im Prignitz-Museum. Er ist über und über mit Punkten, Ritzungen, Kerben verziert und das älteste Exponat des Museums – etwa 9.000 Jahre alt. Ein Arbeiter hatte es 1930 bei Arbeiten an der Havel bei Strohdehne entdeckt, ihm aber wenig Bedeutung zugemessen. Erst der zuständige Wasserbau-Ingenieur meldete damals den Fund.
Seitdem haben über die Jahrzehnte Forscher im In- und Ausland den Stab unter die Lupe genommen. Wozu diente er? Als Kommandostab für steinzeitliche Jäger? Haben Menschen damit Tiere gezähmt?
Hirschgeweihstab mit früher Schrift
Die Ergebnisse der neuesten Untersuchungen des Landesamtes für Archäologie und Denkmalschutz bergen eine kleine Sensation, sagt Museumsleiterin Antje Reichel: "Man hat festgestellt, dass ähnliche Striche und Verzierungen auch an anderen mittelsteinzeitlichen Stücken auftauchen. Sodass die Wissenschaftler jetzt annehmen, dass das eher ein Kommunikations-Puzzleteilchen ist. Also ein ganz früher Schrift-Informationsträger."
Sollten die Folgeuntersuchungen das Ergebnis bestätigen, ist der Hirschgeweihstab tatsächlich eine Sensation: Seine Schrift wäre älter als die Keilschrift.
Kulturschätze aus dem Havelberger Dom
Solche Exponate hätten die Gründer des Prignitz-Museums 1904 natürlich auch gern gehabt. Sie begannen mit 54 zumeist archäologischen Funden. Dazu kamen mehr als 200 Objekte aus dem damaligen Dommuseum, das in das neue Prignitz-Museum integriert wurde. Es sind äußerst ansehnliche, zum Großteil sehr wertvolle Stücke aus der mittlerweile 820-jährigen Geschichte des Havelberger Doms.
Landräte der Prignitz, Künstler und Bürger gründeten 1899 den "Verein zur Förderung der Heimatkunde in der Prignitz", den Trägerverein fürs Museum. Auch aus diversen privaten Sammlungen wurden Stücke beigesteuert. Der Bestand des Museums wuchs binnen weniger Jahre auf mehr als tausend Objekte. Heute beherbergt das Pirgnitzmuseum etwa 30.000 Exponate.
Museum in ehemaligem Kloster
Darunter sind wertvolle Gegenstände, wie ein Gesangbuch von Matthäus Ludecus (1517–1606), dem ersten Havelberger Dompfarrer. Er hatte darin ursprünglich katholische Lieder mit reformatorischen, evangelischen Texten versehen.
Das Gesangbuch ist etwa 500 Jahre alt, mit handschriftlichen Bemerkungen von Ludecus jr. versehen und ein deutliches Zeitzeugnis für den Fortschritt der Reformation in Havelberg, dem einst so festen katholischen Bischofssitz mit angeschlossenem Prämonstratenser-Kloster. In dessen Mauern residiert das Prignitz-Museum von Beginn an.
Dort zu finden sind auch Schmuckstücke der Bischöfe und Kardinäle aus der katholischen Zeit, prunkvolle Gewänder, goldglänzende Kirchenausstattung. Die Sammlung zieht sich über die Jahrhunderte und streift dabei in spannenden Abteilungen die Stadtgeschichte, die der Feuerwehr, der Handwerker, der Bürger.
Prignitz-Museum überstand zwei Diktaturen
Das Prignitz-Museum hat vier gesellschaftspolitische Umbrüche und zwei Diktaturen überstanden. Unter den Nazis wurde zum Beispiel ein afrikanischer Schädel ausgestellt, an dem die Überlegenheit der "weißen Rasse" nachgewiesen werden sollte.
Auch zu DDR-Zeiten versuchte das Regime, thematisch Einfluss zu nahmen. Doch der damalige Museumsleiter, Kurt Henschel, fand seine Zuflucht in der Kunst und etablierte die heute noch wechselnden Sonderausstellungen. Damit ging er Wünschen der SED aus dem Weg und ließ sich nicht verbiegen, so Museumsleiterin Reichel.
Quelle: MDR KULTUR (Katharina Häckl)
Redaktionelle Bearbeitung: op
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Prignitz-Museum am Dom Havelberg
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag: 10 bis 17 Uhr
Adresse:
Domplatz 3, Havelberg, 39539
Aktuelle Kunstausstellung: "Kreuzsteinraster – Rasterkreuzstein"
Malerei von Udo Klenner, Berlin und Skulptur von Mariel Poppe, Berlin
13. Juli bis 13. Oktober 2024
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 12. August 2024 | 08:10 Uhr