Nahaufnahme von Mädchen, das in die Kamera lächelt 2 min
Hier können Sie sich anhören, wie die neunjährige Felicitas Gansewig dieses Schulhalbjahr erlebt hat. Bildrechte: MDR/Katharina Häckl
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MDR SACHSEN-ANHALT Mo 27.01.2025 06:45Uhr 02:13 min

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Bismark (Altmark) Im Rollstuhl zur Schule: So war das Halbjahr von Feli aus Holzhausen

28. Januar 2025, 10:23 Uhr

Mehr als 200.000 Ferienkinder genießen gerade die Winterferien in Sachsen-Anhalt. Eine, die ein besonders aufregendes Schulhalbjahr hinter sich hat, ist Felicitas "Feli" Gansewig aus Holzhausen in der Altmark. Sie hätte im letzten Sommer beinah nicht mehr zur Schule gekonnt, weil sich keine passende Schul-Begleitung fand. Mit Hilfe von MDR SACHSEN-ANHALT gab es dann kurz vor Schuljahresbeginn doch noch eine Lösung.

Feli braucht eine speziell ausgebildete Pflegefachkraft im Schulalltag. Eine, die ihr natürlich zur Hand geht, um an- und auszuziehen, bei der Treppen-Bewältigung – denn die Grundschule Bismark ist nicht barrierefrei – vor allem aber auch beim Toiletten-Gang. Als Nebenwirkung der Medikamente, die sie nehmen muss, kann Feli nicht wie andere einfach aufs Klo; sie muss katheterisiert werden. So etwas kann nicht jede Pflegekraft.

Ein Mädchen im Rollstuhl wird eine Treppe heruntergeschoben
Weil die Grundschule Bsimark nicht barrierefrei ist, braucht Feli einen speziellen Treppensteiger. (Archivbild) Bildrechte: MDR/Katharina Häckl

Plötzlich ohne Hilfe

Im Frühjahr 2024 aber hatte die bisherige Begleiterin gekündigt. Ihr Arbeitgeber war der Ansicht, ihre Arbeit würde nicht angemessen genug bezahlt. Die Aufgabe, binnen sechs Wochen eine speziell ausgebildete Fachkraft zu finden, die Zeit für und Lust auf den Job mit Feli hat und in der Nähe wohnt, schien nahezu unlösbar.

Noch im Sommer standen Feli und ihre Eltern ohne Hilfe da. MDR SACHSEN-ANHALT fragte für die Familie mehrfach nach – beim Landkreis Stendal, bei der Pflegekasse, beim Landessozialamt, bei potenziellen Trägern. Wenige Tage vor Schuljahresbeginn kam Hilfe von den Maltesern: Cathrin Nehl hat die passende Ausbildung, um Felis spezielle Begleitung im Schulalltag zu sein.

Feli und neue Schulbegleiterin sind eingespieltes Team

Jetzt, sieben Monate später, sind die beiden ein eingespieltes Team, ob beim Umgang mit dem Treppen-Steiger, an- und auszuziehen, Sachen zurechtzulegen für den Unterricht oder beim Toiletten-Gang – das Miteinander funktioniere, sagen beide. Felis Mutter Jessica sagt über Cathrin, sie sei lieb und habe immer ein Auge auf Feli.

Sie ist aber auch nicht wie eine Übermutter. Sie lässt Feli auch ihren Teil machen, was sie machen kann. Da kann man gar nicht meckern.

Jessica Gansewig, Mutter von Feli

Felis Klassenlehrerin Heike Ramelow ist mittlerweile per Du mit der Schulbegleiterin, und auch Cathrin Nehl sagt, sie fühle sich in der Bismarker Grundschule sehr wohl. Gemeinsam stellen sie sich den Herausforderungen, auch denen, mit denen sie eigentlich nicht rechneten.

Beleidigungen auf dem Schulhof: "Behindert ist kein Schimpfwort"

Feli ist als Rollstuhlfahrerin in ihrer Klasse genauso angesehen wie jedes andere Kind auch. Sie hat ihre Freunde dort, niemand stößt sich an ihrer Behinderung. Aber in den Pausen, da haben Feli und Cathrin Nehl immer öfter gehört, wie vor allem die Jungs sich gegenseitig beschimpften: "Du bist ja behindert!"

Und da haben ich und Cathrin immer schon gesagt 'Behindert ist kein Schimpfwort'. Aber denen war das immer allen egal.

Feli Gansewig, Viertklässlerin

Feli fand eine typische Feli-Lösung für das Problem: Sie bemalte eine quadratische Leinwand in Regenbogenfarben und schrieb mit großen weißen Buchstaben darauf "Behindert ist kein Schimpfwort". Und jetzt, sagt die Neunjährige, "seit die Leinwand im Klassenraum ist, hab ich das auch nicht wieder in unserer Klasse gehört". Felis Klassenlehrerin Heike Ramelow unterstützt das Statement.

Das war auch für die anderen Kinder ein Grund, mal darüber nachzudenken, dass man nicht einfach sagt: 'Du bist ja behindert' als Schimpfwort, sondern eine Behinderung ist ja ein Handicap. Und darüber nachzudenken, das fand ich sehr wichtig.

Heike Ramelow, Klassenlehrerin

Landesschulamt am Zug

Mit ihrem Halbjahreszeugnis ist Feli ganz zufrieden. Sie könne alle Fächer gut, sagte sie MDR SACHSEN-ANHALT, nur "Englisch ist das schlimmste Fach, das kann ich gar nicht". Ihre Klassenlehrerin empfiehlt ihr, nach der vierten Klasse aufs Gymnasium zu wechseln. Felis Eltern hoffen, dass da nicht das nächste Problem lauert. Ginge es nach den üblichen Schul-Einzugsbereichen, müsste Feli ab der fünften Klasse das Winckelmann-Gymnasium in Stendal besuchen. Das ist aber nicht barrierefrei. Das Osterburger Markgraf-Albrecht-Gymnasium hingegen schon. Dorthin möchte Feli wechseln. Die Anfrage ans Landesschulamt läuft, ob ihr der Schüler-Transport dorthin genehmigt wird.

MDR (Katharina Häckl, Anne Gehn-Zeller) | Erstmals veröffentlicht am 27.01.2025

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 27. Januar 2025 | 10:45 Uhr

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