Roland-FigurenWie die Hansestadt Stendal ihren Roland feiert
Wenn Stendal vom 30. August bis 1. September den Sachsen-Anhalt-Tag begeht, richten sich alle Augen auf diesen Mann: den Ritter Roland. Über die Bedeutung solcher steinernen Wächter wissen nur noch wenige Menschen Bescheid, dabei haben Roland-Figuren in Mitteldeutschland eine besondere Tradition. Der Historiker Frank Riedel und mehrere "lebendige" Rolande aus der Region wollen in Stendal das historische Bewusstsein stärken.
- Der Roland auf dem Marktplatz von Stendal wurde in seiner langen Geschichte schon mehrfach erneuert.
- Im Mittelalter symbolisierten die Roland-Figuren Feiheitsrechte einer Stadt, in Stendal stand der Roland auch für eine Erweiterung des Magdeburger Stadtrechts.
- Zum Sachsen-Anhalt-Tag vom 30. August bis 1. September treten in Stendal Ritter-Darsteller aus verschiedenen Roland-Städten auf, um das Erbe des Ritters zu vermitteln.
Für die meisten Menschen sind sie heute vor allem ein attraktives Foto-Motiv, die steinernen Rolande. Man muss sich schon auf die Suche machen nach ihnen, so viele gibt es gar nicht. Aber laut dem Historiker Frank Riedel ist Mitteldeutschland dafür ein gutes Pflaster. 37 Rolande gebe es europaweit noch, 27 davon in Deutschland. 22 von diesen 27 stünden in Mitteldeutschland.
Nicht nur große Städte wie Bremen haben einen, sondern durchaus auch kleine, wie Gardelegen in der Altmark oder die Rolandstadt Perleberg in der Prignitz, wo Frank Riedel das Kulturamt leitet. Selbst das Dörfchen Buch bei Tangermünde in der Altmark hat einen Roland – das sei aber eine Ausnahme, sagt der Historiker.
Statue mit bewegter Geschichte
Der Stendaler Roland, der während des Sachsen-Anhalt-Tages vom 30. August bis 1. September 2024 im Mittelpunkt steht, stammt aus dem Jahr 1525. Allerdings wird angenommen, dass er einen hölzernen Vorgänger hatte. Zumindest legt das ein Holzschwert nahe, das seit 1962 im Altmärkischen Museum zu Stendal aufbewahrt wird. Auch der originale mittelalterliche Kopf lagert dort. Die originale Figur aus Sandstein hatte inklusive Schwert eine Höhe von sechs Metern. Ihr machte 1972 ein Orkan den endgültigen Garaus. Die Figur, die nun seit Mitte der 70er-Jahre auf dem Markt steht, ist eine Replik von 5,41 Metern.
Rolande: Symbole der städtischen Freiheiten
Im Mittelalter haben die Bürger voller Stolz die steinernen Rolandfiguren aufgestellt, zeigten sie doch den Fortschritt und die Exklusivität ihres Ortes. Wer einen Roland hatte, hatte Stadtrecht, das Leben war reicher, bunter und freier. Er symbolisierte die Freiheiten der Städte, der Märkte, des Rechts.
Stendal bekam Stadtrecht im 12. Jahrhundert
Stendals Roland auf dem Markt zeigt an, dass der Stadt um 1160 Stadtrecht verliehen wurde – und zwar durch Markgraf Albrecht den Bären. Nach seinem Willen nahm Stendal zuerst das Magdeburger Stadtrecht an. Und das war fortschrittlich genug: Es garantierte die persönliche Freiheit der Bürger, eine bürgerliche Gerichtsbarkeit mit Schöffengerichten, das Recht auf Eigentum, Sicherheit und wirtschaftliche Privilegien für Händler und Handwerker.
Stendal aber erweiterte das Magdeburger Stadtrecht noch, vor allem in Erbfragen. Wenn jemand starb, erhielten demnach nicht die quasi genetischen Nachkommen des Erblassers sein Vermögen, sondern dessen Witwe oder deren Witwer nebst gemeinsamen Kindern. Am "Stendaler Recht" orientierten sich in den Jahren darauf weitere Städte, sieben davon auch in der Prignitz.
Unbekanntes Erbe der Rolande
Dieses Erbe sei weitgehend unbekannt, so der Historiker Frank Riedel. Er will es den Menschen wieder näherbringen, ihren Stolz wecken. Deshalb gründete er ein besonderes Roland-Netzwerk mit. 15 Roland-Orte machen mit. Einige haben sogar, um den Roland-Mythos wieder populär zu machen, Roland-Darsteller. Sieben von ihnen werden beim Sachsen-Anhalt-Tag am Sonnabendmittag auf der großen MDR-Bühne auf dem Markt stehen.
Riedel selbst will den Zuschauern dann erzählen, wie spannend die Geschichten um den Roland sind. Zum Beispiel ist die Frage nicht endgültig geklärt, warum die steinernen Ritter ausgerechnet Roland heißen. Der Historiker sagt, Roland sei ein Heerführer im Gefolge Karls des Großen gewesen, der in einer Schlacht im 8. Jahrhundert gestorben war. Andere behaupten zusätzlich, Roland wäre der Neffe Karls des Großen gewesen.
Jeder Roland hat seinen eigenen Charakter
Erstaunlich jedenfalls ist die Fantasie, mit der die Menschen im Mittelalter ihren Roland entwarfen. Jeder Roland hat seinen eigenen Charakter, sein eigenes Aussehen. Der Gardeleger zum Beispiel ist eher ein ebenmäßiger junger Mann, der Perleberger mit seinem Bart und in seiner Rüstung hat ein bisschen Ähnlichkeit mit dem Piraten Klaus Störtebeker. Auf seinem Kopf und seinen Schultern hatte sich unlängst ein Bienenvolk niedergelassen. Ein imposantes Bild.
Der Roland habe eben nicht nur Fans von unten, scherzt Historiker Riedel, sondern auch von oben, und die kämen gleich zu Tausenden. Frank Riedel muss es wissen. Er leitet das Kulturamt der offiziellen Rolandstadt Perleberg und kann den Roland aus seinem Bürofenster heraus jederzeit betrachten.
Möglicherweise, so erhofft sich Frank Riedel, sehen die Besucher des Sachsen-Anhalt-Tags hinterher die Rolande mit anderen Augen. Die Männer aus Stein sind schließlich Symbole der Freiheit, die uns heute als unanfechtbar und selbstverständlich erscheint.
Mehr Informationen zum Sachsen-Anhalt-Tag in Stendal
Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Mittag | 07. August 2024 | 12:10 Uhr